“Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!” (Sportfreunde Stiller)
1. “Nations”
Michael Andersch hatte das Spiel schon letzte Woche bei seinem – am Ende gescheiterten – Besuch am Westpark mitbringen wollen. Die Erwartungen waren reserviert. „Kannst es ja mal mitbringen, wenn wir uns nicht gerade auf ein 3+ Stunden Card Drafting Spiel einlassen müssen …“. Michael konnte in bezug auf die zeitlichen Anforderungen beschwichtigen: „Zu viert haben wir es immer in so ca. 1:45 Stunden geschafft“. Aaron traf dann am Wochenende auf der Spieleerfinder-Messe in Haar ein paar Leute, die “Nations” in 15 Minuten erklären und es zu viert selbst beim ersten Mal in nur 2 Stunden spielen konnten. Deshalb heute also grünes Licht für ein großes Werk, was „Nations“ zweifellos ist.
Jeder Spieler erhält ein Tableau, das er im Laufe des Spieles mit Fortschrittskarten füllt und damit sein Potential zum Gewinnen von Stabilität, militiärischer Macht, Bildung, Geld, Nahrung und Kohle erhöht.
Die Fortschrittskarten liegen öffentlich aus und kosten je nach der Ebene, in der sie zufällig aufgedeckt wurden, ein, zwei oder drei Geldeinheiten. Zusätzlich hat jeder Spieler noch Arbeitskräfte, die er auf diesen Karten platzieren muss, um ihre Segnungen zu erhalten. Das Plazieren kostet Kohle, das Dort-Behalten nichts. Eigentlich könnte man seine Arbeiter ingesamt nur einmal zu Spielbeginn aussenden und dann in bewährter kapitalistischer Manier Runde für Runde ihren Mehrwert einstreichen. Doch mit immer den gleichen Monopol-Erzeugnissen kommt man in „Nations“ nicht zu Potte. Wir brauchen immer mal wieder Kohle UND Geld, Macht UND Stabilität, um effizient zu bestehen. Schon allein um ertragreiche Kolonie-Fortschrittskarten erwerben zu dürfen, müssen wir unsere militärische Stärke erheblich entwickelt haben.
Außerdem kann (und wird) der militärisch stärkste Spieler regelmäßig Kriegs-Fortschrittskarten aktivieren und damit jeden zögerlichen Pazifisten zwangsweise zur Kasse bitten: Geld, Nahrung oder auch Bildung werden dann geschröpft. Glücklicherweise sind diese Verluste aber tragbar. Wer sich in friedlichen Kategorien entsprechend hoch entwickelt hat, kann auch die Kriegsschäden einigermaßen glimpflich überstehen. Schließlich hat der Militarist für seine Aufrüstung ebenfalls erhebliche Investitionen tätigen und dabei seine zivile Entwicklung vernachlässigen müssen.
„Nations“ ist ein schwedisches Produkt. „Und das sind Gutmenschen!“ sagten Horst und Moritz beinahe unisono. So darf ein Spieler, der sich in seinem spielerischen Intellekt für stärker hält, als die anderen, freiwillig ein Handicap auf sich nehmen: Pro Runde erhält er dann weniger Standard-Einkommen als die anderen. In welchem Spiel der Neuzeit wurde je so etwas geboten? Welch’ ein Glauben an den bezwingbaren Siegeswillen eines jeden Brettspielers!
Fazit. Eine saubere Konstruktion. Vielfalt und Ausgewogenheit innerhalb der zahlreichen Fortschrittskarten. Umsteigmöglichkeiten (und Notwendigkeit dazu) innerhalb der verschiedenen Entwicklungsschienen. Das Spiel kommt grundsolide daher. Die Autoren zeigen deutliches Verständnis für die Schwierigkeiten von Einsteigern. „Um Spieler einzuführen, die mit längeren und komplexeren Spielen noch nicht vertraut sind”, kann ein Spiel auf zwei (statt vier) Runden begrenzt werden.
Wir sind in solchen Spielen zweifellos nicht unbewandert, doch dieser verständnisvolle Hinweis stand von vorneherin über unserm Einstieg bei „Nations“. Und ebenso über unserem Ausstieg. Nur Moritz, der sich von Beginn an konsequent und erfolgreich mit Wundern eingedeckt hatte, war nach den zwei Spielrunden noch voll dabei und hätte gerne zwei Stunden weitergespielt. Die anderen wunderten sich, dass sie nach der Hälfte des Spieles in bezug auf Einnahmen, Kohle, Geld, Nahrung und Siegpunkten gegenüber dem Anfangsbestand noch kaum etwas zugenommen hatten.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (für mehr Punkte ein Zeitalter zuviel), Horst: 7, Moritz: 8 (deutlich, logisch, einsichtig, ohne grundsätzliche Desaster, man kann seine Strategien umbauen, man kann alle Mankos irgendwie ausgleichen), Walter: 6 (Dynamik fehlt, vermißt Durchsichtigkeit im diffizilen Fortschrittskarten-Optimierungs-Labyrinth.)
