Schlagwort-Archive: Poison

03.02.2016: Statt eines Session-Reports

Der geheimnisvolle fremde Engel:
“Das Menschengeschlecht lebt ein Leben ständigen und ununterbrochenen Selbstbetruges. … Von dem Dutzend guter Eigenschaften, die zu besitzen es sich voller Stolz einbildet, hat es in Wirklichkeit kaum eine einzige. Es hält sich für Gold und ist doch nur Messing. … Es ist immer gleich bei der Hand, für sich in Anspruch zu nehmen, was es nicht hat, und sein Gramm Messingschrapsel für eine Tonne Goldstaub zu halten. Ihr habt einen Bastardbegriff von Humor, weiter nichts; die meisten von euch haben den. Die meisten sehen die komische Seite von tausend drittrangigen und banalen Dingen – zur Hauptsache platte Ungereimtheiten: Grotesken, Absurditäten, Klamauk – mit wieherndem Gelächter. Die zehntausend hochgradig komischen Dinge, die es in der Welt gibt, sind ihrem trüben Blick verschlossen.

Ob einmal der Tag kommt, da das Menschengeschlecht entdeckt, wie ulkig diese Kindereien sind, und darüber lacht – und sie durch dieses Lachen überwindet? Denn trotz eurer Armut habt ihr zweifellos eine wirklich wirksame Waffe: das Lachen. Macht, Geld, Überzeugungskraft, Bitten und Verfolgungen – sie können einem kolossalen Humbug ein bisschen Boden wegnehme – ihn ein Stück beiseite schieben – ihn im Laufe der Jahrhunderte etwas abschwächen; aber nur das Lachen vermag ihn mit einem einzigen Ausbruch in Fetzen und Atome zersprengen. Dem Angriff des Lachens kann nichts standhalten.“
(aus Mark Twain: Der geheimnisvolle Fremde)

Teilnehmer:
Günther
Peter
Walter

Gespielte Spiele:

    • Spyrium : Peter vergibt 9 Punkte.

 

    • Thurn und Taxis : das Spiel des Jahres 2006 hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Bei uns würde es eher noch einen Punkt mehr bekommen.

 

  • Poison : rund und schön

29.07.2015: Lustiges Regelraten auf der Akademie

1. “Eine gegen Eine”

Eine gegen eine - einer hat gewonnen!
Eine gegen eine – einer hat gewonnen!

Das Spiel ohne Anleitung!. Auf dem Titelblatt steht: „Findet gemeinsam heraus, wie dieses Spiel funktioniert“!

Aaron verteilte jedem Mitspieler einen verschlossenen Umschlag mit dem spezifischen Spielmaterial. Jeder stanzte zuerst seine vier verschiedenfarbigen Karten aus, auf denen Textfetzen zu erkennen waren, die unschwer zu einem Du hast gewonnen“ zusammengesetzt werden konnten. Danach faltete jeder – nicht ohne gewiss Unsicherheits-Skrupel – den restlichen Karton aus seinem Umschlag an den perforierten Stellen zu einem Kartenhalterbänkchen und steckte seine vier Textfetzen-Karten hier auf.

Auf dem Bänkchen gab es fünf Spalten mit den Überschriften „Ziehe“, „Lass dir geben“, „Verlange Farbe“, „Feilsche“ und „Stecke beliebig um“. Darunter stand jeweils „Wenn hier keine Karte steckt …“. Noch wusste keiner, wie es geht und weitergeht. Ein Schlüsselkärtchen, das reihum zum jeweils nächsten Spieler gegeben wird, brachte Klarheit. Hier geht der untere Spalten-Unter-Text weiter: „… dann führe die obige Aktion aus.“, von einem Mitspieler also aktiv eine Karten ziehen, sich passiv eine Karte geben lassen, von einem Mitspieler eine Karte einer bestimmten Farbe fordern, etc.

Danach, so steht es auf dem Schlüsselkärtchen: “Falls Du eine Karte bekommst, stecke sie an diesen Platz und gib dem Mitspieler eine andere Karte zurück.”

Aha, es geht also um eine Art Quartett. Moritz zog von Aaron eine Karte und gab ihm eine andere. Aaron tauschte mit Günther eine Karte, Günther zog von Walter eine Karte und Walter forderte – erfolgreich – von Moritz eine Farbe. Jetzt feilschte Moritz mit Günther eine Karte, bekam Grün gegen Gelb und – Günther hatte gewonnen! Er hatte in fast der kürzest möglichen Zeit seinen gelben Rätseltext „Du hast gewonnen“ zusammengeschustert.

Nochmals spielen, jetzt, wo man weiß, wie es geht? Nicht unmöglich, aber selbst herausforderndere Spiele habe das am Westpark selten geschafft.

„Eine gegen Eine“ gibt es tatsächlich zu kaufen. Was würden wir – juxhalber – dafür ausgeben wollen? Walter bot gutmütig 5 Euro, Moritz akzeptierte mit dem akademischen Abschlag von 50 Cent. Und was kostet es in Wirklichkeit? 7,50 Euro. Fast richtig geraten!

WPG-Wertung: Haben wir vor freudiger Überraschung über unsere blitzschnelle Entschlüsselung ganz vergessen. Von mir bekommt es 3 Punkte – als Kinderspiel!

“DR Congo”

Nein, wir wollten es nicht noch einmal spielen. In keiner Variante. Aber Aaron schlug vor, dass wir noch einmal herzhaft darüber streiten sollten. Was dann auch geschah. Kurz und herzhaft.

2. “Medieval Academy”

Wenn wir nur zwischen Skylla und Charybdis zu wählen hätten, würden wir unseren Freiheitsgrad nicht gerade hoch einschätzen. In der Größenordnung von Null. Gehupft wie gesprungen. Wer als stinknormaler Hetero zwischen einer göttlichen Jungfrau und einer teuflischen Hexe – die garantiert auch keine verzauberte Prinzessin ist – zu wählen hätte, würde sich vielleicht über diese Auswahl freuen, rein spielerisch ist der Freiheitsgrad allerdings ebenfalls in der Größenordnung von Null. Ein andere als die sofort einsichtige, einzig logische Wahl ist Unsinn.

Unter dieser Prämisse schauen wir uns jetzt mal die Freiheitsgrade in „Medieval Academy“ ein, ein Spiel, das am 18. März zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch lag und von vier Mitspieler mit ordentlichen 7 Punkten bewertet wurde, von Walter hingegen nur mit abfälligen 5 Punkten.

Nach einem – nicht ganz neuen – Auswahlverfahren bekommen wir fünf Karten in den sieben Farben pink, hellblau, dunkelblau, braun, rot, grün und grau auf die Hand. Auf den Karten sind Zahlen aufgedruckt, die angeben, wieviele Schritte wir mit unseren Markierungsmarkern auf zugehörigen pinken, hellblauen, …, grauen Turniertafeln vorwärts gehen dürfen, wenn wir eine solche Karte spielen. Fünf ist die höchste Zahl, zwei die niedrigste.

  • Wer nach sechs Runden auf der roten Tafel am weitesten gekommen ist, bekommt 17 Siegpunkte; der zweiweiteste bekommt 10 und der drittweiteste 4. Ein einziger, zu einem nicht unerheblichen Teil vom Zufall bestimmter Punkt entscheidet über 7 oder gar 13 Siegpunkte. Das hat zwar nichts mit Freiheitsgraden zu tun, aber geradlinig berechenbar ist das nicht. Es zeigt a priori, dass wir es hier mehr mit einem Glücksspiel als mit einem Denkerspiel zu tun haben. Das ist zwar kein Charakterfehler des Spiels, aber es zeigt seinen schon mal die Tendenzen in seinem Charakter an.
  • Wer nach sechs Runden auf der grauen Tafel hinten liegt, bekommt 10 Minuspunkte; wer an vorletzte Stelle liegt, bekommt 5 Minuspunkte. Hier kann ein einziger Punkt über eine Differenz von 5 bzw. 10 Siegpunkten entscheiden. Am besten rückt man hier überhaupt nicht vor, nimmt die Strafpunkte in Kauf und engagiert sich in den anderen Farben. Ja, wenn das farbenselektive Engagement nur so leicht wäre. Aber das kriegen wir später.
  • Wer innerhalb von drei Runden auf der dunkelblauen Tafel mindestens 6 Felder weit gekommen ist, bekommt 6 Siegpunkte; wer mindestens 12 Felder weit gekommen ist, bekommt 12 Siegpunkte. Jeder. Das ist rechtschaffen und überschaubar, zumindest wenn man die Anzahl und Wertigkeit der blauen Karten, die man innerhalb von drei Runden bekommt, vorhersehen kann. Das kann man zwar nicht, aber wegen 6 Siegpunkten wollen wir uns jetzt nicht streiten.
  • Auf der brauen Tafel bekommt der Letzte in jeder Runde 3 Strafpunkte und der Vorletzte 1 Strafpunkt. Das sind Kinkerlitzchen, als brauner Ignorant kann man maximal 18 Siegpunkte verlieren ist, das stört doch keinen großen Geist. Ein Engagement hier ist ein emotionsloses Abspielen der brauen Handkarten, sofern man welche unvermeidbar auf der Hand behalten musste.
  • Wer auf der pinken Tafel am weitesten vorwärts gekommen ist, darf am Ende jeder Runde auf einer beliebigen Tafel seinen Markierungsstein noch drei Felder weiter bewegen; der zweite darf noch zwei Felder und der dritte noch ein Feld vorwärts. Damit können die Positionen auf verschiedenen Tafeln nochmals ganz erheblich durcheinander gebracht werden. Oder auch nicht. Schlecht sind diese Nach-Torschluss-Beförderungen auf keinen Fall. Aber wieviel Potenz soll man hierhinein opfern? (Sofern man welche hat!)
  • Auf den beiden hellblauen Tafeln geht es in jeder zweiten Runde um 8, 5 bzw. 2 respektive um 5, 3 bzw. 1 Siegpunkte für die ersten drei Plätze. Nicht schlecht. Sogar noch einigermaßen gerecht. Hohe hellblaue Karten sind nicht zu verachten. Doch wie komme ich an sie heran?

Jetzt kommt mein Plädoyer für die nicht vorhandenen Freiheitsgrade in „Medieval Academy“:
Pro Runde erhält jeder Spieler zu Beginn fünf Handkarten zufällig ausgeteilt. Was einem das Schicksal hier zugedacht hat, liegt nicht in unserer Hand. Jungfrau oder Hexe – reiner Zufall. Dass ich die Jungfrau behalte, ist doch so klar wie Kloßbrühe. Freiheitsgrad Null.

Doch möge uns das Schicksal vor zu vielen Jungfrauen in unserer 5-Karten-Hand bewahren, denn vier dieser Karten müssen wir an unseren Nebenspieler abgeben und bekommen dafür vom anderen Nebenspieler ebenfalls vier Karten. Natürlich die schlechtesten von dessen Hand. Aber wenn wir Glück hatten, bekam der gebende Nebenspieler gleich am Anfang zwei (oder mehr) Jungfrauen und muss (mindestens) eine davon an uns abgeben.

Diese Prozedur geht weiter: Von unseren jetzigen fünf Handkarten geben wir drei Karten an unseren Nebenspieler, dann zwei und zum Schluß noch eine. Die Auswahl wird immer schlechter, Jungfrauen bekommen wir keine mehr, nur noch schlichte Teufelsweiber. Wer Optimist ist, sieht darin sogar noch einen Freiheitsgrad. Wer Pessimist ist – zumindest was die kritische Analsyse von sinnvollen Zugmöglichkeiten betrifft -, sieht darin keinen. Keine nennenswerten!

Beispiel einer Kartenausteilung:
Zu Beginn bekam ich heute zwei rote und zwei dunkelblaue Dreien und eine braune Vier. Was hättet Ihr davon behalten? Na klar, die braune Vier! Ist zwar keine Jungfrau, aber wo gibt’s die heute denn noch! Von Günther bekam ich im Gegenzug eine hellblaue Zwei und Drei, sowie einen braune und eine graue Drei. Auch nicht gerade Jungfrauen! Welche davon soll ich behalten? Ach lassen wir das. Es ist müßig, über die rationalen und irrationalen Überlegungen bei der Auswahl aus fast gleichen oder aus fast krass ungleichen Karten nachzudenken. Am Ende des Verteilungsprozesses hatte ich eine braune Vier, eine graue Drei und Vier, sowie eine rosa und eine hellblaue Drei auf der Hand. Welche Karte hättest Ihr davon als erste ausgespielt? Und welche, wenn Ihr Euch zu Beginn des Karten-Ausspielens darüber überhaupt Gedanken macht, hättet Ihr am Ende als nicht-zu-spielen in der Hand zurückbehalten vorgehabt?

Es gibt tatsächlich etwas zu überlegen. Manche Spieler halten sogar die Reihenfolge, in der sie ihre Karten spielen, für eine große taktische Leistung. Denn wer zuerst auf ein Feld kommt, und später darauf von einem nachziehenden Spieler bestiegen wird, liegt in der Siegpunkt-Vergabe hinter ihm. Doch wenn die eine Karte, die wir NICHT spielen wollen, fest liegt – und sie liegt im Großen und Ganzen fest -, dann sind die Endplätze, die wir am Ende einer Runde belegen, jetzt schon definiert. Und wenn wir demnach z.B. auf der roten Tafel unten liegen, so liegen wir auf der blauen Tafel oben. Oder umgekehrt. Alles liegt schon fest – und zwar keineswegs in unserer Hand. Die vielen Pseudofreiheiten, innerhalb der wir uns entscheiden dürfen, sind einzeln alle in der GRÖSSENORDNUNG von Null. Und in der Gesamtwirkung ebenfalls.

Das soll nicht heißen, dass „Medieval Academy“ kein hübsches Spiel ist. Für spielerisch veranlagte Leute, denen es Spaß macht, ihre Hoffnung auf 95% Glück und auf 5% Planung und Übersicht zu legen. Dazu gehöre ich leider nicht. Zumindest nicht wenn es sich um Skylla und Charybdis dreht.

Definition:
Eine Entscheidung, die eine einzige vernünftige Alternative beinhaltet, ist eine Null-Freiheitsgrad-Entscheidung!

Da gab es doch glatt einen Westpark-Gamer, der aufgrund dieser Defition das Skat-Spiel bei den Spielen mit Null-Freiheitsgrad einreihen möchte. Aber hallo! Im Skat kenne ich ALLE Karten, die ihm Spiel sind, nicht nur 15 von den 20 im Spiel, wobei von der Gesamtzahl von 52 Karten in „Medieval Academy“ 32 Stück erst gar nicht ins Spiel kommen. Von denen weiß ich auch nicht, ob sie in der nächsten Runde ins Spiel kommen.

Im Skat kann ich durch Reizung und Ausspiel die ersten Schlüsse auf die ungefähren Verteilungen meiner Mitspieler ziehen. Mit jedem weiteren Stich bekomme ich mehr Sicherheit über die exakten Verteilungen ALLER Hände, einschließlich der beiden Karten im Talon, und ich kann mein Abspiel darauf einstellen. Wer diesen grundsätzlichen Deduktionen beim 10-Handkarten-Skat mit dem läppischen 4-Karten-Spiel „Medieval Academy“ in einen Topf wirft, ist nichts anderes als ein Provokateur.

Keine neue WPG-Wertung für ein vier mal 7 Punkte und ein mal 5 Punkte Spiel.

3. “Poison”

Es war erst 21:30 Uhr, aber wir entschieden einmütig, nur noch „kleine“ Spiele zu spielen. Zuerst „Poison“. Von Knizia. Ein kleines Spiel von einem großen Meister Hübsch. Rund, schadenfreudig, viele Entscheidungen, gute und schlechte, immer spielerisch.

Keine neue WPG-Wertung für 8 Punkte Spiel.

4. “Abluxxen”

Noch ein kleines Superspiel. Von den Großmeistern Kiesling-Kramer. Ohne Fehl und Tadel. Aaron ließ einen Freudenseufzer los: „Ach was ist das für ein schönes Spiel!“ Womit er mal wieder recht hatte.

In der dritten Runde fotographierte Moritz nach der Kartenausteilung seine Kartenhand. Warum wohl? Super gut oder super schlecht? Hinterher konnte er demonstrieren: In den dreizehn Karten seiner Hand waren 12 verschiedene Zahlen. Kein Wunder, dass er damit keinen Pappenstil gewinnen konnte. Ganz im Gegenteil: drei Minuspunkte. In der Endwertung reichte es aber zum zweiten Platz hinter dem unangefochtenen Sieger Aaron.