2. “Nauticus”
Eine Spielidee von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling ist genauso krisenfest wie eine Gewürz-Boutique von Alfons Schubeck. Unbestritten ist ihre Designer-Begabung, reichhaltig ihr Repertoire an Spiel-Elementen und erfolgreich ihre Findigkeit, auch fremde Ideen zu adaptieren. Bei „Nauticus“ haben sie (in meinen Augen) zweifellos Anleihen bei „Die Werft“ von Czech Games Edition gemacht. Doch vielleicht liegt das Thema Schiffe-Bauen und damit Handel-Treiben quasi in der Brettspiel-Luft. Schließlich tummelt sich Aarons „Trawler“ ja auch in diesen Gefilden.
In „Nauticus“ bauen wir aus Heck-, Bug- und Mittelteilen unsere Schiffe zusammen, bestücken sie mit Masten, hängen Segel daran, laden Fracht auf, verkaufen sie im nächsten Hafen und bekommen am Spielende aus der Stattlichkeit unserer Flotte und aus Menge und Struktur unserer verkauften Waren Siegpunkte. Bekannt, bewährt, gut. Trivial!
Hübsch ist die Auswahl der Spieleraktionen mit dem Aktions-Rondell. Aus acht Segmenten, in denen die Aktionen Rumpfteile, Masten und Segel kaufen, Waren laden und transportieren, sowie Lager, Bank und Kronzeugung angeboten werden, wählt der Startspieler eines aus. Alle Spieler müssen dann die gleiche Aktion ausführen. Eine geglückte zeitliche Abstimmung der einzelnen eigenen und fremden Aktionen trägt wesentlich zur Effizienz bei. Was hilft eine Warenlade-Aktion, wenn die eigenen Schiffe gerade alle voll sind? Oder was hilft die Möglichkeit zum Mastkaufen, wenn man keinen passenden Schiffsrumpf dazu hat? Immerhin kann man bei jeder Aktion auch passen und bekommt dafür als Trostpreis immerhin ein paar Siegpunkte.
Der Startspieler erhält bei der Auswahl seiner Aktion noch einen zusätzlichen Bonus in Form von Arbeitskräften, Geld, Ware, Siegpunkten oder Schiffsbaumaterial. Dieser Bonus ist den einzelnen Aktionen flexibel zugeordnet, so dass jeder Spieler bei seiner Wahl die gewünschten Aktionseffekte, sein eigenes Entwicklungsstadium und die angebotenen Sonderprämien gegeneinander abwägen muss.
Leider ist es damit auch schon getan. Fünf Runden, neuzig Minuten.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (dröge und zäh; es tut ihm weh, dass dieses Spiel bei BBG versucht, seinem Yunnan den Rang abzulaufen), Horst: 5 (unspektakulär, unspannend, öde), Moritz: 6 (ach ja), Walter: 6 (vermißt die ganz normale Aggressivität eines Geschäftslebens).
Zu unserem Bild: Wer als erster mit einer plausiblen Begründung herausfindet, wem die Hand auf dem Bild gehört, bekommt eine Flasche Frankenwein.
3. “Bluff”
Aaron stand mit einem einzigen Würfel gegen zwei von Walter im Endspiel. Er hatte einen Stern gewürfel. Ein toller Wurf! Aber eigentlich bringt er nur Probleme. Schon bei der ersten Vorgabe?
Immer-4 oder Immer-5, das ist hier die Frage! Beider nur beschränkt zielführend! Bei jeder Reaktion des Gegenüber steht man vor neuen Problemen: nach der Antwort 2 mal die Vier bzw. 2 mal die Fünf ist man wohl verloren. Nach 2 mal die Eins, Zwei oder Drei könnte man sein Glück noch mit 3 mal Eins, Zwei oder Drei versuchen. Doch nichts ist sicher, das Spiel heißt ja „Bluff“.
Aaron versuchte als Startvorgabe ein 2 mal die Eins. Sein Gegenüber hatte keine Eins unter dem Becher und konnte leicht anzweifeln. Wie groß war Aaron’s Chance, mit dieser Vorgabe einen Würfel zu gewinnen? Wäre die Startvorgabe 2 mal die Fünf theoretisch (und praktisch) nicht besser gewesen?
Und wie steht es mit 1 mal die Eins?
Behauptung: Wer mit 1 mal die Eins anfängt und nach einer 1 mal die Zwei, Drei oder Vier-Antwort seines Gegenüber auf 1 mal die Fünf erhöht, hat einen Stern unter dem Becher!
(Der Beweis bleibt den Lesern überlassen.)
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.