Auch wenn „Abluxxen“ zu einem hohen Grad ein Glückspiel ist, so ist es doch stimmig, hat eine eigene Dynamik, eine progressie Spannung, bei jedem Zug einen hohen Freiheitsgrad und ist vor allem in jedem Augenblick lustig. Im Gegensatz zu so manchem anderen Kartenspiel.

Keine neue WPG-Wertung für 8 Punkte Spiel.

26.03.2014: Schadenfreude

“Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist.” Diese Behauptung von Arthur Schopenhauer greift viel zu kurz. Der Superlativ darin ist ohnehin falsch. Auch nette Menschen kennen Schadenfreude. Dabei geht es keineswegs um Häme oder um eine „psychische Entlastung durch die Aufwertung eines Selbst gegenüber einem vermeintlichen Überflieger.“ Oft geht es einfach um die – zweifellos freudige – Tatsache, dass ein unvermeidliches Unglück nicht uns sondern einen anderen getroffen hat.

34 mal in unseren Session-Reports kommt das Wort „Schadenfreude“ vor. Meist mit einem durchaus positiven Touch. Hier eine kleine Auswahl:

Verflixxt! : Ein Garant für Freude und Schadenfreude. – Ganz offen zu sehen; alle können sich unmittelbar mitfreuen. Das Offensichtliche und die spontane Mitfreude aller Unbeteiligten, ein Mitlachen selbst bei den Beteiligten, das sind überhaupt die wesentlichsten Charakteristika für die positiven Seiten der Schadenfreude.

Via Romana: beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. – Zugestanden, nicht jede Schadenfreude wird von jedem geteilt.

Sankt Petersburg: Günther lag das ganze Spiel über auf dem letzten Platz. Es erhob sich schon eine allgemeine Schadenfreude mit oder gegen den erfahrenen Entwickler der PC-Version. – OK; hier geht es eher schon in Richtung gegen einen Überflieger.

Trias : Die Herden auf dem Hexagon fallen ins Wasser und müssen von dem jeweiligen Herdenbesitzer explizit auf Nachbarhexagons gerettet werden, wenn sie nicht untergehen sollen. Reichlich Stoff für spielerische Freude und Schadenfreude. – Unbeabsichtigtes Ins-Wasser-Fallen: schon seit tausend Jahren wird dieser Gag in den Filmen der Welt mit garantiertem Lacherfolg aufgestischt.

„Bei uns Westpark-Gamers darf gelacht werden. Schadenfreude wird von Siegern und Verlieren gleichermaßen akzeptiert und getragen.“ – Nun da, da war vielleicht auch Wunsch der Vater des Gedankens.

Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
1. “Amerigo”
Aus 16 Kartonteilen zu je 5 mal 5 Quadratfeldern stellen wir zu Beginn des Spiels eine variable Landschaft mit Inseln und Meeresarmen zusammen. Anschließend

  • fahren wir mit unseren zwei Schiffen durch die Gegend und gründen Häfen,
  • planen und bauen Landschaften,
  • treiben Forschung (gut für die Potenz),
  • kaufen Waren (gut für die Siegpunktwertung am Schluß),
  • laden Kanonen (gut gegen die in wachsender Zahl auftretenden Piraten),
  • rangeln ums um die Spielerreihenfolge.

Welche Aktionen wir (und unsere Mitspieler gleichfalls) tun dürfen, wird nach einem neuartigen Auswahlverfahren bestimmt, das auf einer altartigen Spiele-Erfindung basiert: einem Würfelturm. Jede der sieben möglichen Aktionen wird durch eine bestimmte Farbe vorgegeben; kleine Holzwürfelchen mit den entsprechenden Farben werden nach einer vorgegebenen Stückelung in einen Würfelturm geworfen; alle Aktionen, für die mindestens ein zugehöriges Farbwürfelchen wieder herausgefallen ist, dürfen anschließend ausgeführt werden. Mit welche Quantität, das bestimmt die höchste Anzahl an gleichfarbigen Würfeln irgend einer Farbe.

Alles ist konstruktiv. Engpässe gibt es nicht. Dass dringend gewünschte Aktionen gerade nicht zuässig sind, kommt im Prinzip nicht vor. Höchstenfalls muss man darauf einen Zug warten. Aber ohne deshalb merkliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Alles bringt uns vorwärts. Alles liefert Siegpunkte. Mal früher mal später. Mal mehr, mal weniger.

Hafengründungen bringen Brinkel, vollständig mit Landschaftsplättchen überbaute Inseln bringen Brot. Fische liefern die Rohstoff- und Warenmarker, die wir uns gezielt oder ungezielt das ganze Spiel über zugelegt haben; Butter bei die Fische resultiert aus den verschiedenen Entwicklungsfortschritten, die stufenweise immer mal wieder etwas abwerfen. Alles ist rund und macht satt.

Am Ende nehmen die Zugoptionen deutlich ab. Die Häfen sind alle entdeckt und die Schiffahrt kann eingestellt werden. In den Skalen für Entwicklungsfortschritt ist das Ende erreicht, Waren und Rohstoffe sind abgegrast. Mehr oder weniger oft muss man konstruktive Amerigonismen verfallen lassen und sich mit zwei Goldstücken Ersatz begnügen. Weniger Spielrunden hätten dieses Manko vermeiden und dazu noch Zeit sparen helfen! Wir brauchten in einem relativ flotten Spiel ca. 2 ½ Stunden für die ausgeschriebenen fünf Spielrunden.

Moritz hatte gleich zu Beginn seine nautischen Fähigkeiten entwickelt. Dann raste er mit seinen getunten Rennbooten durch die Kanäle und setzte seine Duftmarken in alle erreichbaren Hafengegenden. Punktemäßig lag er lange Zeit ziemlich zurück, doch er hatte mit seinem Vorgehen das größte Landgebiet unter seine Kontrolle gebracht. Schlußendlich konnte er hierauf die ertragreichsten Plantagen errichten und die sprudelnsten Siegpunktquellen erschließen, während die Konkurrenz sich schon längst mit den Ersatzgoldstücken hatte zufriedengeben müssen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (verteidigte, dass die Piraten heute etwa zu luschig waren), Moritz: 8 (Origineller Aktions-Auswahl-Mechanismus, es gibt viele verschiedene Strategien und alle haben Erfolgschancen. Bei Spielende landen alle Spieler – problemlos – oben auf den verschiedenen Entwicklungsskalen. [Das wird jetzt als Schwäche gewertet.]), Peter: 6 (tolle, unterschiedliche Spielelemente, am Ende öde), Walter: 6 (mal wieder die nackte Ingenieursleistung honoriert; kein Spannungsbogen; für ein Wiederholungsspiel fehlt der Anreiz des „to have a plan“.)

Bei “Russian Railroads” kritisierte Christoph meine Kritik der „zu vielen Optionen“. Kennst Du eigentlich den Unterschied zwischen „viele“ und „zu viele“? Die gleiche Kritik möchte ich nämlich auch in „Amerigo“ anmelden. Es gibt zu viele einträgliche Zugoptionen. Für ein zeitvertreibliches Drauflosspielen und Schwelgen im Übermaß von Zugoptionen mag das angehen. Ein ein wohlstrukturiertes Vorgehen in einem überschaubaren Entwicklungsraum, in dem auch der aktuelle Besitzstand der Mitspieler jederzeit klar überschaubar ist, erfordert Beschränkungen. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister. Beim Machen und beim Nachmachen!

PS: in „Amerigo“ gibt es keine Schadenfreude. Überhaupt keine. Das ist leider ein Manko.

2. “Poison”
Dieses kleine Kartenspiel setzte sich heute als Vorabsacker gegen den Würfelsacker „Quixx“ durch. Schon im August 2009 hatte es zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch gelegen und wurde damals auch gleich zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt.

Wie kam man doch mit kleinen Sachen, Spielern eine Freude machen. Karten – nichts Neues unter der Sonne. Karten auf gemeinsame Stapel auslegen und ab einem gewissen Stapel-Limit dafür Plus- oder Minuspunkte bekommen – auch das ist nicht keine Erfindung von Reiner Knizia. Aber mit wenigen bekannten oder unbekannten Spielelementen so hübsch zu jonglieren, dass ein schnelles, unkompliziertes Spielchen mit einen hohen Grad an Interaktion herauskommt, das ist allemal ein hohes Lob wert.

Welch eine gelungene Schadenfreude, wenn der Nachfolger unweigerlich einen der drei vergifteten 13-Punkte-Stapel an sich nehmen muss. Und hierbei erkennt man eine psychologisch verständliche und soziologisch durchaus akzeptierte Motivation der Schadenfreude: Wir stehen alle unter der ständigen Spannung, dass so eine Misere auch uns treffen kann. Und gerade dadurch, dass es einen anderen getroffen hat, sind wir davongekommen. Wenn das kein Grund zur Freude ist.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,17 Punkte Spiel.

3. “Bluff”
Walter war schon nach dem zweiten Spiel herausgekickt worden und sein verabschiedender Verlust von 4 Würfel wurde mit großem (schadenfreudigem!) Hallo quittiert. Moritz musste im Endspiel mit einem Würfel gegen zwei Würfel von Günther und Peter antreten. Nicht mit zaghaftem Den-Schwanz-Einziehen, nur mit frisch-frech-fröhlichem Kämpferherz kann man Lady Fortuna beeindrucken. 3 mal die Vier war seine mutige Vorgabe. Zuversichtlich zweifelte Günther mit zwei gewürfelten Luschen an. Doch sein Strahlen wandelte sich unmittelbar darauf in ein vierfaches schallendes Gelächter (reine Freude und Selbst-Schaden-Freude bei Beteiligten und Unbeteiligten), als Peter zwei Vieren aufdeckte. Mit 1:1:1 ging es also in das endgültige Endspiel.

Moritz begann mit 1 mal die Fünf. Günther hob auf 1 mal den Stern. Peter ging auf 2 mal die Eins, was Moritz auf 2 mal die Fünf steigerte. … Endergebnis: Nochmals schallendes Gelächter am Westpark.

Fragen (ohne Wein-Prämie): Wer hat gewonnen? Wer hatte welche Augenzahl unter dem Becher? Wer hatte bei dieser Konstellation (einschließlich Moritz’ erster Vorgabe) – eigentlich – die besten Chancen auf den Sieg?

Weitere Post-Mortem-Frage an Peter: Wo war bei Deiner Vorgabe von „2 mal die Eins“ eigentlich Dein Witz und Dein Spielwitz?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

22.05.2013: Champagner für die Pferde

Aaron brachte zum Empfang eine Flasche Champagner mit. Er ehrte damit Moritz, der gerade mit seinem provozierenden Stück „The Tragedy of a Friendship“ über Nitzsches Haßliebe zu Wager, genährt aus Moritzens Haßliebe zu Wagner, in Antwerpen Welturaufführung feierte.
Eine Premiere am Westpark waren die vorzüglichen, hausgemachten Schoko-Mandeln-Muffins. Nicht vom Hausherrn gebacken, sondern von unserem Gastspieler Frank Zurmühlen aus Holzminden, den Aaron bei seinen Aktivitäten als Spieleautor kennen und schätzen gelernt hatte.
Das lockere Vorgeplänkel wurde von Moritz abrupt unterbrochen „Spiel auf den Tisch!“

1. “Horse Fever”
Es geht um Pferderennen. Wir setzen auf Platz oder Sieg in einer Auswahl von sechs Pferden und gewinnen im Erfolgsfall Geld – für unsere nächsten Wetteinsätze – und Siegpunkte für den Endsieg.

Frank und Moritz im Pferde-Fieber
Frank und Moritz im Pferde-Fieber

Das Rennen wird ganz simpel entschieden: Es werden Karten gezogen, die nach einer halb zufälligen, halb Wettquoten-orientieren Verteilung die Anzahl der Schritte angeben, die jedes Pferd vorwärts zieht. Anschließend werden noch zwei Pferde ausgewürfelt, die einen Zusatzschritt tun. Diese Prozedur wird solange wiederholt, bis alle Pferde die Ziellinie überschritten haben. Das alles geht blitzschnell! Innerhalb von ein bis zwei Minuten ist ein Rennen abgewickelt.
Doch wia im richtigen Leben ist um dieses Rennen herum eine gewaltige Menagerie aufgebaut, in der wir unsere Ambitionen als Profis im Pferdesport austoben können:

  • Wir kaufen Pferde mit unterschiedlichen Renn-Qualitäten: Schnellerer Start, schnellerer Spurt, Vorteile als Schlußlichter, Vorteile im Ziel. Von allen gekauften Pferden dürfen wir aber nur eines an den Start schicken.
    Es gehört nicht viel Durchblick dazu, vorauszusehen, dass jeder Spieler nur eines, nämlich sein bestes Pferd ins Rennen schickt. Eigentlich brauchte jeder nur ein einziges Pferd.
  • Wir kaufen Rennställe um damit zusätzlich Gelder und Siegpunkte einstreichen zu können.
    Allerdings gibt es nur einen einzigen freien Rennstall auf dem Markt. Etwas wenig für fünf Mitspieler. Weitere Rennställe könnten wir versuchen, von unseren Mitspieler abzukaufen. Doch so blöd war keiner (der Verkäufer). Nicht einmal der Versuch dazu wurde gemacht.
  • Wir kaufen „Aktionen“, mit denen wir die Qualität des eigenen oder der fremden Pferde manipulieren können, z.B. schnellerer oder kein schnellerer Start, schnellerer oder kein schnellerer Spurt, Strafgelder für das Setzen auf das Pferd, Punktabzüge für Sieg oder Platz.
    Die Aktionskarten dazu werden verdeckt gezogen (Auswahl 1 aus 4) und verdeckt dem jeweiligen Pferd zugeordnet, so dass die Siegesaussichten eines Pferdes für die nachfolgenden Wetten umso „einsichtiger“ abgeschätzt werden können.
  • Wir kaufen „Aufgaben“, deren Erfüllung uns in der Schlußwertung ein paar Zusatzpunkte zuschustern, z.B. wenn wir die meisten Pferde besitzen, die meisten Rennställe, das meiste Geld oder die wenigsten (!) Primär-Siegpunkte.
  • Wir kaufen „Helfer“, die uns bei unseren späteren Käufen finanzielle Vorteile gewähren, z.B. kostenloser kauf weiterer „Helfer“.
    Ich weiß nicht, was das Ganze mit Pferderennen zu tun hat, wenigstens erhöht es unseren Freiheitsgrad im Spielablauf. Und ein bisschen Unberechenbarkeit mehr kann nicht schaden (, sagten sich die Spieleautoren).
  • Wie nehmen Kredite bei der Bank oder bei der Mafia auf, um nach einer Pechsträhne wieder flüssig zu werden, ohne einen Offenbarungseid leisten zu müssen.
    Wer sich nicht rechtzeitig mit liquiden Mitteln eingedeckt hat, solche aber für Zwangswetten oder Geldstrafen benötigt, scheidet aus. Das Ende des Spiels kann er dann von den Parkplätzen aus weiterverfolgen.

Es gibt tausende (nicht ganz) verschiedene Karten unterschiedlicher Bedeutungen, aus denen wir uns jeweils aus einer vorgegenen, blind zu ziehenden Anzahl die Gewünschtesten heraussuchen dürfen. Leider sind die erklärenden Piktogramme ziemlich uneinsichtig, so dass wir ständig in der Spielregel nachschauen mussten, welche Wirkung sie besitzen. Damit ging eine Menge Zeit verloren. Sicherlich nicht die Hälfte der benötigten Spielzeit von zwei-ein-halb Stunden, aber doch ein erheblicher Teil davon.
Über fünf Rennen geht ein Spiel. Nach zwei Rennen war Moritz sein gesamtes Geld losgeworden und lag aussichtslos am Ende; ihm drohte ein Zuschauerdasein als Insolvent. Da wandte er sich an die Mafia. Großzügig finanzierte sie seine durchaus konservativen Ambitionen: Er investierte die Massen seines Geldes grundsätzlich in den Mainstream, und er deckte sich mit jeder Menge Aufgaben ein, die ihm bei Spielende Siegpunkte bringen sollten. Seine „Strategie“ war erfolgreich. Er konnte alle seine Aufgaben (z.B. die meisten Aufgaben (!), die wenigsten Siegpunkte (!), das meiste Geld …) alle erfüllen. Mit dem letzten Spurtwürfel im letzten Rennen konnte sein Pferd „Blue Blood“ auch noch den führenden „Fragor Rojo“ auf der Zielllinie abfangen und drei rote Siegwetten seiner Mitspieler zunichte machten. Das reichte zu seinem Sieg.
Aber es zeigte auch, was an strategischer Herausforderung in „Horse Fever“ eingebaut ist: Ein einziger Würfelwurf für „Blue Blood“. Dank unseres Gastes waren wir in einer sehr lockeren, spieligen Stimmung. Kein Vorschlag zu vorzeitigem Spielabbruch, keine vorzeitige Meckerei, kein gelangweiltes Sich-Zurücklehnen. Frank konnte nach eifrigem Studieren des Regelheftes immerhin konstatieren: „Es gab Testspieler!“. Vielleicht sollten wir immer mit einem Champagner anfangen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel dauert zu lang, das ganze Drumherum ist eher nervig, ich spiele lieber „Favoriten“), Frank: 8 (das Thema – u.a. langes Vorgeplänkel um Manipulationen und Wetteinsätze vor dem Rennen, anschließend kurzer Rennverlauf – ist gut umgesetzt, hübsche und originelle Grafik), Günther: 5 (die Hälfte der Karten hätte man weglassen können, zu viel Brimborium für ein simples Pferderennen), Moritz: 7 (das Rennen ist spannend, ich habe mich nicht gelangweilt), Walter: 6 (wohlwollend; Chaos durch die undurchschaubaren Regelelemente, Chaos durch die verdeckten Mitspieleraktionen)
Aaron lies irgendwann mal die Bemerkung los „all looks no brain“, doch ich weiß nicht mehr genau, worauf er das beziehen wollte.
Liebe italienische Spieleautoren, lieber Verlag Cranio Creations: Der „Mond“ ist im Deutschen männlich und „nero“ schreibt man mit „sch“!

2. “Poison”
Eines der frühen Knizia-Spiele, aus der Zeit, als der Autor noch mit Lust, Liebe und Leidenschaft jedes seiner vielen Kinder zeugte. Mit Erfolg. Im August 2009 wurde “Poison” unser „Spiel des Monats“. In drei Session-Reports haben wir das hübsche, schnelle, pfiffige Kartenspiel bei uns bereits beschrieben. Der erste davon war am 13.08.2009
WPG-Wertung: Frank siedelte sich mit seinen 7 Punkte genau innerhalb der Vier-Fünftel-Mehrheit der Westpark-Gamers an.

3. “Flaschenteufel”
Eines der wenigen Spiele, die häufiger, um nicht zu sagen regelmäßig, bei uns gespielt werden. Oft als Absacker, wenn die geistigen Batterien noch mehr Leistung bringen als für ein „Bluff“ benötigt werden.
Aaron freute sich, einen Neuling dabei zu haben und noch dazu in der Sitzreihenfolge genau vor ihm. Im gnadenlosen Kampf um die Hauptaufgabe, seine niedrigsten Karten loszuwerden, ohne damit auf dem Teufelsstich sitzen zu bleiben, ist es von großem Vorteil, wenn ein Vorgänger aus Unerfahrenheit seine Kartenhand etwas weniger gnadenlos abspielt.
WPG-Wertung: Frank lobte die vorzügliche spielerische Umsetzung von Stevensons Märchen-Motiv und vergab hervorragende 9 Punkte. Nicht als einziger in unsere Gruppe, sondern als Dritter von vierzehn.

06.06.2012: Karten, Karten, Karten und ein paar Würfel

Seit Moritz an der Musikhochschule Lektionen gibt, ist er Beamter und genießt damit auch den Segen einer Privatversicherung. Seine Frau Andrea ist als freischaffende Künstlerin weiterhin nur gesetzlich versichert. Anfang Mai haben beide ein Kind bekommen. Welche Versicherung zahlt wohl die Entbindungskosten?
Claro, versicherungstechnisch ist Schwangerschaft eine Krankheit, die die Mutter befallen hat. Die Versicherung der Mutter trägt die vollen Kosten. Doch jetzt flatterte dem guten Moritz eine Klinik-Rechnung über 2000 Euro ins Haus. Für eine ominöse „Analyse“ des Kindes. Er war bei der Untersuchung selber dabei gewesen. Eine Minute lang hat man mit einem Scanner an dem Frischling herumgefummelt und anschießend konstatiert, dass alles in Ordnung sei. Ohne Auftrag, ohne Vorwarnung über die Kosten, Exklusiv-Behandlung für Privatversicherte, eine klinische Selbstbedienung.
Im Bereich von Äsculap und Hippokrates herrschen auch bei uns weithin griechische Verhältnisse.

1. “Der Ausreisser”
Schon vor Jahrzehnten mit bester Laune gespielt. Selbst Erwin, eigentlich ein Nichtspieler, aber ein begeisterter Radfahrer und Fan von Fausto Coppi und dem Giro d’Italia, war – im letzten Jahrtausend – auf einer zufälligen Spielrunde am Westpark so sehr davon entflammt, dass er sich sogleich ein Exemplar dieses Spiels zulegte.
Jeder Spieler hat sechs Karten auf der Hand, zieht zuerst vom verdeckten Stapel eine Karte nach und spielt dann eine seiner sieben Karten aus. Die Karten zeigen Geschwindigkeiten zwischen 39 und 50 km/Std an. Die Geschwindigkeitskarte des Spitzenreiter ist das vorgegebene Tempo. Alle weiteren Spieler müssen Karten mit einem entsprechend hohen Tempo zugeben. Man darf höchstensfalls 2 km/Std langsamer sein, diese Differenz wird vom „Windschatten“ aufgefangen. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer höheren Geschwindigkeit aus, so wird er sofort neuer Spitzenreiter und gibt das neue Tempo vor. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer deutlich niedrigeren Geschwindigkeit, so fällt er ab. Er kriegt erstens Minuspunkte und kann im folgenden auch keinen Windschatten mehr ausnützen. Er muß mit hohen Geschwindigkeiten erst wieder ganz aufgerückt sein. „Die Letzten beißen die Hunde“ hieß es schon im alten Rom.

Horst schlug das Spiel zum Warming-up vor und alle stimmten erfreut zu. Schließlich liegt das Spiel mit 6,2 Punkten schon im oberen Bereich unserer Vorlieben. Doch heute zeigte es sich von seiner schlechtesten Seite: Horst als Startspieler versuchte noch, mit einer 39er Karte etwas Kartenpflege zu betreiben, da schockierte Aaron den Rest der Runde mit einer 50er Karte plus einer Spurtkarte. Bei diesem Tempo konnte keiner der Mitspieler mithalten, alle fielen sogleich aus dem Windschatten heraus. Die Hoffnung auf gutes Nachziehen trog. Nur Aaron zog eine hohe Karte nach der anderen vom Stapel und legte sie unverzüglich als neue Tempovorgabe auf den Tisch. Die Mitspieler konnten ihm nicht das Wasser reichen, hilflos erhöhte sich Runde für Runde ihr Konto mit den Minuspunkten auf erschröckliche Höhen. Es gab keine einzige taktische Kartenpflege, keinen einzigen Wechsel des Spitzenreiters, kein Einschießen auf den Endspurt und kein einziges überraschendes, spielerisches, lustiges Element.

Das mag zwar Zufall gewesen sein. So etwas ist in unserer bisherigen Praxis auch noch nicht vorgekommen. Doch ist die Wahrscheinlichkeit für diese extreme Unwucht deutlich größer Null, und sie ist a priori im Spieldesign enthalten. Aaron beteuerte zwar den angeblich lustigen Charakter dieses Spiels und Horst verteidigte seinen Spielvorschlag, doch bei Moritz und Walter kamen sie damit nicht durch. Walter verweigerte sich für einen zweiten Durchgang und Moritz murmelte entrüstet: „… und dann ’Nightfall’ nicht mögen! Das hier ist der größte Scheiß!“

Bei so viel scharfer Kritik pochte Günther auf eine Vergleichbarkeit mit dem halb-göttlichen Skatspiel. Auch hier kann man sich gegen unglückliche Verteilungen und einen Grand-mit-Vieren des Gegners nicht wehren. Doch der Vergleich hinkt. Gewaltig. Näheres dazu brauche ich wohl nicht aufzuführen.

WPG-Wertung: Horst blieb mit seinen 7 Punkten im oberen WPG-Durchschnitt, Moritz reduzierte seine bisherigen 6 Punkte auf 3 („Kann ich vielleicht noch mal mit meinen Kindern spielen“) und Walter reduzierte von 7 auf 4 Punkte.

Sind wir um soviel älter geworden oder klüger?
Wenn ich mich recht erinnere, haben wir früher Modifierkarten zum Reduzieren der Höchstgeschwindigkeit asynchon gegen den Spitzenreiter spielen können. Wer dann zu früh mit seinen guten Karten das Tempo verschärfen wollte, wurde schnell wieder mit vereinigten Kräften zurück ins Rudel gebracht. Erst im Endspurt hatten man eine reale Chance, seine Kartenüberlegenheit bis ins Ziel hinüberretten zu können. Und das ganze Spiel war ein Vorbereiten und Lauern auf diese Gelegenheit. Haben wir früher etwas falsch gemacht oder haben sich die Spielregeln geändert? Im 2-seitigen Regelheft steht darüber nichts (mehr) drin!

2. “Draco”
„Ein abenteuerlicher Wettlauf von Leo Colovini“ heißt es im Regelheft. Italienische Spieleautoren haben bei uns einen zweideutigen Ruf. Einerseits sind sie ideenreich, andererseits neigen sie zum Chaos. In „Draco“ sind viele hübsche kleine Ideen zu einem hübschen großen Chaos zusammengeschnürt.

Jeder Spieler hat eine Kartenhand mit Karten in zehn verschiedenen Farben und Zahlen zwischen 2 und 7. Jede Farbe ist einem gleichfarbigen Drachen zugeordnet. Die Zahl gibt an, um wieviele Felder sich der Drachen auf dem Spielplan bewegt, wenn die entsprechende Karte gespielt wird. Spielt man z.B. eine rote Drei, so zieht der rote Dachen um drei Felder nach vorn.

Jeder Spieler reitet auf genau einem Drachen, doch er wechselt sein Reittier genauso oft wie manche Schauspielerin die Ehemänner. Jedesmal wenn man die Farbekarte eines Drachens spielt, der gerade von niemandem geritten wird, kommt man dort in den Sattel. Der Besitz eines Drachens ist aber ganz unabhängig von den Bewegungskarten, die man spielen darf und von der Bewegung, die sie bewirken.

Das Spielbrett besteht aus einem Zahlenpfad mit wechselnden Zahlen zwischen 0 und 7. Einige Felder sind „Wertungsfelder“: Wenn die Bewegung eines Drachen auf einem solchen Feld endet, bekommen alle Spieler soviele Siegpunkte wie die Zahl, auf der ihr aktueller Drachen gerade steht. Dabei gibt es zwei Wertungsarten: Bei der „großen“ Wertung, werden Siegpunkte für alle Felder ausgeschüttet, bei der „kleinen“ Wertung gibt es nur Punkte für die Felder mit Zahlen zwischen 1 bis 3.

Beim Spielen seiner Karten muß es das Ziel eines jeden Spieler sein:

  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit hohen Zahlen zu stehen, wenn die große Wertung ausgelöst wird.
  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit der 3 zu stehen, wenn die kleine Wertung ausgelöst wird.
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit niedrigen Zahlen zu bringen, bevor die große Wertung ausgelöst wird
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit mindestens dem Wert 4 zu bringen, bevor die kleine Wertung ausgelöst wird.

Verstanden?

Dahinter steckt natürlich kein langfristig durchsetzbarer Plan. Da jeder Spieler jeden Drachen bewegen und etwa mit jedem zweiten Zug eine Wertung auslösen kann, ist die antagonistischen Zahlen-Theorie Hoch-Niedrig nicht zu beherrschen. Gutes Spiel besteht ausschließlich darin, jeweils den nächsten Zug zu optimieren und diejenige Karte zu spielen, mit der wir im Falle einer Wertung mehr Spiegpunkte bekommen, als der Durchschnitt aller Mitspielern. Nach diesem simplen Kriterium, müssen wir die sechs Karten in unserer Hand abchecken. Können wir eine Wertung auslösen, liegen mit den zu vergebenden Punkten dabei aber unter dem Durchschnitt, dann sollten wir die Karte besser nicht spielen. Dann lieber den gut plazierten Drachen eines Mitspielers auf ein schlechteres Feld vorziehen. Was immer man darunter verstehen kann.

Fazit: Es gibt etwas zu überlegen. Jede Karte ist gut, im schlechtesten Fall bringt sie nichts ein. (Im Gegensatz zu „Der Ausreisser“, wo u.U. jede gespielte Karte massig Minuspunkt einbringt!). Und man kann auch schon überlegen, wenn man nicht dran ist. Die Szenerie ändert sich nicht so krass, als dass die Favoritenkarte, die man als nächstes spielen möchte, ständig wechseln würde.

Locker spielen. Sich freuen am Wettreiten der Drachen. Sich freuen, wenn uns in einer Wertung reichlich Siegpunkte aufs Haupt regnen. Sie besonders freuen, wenn man eine solche Wertung selber auslösen konnte. (Oder sollte man sich etwa mehr freuen, wenn ein Mitspieler diesen Goldregen auslöst? Philosophische Frage!) Schnell genug sind drei Drachen im Ziel und das Spiel ist vorbei.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (keine Spannung, kein Spielspaß), Günther: 4 (weniger Spaß als „Der Ausreißer“), Horst: 6 (würde ich jederzeit wieder spielen), Moritz: 6 (ähnlich wie ein Pferderennen mit Wetten, mehr Spaß als „Der Ausreißer“), Walter: 6 (locker; ist zwar nicht planbar, habe ich hier aber nicht vermißt)

Bekanntermaßen sind die Spielvorlieben in unserem Kreise nicht einheitlich. Günther schlug vor, den „Horst des Monats“ für das Spiel zu vergeben, das von keinem anderen Westpark-Gamer gemocht wird außer von Horst.

3. “Cardcarssonne”
Das einzige gemeinsame zwischen dem großen Brettspiel „Carcassonne“ und der hier angebotenen Kartenspiel „Cardcarsonne“ sind Autor, Verlag und vielleicht auch noch die Designer für Burgenfräuleins und Spielpöppel. Alles andere ist verschieden.

Wir haben Karten in den Farben rot, grün, gelb und blau in der Hand und legen sie einzeln reihum auf die farblich passenden Stapel. Einmal pro Runde legen wir keine Karten sondern einen Besitzpöppel, mit dem wir den Anspruch auf einen der gerade ausliegenden Kartenstapel geltend machen.

Auf den Karten sind Personen, Tiere und Gebäude aufgedruckt. Für Personenkarten erhalten wir einmalig Siegpunkte, deren Betrag mit der Anzahl der Personen stark progressiv wächst. Für Tierkarten erhalten wir kumulativ Siegpunkte, d.h. alle ausliegenden Tiere werden in jeder Runde, in der wir Tierkarte hinzufügen, erneut gewertet. Die Gebäudekarten werden erst bei Spielende in Siegpunkte umgesetzt. Superprämien gibt es für Sets von Gebäuden in allen vier Farben.

Die Herausforderung von „Cardcarssonne“ besteht im gezielten „Anfüttern“ der Farbstapel: vorsichtig und dosiert den Stapel mit den Karten anreichen, die wir selber haben wollen, aber zur Ablenkung der Mitspieler-Begierlichkeiten auch den nicht-gewünschten Farbstapeln etwas zukommen lassen. Und rechtzeitig einen Stapel in Besitz nehmen, bevor ein Mitspieler sein Auge darauf geworfen hat. Diese Dosierungsbilanz erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl und geht nicht ohne Fehlspekulation ab.

Moritz verriet seine Gewinnstrategie: Tierkarten bringen den Sieg. Mit dem Sammeln frühzeitig anfangen und in jeder Runde beim verdeckten Kartenlegen gleich eine begehrte Tierart verstecken. Klingt plausibel.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (hat die Hoffnung, dass es mit vier Mitspielern ein 8-Punkte Spiel sein könnte), Günther: 5 (einen Punkt Abzug für die Fünferrunde; einen Punkt Abzug für den Mißbrauch des geheiligten Namens „Carcassonne“), Horst: 7 (Spielspaß), Moritz: 6 (weniger Chaos als bei „Draco“; spielt es schon sehr eifrig mit seinem 5 jährigen Milo), Walter: 5 (Mitspielerchaos, der Mensch denkt, aber Gott lenkt.)

Moritz möchte das seltene Ereignis zu Protokoll geben, dass Günther in einem Spiel Letzter wurde.

4. “Havoc”
Ein simples Pokerspiel, für das selbst wir alte Hasen, die das Spiel schon vor Jahren mehrfach gespielt haben, noch 30 Minuten Regelerklärung benötigten. Unterschied zum stinknormalen Poker: Statt Kreuz, Pik, Herz und Karo gibt es rot, grün, gelb und blau. Und noch zwei Farben. Jeder Spieler spielt nicht nur mit 5 Karten, sondern hat eine ständig wachsende Kartenhand; die bald mehr Karten umfaßt, als ein Normalsterblicher halten kann. Jeder Spieler kann bei jedem umkämpften Einsatz mitbieten und muß dann die gespielten Karten abgeben; oder er steigt sofort aus und behält alle Karten für den nächsten Pokerkampf. Man kann die Einsatzsummen nicht in astronomische Höhen treiben, sondern muß sich mit den vorgedruckten 6-11 Siegpunkten begnügen.

In jedem Fall ist es taktischer als das echte Poker. Manche von uns halten dies dann auch schon für besser.

Moritz konnte sich mehr oder weniger sichtbar 6 Vierer aneignen und ging damit in einen Alles-oder-Nichts-Kampf um 8 Siegpunkte. Alle hatten mitansehen können, wie Moritz seine Vierer ansammeln konnte und verzichteten auf eine Teilnahme am Kampf. Nur Horst wollte Moritz den Sieg nicht schenken und zog mit. Als er so peut-a-peut rote Karten mit den Zahlen 8, 9, 10, 11 und 12 auslegte, ging Moritz schon langsam der Arsch auf Grundeis. Ein Straight-Flush aus 6 Karten hätte seinen Sechsständer getoppt. Doch dann waren es auf Horsts Seite nur 5! Wie wäre dieser Gigantenkampf wohl bei Texas-Holdem ausgegangen?

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom November 2005.

5. “Bluff”
Günther bekannte freimütig die Überlegenheit von Walters Immer-4-Strategie. Mit der Einschränkung: „Wenn Horst eine Vier würfelt!“

Dann stand er mit 3 Würfeln gegen ebenfalls 3 Würfel von Moritz im Endspiel. Er fing mit 2 mal die Fünf an und Moritz hob auf 3 mal die Fünf. Wer hat geblufft und wieviele Fünfer lagen unter den Bechern, wenn mit dieser Ansage das Endspiel entschieden war?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

6. “Poison”
Moritz war schon auf dem Heimweg, doch es war noch vor Mitternacht und oaner geht oiwei. Mit einem lockeren, leichten, taktischen, spielerischen Stichkartenspiel mit der alternativen Aufgabenstellung, entweder die meisten Karten in einer Farbe zu gewinnen oder gar keine einzige, ging der Abend zu Ende.

Einmütige Übereinstimmung: Das beste Kartenspiel des heutigen Abends.

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom August 2009.

23.05.2012: Spiele des Jahres, des Monats und nationale Vorlieben

Die Nominierungsliste zum „Spiel des Jahres 2012“ ist erschienen und wir haben nur eines davon (Kingdom Builder) mit mäßigem Erfolg ausprobiert. Kein Wunder, unser Metier ist ja wohl eher das „Kennerspiel des Jahres“. Hier sind wir immerhin bei 2 von 3 Spielen am Ball gewesen.
Aaron forderte schon im Vorfeld auf, für heute alles mitzubringen, was ein jeder vom Rest der SdJ-Kandidaten bereits im Regal hat. Insbesondere hatte er dabei an den 2012-Favoriten „Vegas“ gedacht. Doch Günther lehnte – ungewöhnlich kritisch – entschieden ab „Das ist nichts für uns!“ Er hat zwar prinzipiell nichts gegen Würfelspiele, wenn aber die Dynamik während des Spiels ständig nur sinkt und die Entscheidungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden, scheint ein Konstruktionsprinzip verkehrt herum angewandt worden zu sein. Die Jury wird’s schon wissen.

1. “Poison”
Der Schock vom Chelsea-Spiel saß noch tief in den Knochen und Horst wünschte sich ein Warming-Up. Da kam „Poison“ gerade recht, schon vor drei Jahren von uns zum „Spiel des Monats“ gewählt.
In einem hübschen flotten Kartenspiel spielen wir unsere Kartenhand ab, indem wir jeweils eine Karte (drei Farben + eine Jokerfarbe) an ausliegende Farbstapel anlegen. Wenn durch die von uns zugegebene Karte der Wert eines Stapels die 13 übersteigt, müssen wir diesen Stapel nach der Art von „6-nimmt“ an uns nehmen. Am Ende zählt jede „gewonnene“ Farbkarte einen Minuspunkt, die Jokerkarten sogar zwei Minuspunkte. Nur bei der Kartenfarbe, von der wir mehr Karten als alle Mitspieler haben, kommen wir ungestraft davon.
Kartenpflege wird ganz groß geschrieben. Dabei sind verschiedene Alternativen möglich:

  • Karten mit hohen Werten zuerst loswerden! (Oder lieber die niedrigen Werte zuerst?)
  • Möglichst viele Optionen offen halten, d.h. alle Kartenfarben gleichmäßig loswerden und von jeder Farbe möglichst viele verschiedene Werte behalten! (Oder vielleicht doch lieber möglichst schnell eine Farbe frei-spielen?).

Moritz verriet uns hinterher seine Siegesstrategie:

  • Jokerkarten so lange wie möglich behalten.
  • Die Karten von einer Farbe möglichst umgehend loswerden.
  • Danach die Joker grundsätzlich zu der Farbe legen, von der man nichts mehr auf der Hand hat!

Diesmal war das erfolgreich. Ein mathematischer Beweis für die Stichhaltigkeit dieser Theorie wird wohl nicht erbracht werden. Und der nächste Praxistest steht erst nach dem nächsten verlorenen Endspiel in der Champions League an.
WPG-Wertung: Die drei mal 7,33 Punkte von Günther, Moritz und Walter wurden bestätigt: Aaron: 7 (schnell erklärt, locker gespielt, unterhaltsam), Horst: 7 (sehr unterhaltsam).

2. “Aquileia”
„Aquileia“ ist nach Wikipedia heutzutage eine Stadt in der italienischen Provinz Udine mit 3493 Einwohnern. Vor 2000 Jahre war es eine große Stadt im römischen Reich. In ihr blühten Handel und Kunsthandwerk, der Hafen brachte Reichtum, eine monumentale Arena für Gladiatorenkämpfe entstand, und im Stadion fanden spannende Wagenrennen zu Pferde statt. In diese Szenerie hat der Spielautor Cielo d’Oro 22 Arbeitsplätze verteilt, die wir uns in Konkurrenz mit unseren Mitspielern unter den Nagel reißen müssen:

  • Auf dem Markt decken wir uns mit Waffen, Pferden und Sklaven ein.
  • In der Arena kämpfen wir mit Waffenstärke und Sklaven-Unterstützung gegen die entsprechende Ausrüstung unserer Mitspieler. Es geht allerdings nicht um Alles-oder-Nichts, sondern nur um Viel-oder-ein-bißchen-Weniger.
  • Im Stadion treten wir gegen die Pferde der Konkurrenz an. Auch hier werden alle Teilnehmer allein für ihre Teilnahme mehr oder weniger reichlich bedacht.
  • Auf dem Forum holen wir uns die Baugenehmigung für Villen, Handswerksbetriebe und Warenhäuser.
  • Via Hafen erzielen wir Sofort-Siegpunkt-Zinsen für unser aktuelles Besitztum.
  • Im Theater er- oder ver-steigern wir Multiplikator-Karten, mit denen unser Besitztum am Ende effizient in Siegpunkte umgesetzt wird.
  • Daneben gibt es einen legalen Betrüger, der auf krummen Würfel-Wegen sein Bargeld vermehrt, es gibt einen Geldwechsler, der Euros in Dollar oder chinesische Renminbi wechselt. Und es gibt einen Taschendieb, der im Hafen sein Unwesen treibt.

Alles ist sehr schön komponiert und erlaubt bzw. erfordert die Beachtung vieler Abhängigkeiten im Aquileiischen Stadt-Leben. Damit in das gewaltige Plan- und Optimierungswerk aber noch eine spielerische Linie hineinkommt, sind an allen Ecken und Enden Zufallseffekte eingefügt. Die Erträge im Waffen und Sklavenhandel schwanken um bis zu 300 Prozent. Ohne dass man das vorhersehen kann. Zur Wettkampfstärke der Spieler in Arena und Stadion kommt grundsätzlich noch ein Zusatzanteil von potentiell einigen 100 Prozent, der per Würfelwurf ausgewürfelt wird. Auch der Erfolg von Betrüger und Dieb wird über Würfel entschieden.
Horst fragte sich (verzweifelt?): „Was hat sich der Autor bei allen diesen Zufallselementen eigentlich gedacht?“ Aaron wußte die Antwort: „Er ist halt ein Italiener!“ Und Walter schob nach: „Wes Geistes Kind er ist, kann man schon an der simplen Reihenfolge der Aktionen in der Arena erkennen: Jeder Deutsche hätte zuerst würfeln lassen und dann das Defizit durch nachgeschobene Waffen- und Sklavenkarten ausgegleichen lassen. D’Oro zwingt die Spieler dazu, zuerst ihren Waffen- und Sklavenbesitz auf Nimmerwiedersehen zu investieren, und dann per Würfelwurf nachzuschauen, ob es zum Sieg gereicht hat. Manche mögen’s heiß. Doch die anderen verbrennen sich beim oralen Genuss die Zunge.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (zäh, zu lange Spieldauer für den hohen Glücksanteil), Günther: 5 (vom Herzen her 1 Punkt mehr als vom Verstand: Die Mechanismen sind gut.), Horst: 7 (es macht Spaß, es gibt super Verzahnungen, das Setzen ist anstrengender als bei „Village“), Moritz: 4 (ohne Kämpfe und Rennen kann man nicht gewinnen, und gerade hier ist das Glückselement besonders groß), Walter: 4 (ohne die dominierenden Zufallseffekte hätte das Spiel das Potential zu 7 Punkten.).
Ein neuer Justizfall in unserer Geschichte: Im Laufe des Spiels erkannten wir eine falsche Regelhandhabung: Auf den drei Arbeitsplätzen im Hafen darf sich jeder Spieler nur höchstens einmal betätigen. Horst hatte es richtig erklärt, doch dieses Detail war untergegangen. Als Horst diese Regel später noch einmal klarstellte und wir uns danach richten sollten, legte Moritz Widerspruch ein: „Ich habe meine ganze Potenz auf die Villen-Hafen-Schiene gesetzt. Wenn wir jetzt diese Regel richtig spielen, breche ich das Spiel sofort ab!“ Aaron protestierte sanft, Walter heftig; ihm hätte es auch nichts ausgemacht, das Spiel an dieser Stelle zu beenden.
Hallo, liebe Vielspieler, wie würdet ihr diese Situation lösen?
Heute gab es in unserem Konflikt glücklicherweise noch eine Trivial-Lösung, ohne dadurch einen Präzedenzfall zu schaffen. Wir spielten ohne klare Entscheidung weiter. Nachdem die Bedeutung der Hafenerträge erkannt war, engagierte sich jeder Spiel umgehend auf diesem Gebiet, so dass ohnehin nur drei der fünf Spieler sich einen (einzigen) Platz reservieren konnten.

3. “Bluff”
Auch hier ereignete sich in der Jahrzehnte langen Geschichte des Westpark-Bluffens ein Novum: Im 2:2:1-Endspiel legte Günther 2 mal die Fünf vor. Sicherlich war eine von Günthers beiden Würfeln eine Fünf. Aber mit welcher Wahrscheinlichkeit waren unter den restlichen drei Würfeln auch noch mindestens eine Fünf? Seine eigene Nicht-Fünf konnte Moritz ja ablesen, aber wie stand es mit Aaron’s zwei Würfeln? Fragende Blicke und ein leichtes Kopfschütteln gaben den Ausschlag. Moritz zweifelte an und Günther war einen Würfel los.
Auf ausdrückliche Bitte des Geschädigten erhalten hiermit Aaron und Moritz einen Rüffel wegen unzulässiger Absprache. Ludens causa.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

01.09.2009: Mit “Tulipmania” aus dem Urlaub

Cannes, Malediven, Plattensee, wie reimt sich das zusammen?
In Cannes der Peter seine Loredana braucht,
auf den Malediven der Aaron in die Tiefe taucht,
am Plattensee der Walter sich sein Kreuz verstaucht –
so reimt sich das zusammen.
Die Urlaubssaison ist hoffentlich vorüber. Der Westpark ist wieder zum normalen Spiele-Alltag zurückgekehrt.
1. “Tulipmania”
Ein einfaches, hübsches Wirtschaftsspiel. Die einzige Schwierigkeit gab es am Anfang, als jeder Spieler 5 Hundert-Gulden-Scheine ausgeteilt bekommen sollte, im Spielmaterial aber insgesamt nur 24 Hunderter vorhanden waren.
Wir handeln und spekulieren mit Tulpen. Jeder Spieler muß reihum eine Tulpe aus seinem Besitztum verkaufen, in Konkurrenz zueinander bieten die anderem darum, sie zu kaufen. Entsprechend verändert sich der Kurs der gehandelten Tulpensorte. Bei einem “normalen” Kauf steigt der Aktienwert um ein paar Prozente an, bei einem “Spekulationskauf” vervielfacht sich ihr Wert.
Fünf verschiedene Tulpensorten gibt es; ihr Kurswert geht praktisch ununterbrochen nach oben, dynamisch und dennoch friedlich, folgerichtig und dennoch chaotisch. Bis der Kurs einen Höchstwert erreicht und die Spekulation platzt. Jetzt müssen alle Spieler alle Tulpen dieser Sorte auf den Markt werfen. Die Erlöse gehen dabei schrittweise drastisch in den Keller. Wer passende Marktkarten gesammelt hat, ist bei den Spitzenpreisen dabei, wer hier zu kurz gekommen ist, muß seine Restbestände für einen Appel und ein Ei verkaufen.
Bemerkenswert noch der Bietprozeß um die angebotene Tulpe: Jeder zieht verdeckt eine Aktionskarte über Kauf oder Spekulation, über Eigenerwerb oder Verkauf an die Bank. Wer die höchste Aktionskarte gezogen hat, macht den Deal. Bei Gleichheit entscheidet eine um den Tisch wandernde Prioritäts-Karte darüber, wer den Deal macht.
Am Anfang, wenn das Geld noch knapp ist, sind die Aktionen der Spieler recht zurückhaltend; da sind Interessen und Marktverhalten der einzelnen Spieler noch sehr unterschiedlich und die Aktionskarten mit ihren abgestuften Wertigkeiten machen Sinn. Doch unweigerlich schwimmen früher oder später alle im Geld. Dann spielt jeder zwangsläufig nur noch die höchstwertige Aktionskarte. In dieser Phase entscheidet allein die Prioritäts-Karte das Spiel. Schade.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“hat Potential”), Birgit: 5 (“nicht aufregend”), Günther: 6 (störte sich an der Ungerechtigkeit der Prioritäts-Karte), Horst: 7 (“hübsch, aber nicht planbar”), Walter: 7 (“interessant”).
2. “Adel verpflichtet”
Eigentlich war “Automobile” als Hauptspeise des heutigen Abends vorgesehen. Doch der Tulpenhandel hatte – einschließlich einleitendem Palaver – über anderthalb Stunden gedauert, und Birgit und Horst dürfen nicht mit der vorletzten U-Bahn nach Hause fahren, sondern müssen schon um halb zwölf im Bettchen liegen. So begnügten wir uns mit einem bewährten Gericht aus dem letzten Jahrtausend.
In “Adel verpflichtet” wählen wir mittels verdeckter Karten, ob wir ins Auktionshaus oder ins Schloß gehen. Alle Spieler, die in das Aktionshaus gegangen sind, wählen in einer zweiten verdeckten Entscheidung, ob sie dort einen Kunstgegenstand kaufen oder als Dieb den Kaufpreis klauen. Mehrere Diebe im Auktionshaus neutralisieren sich, keiner kriegt den Barscheck. Alle Spieler, die ins Schloß gegangen sind, wählen, ob sie dort ihre bisher ersteigerten Kunstgegenstände ausstellen, oder ob sie dort als Dieb die Ausstellungen beklauen, oder ob sie als Detektiv die evtl. vorhandenen Diebe ins Gefängnis bringen.
Für erfolgreiche Ausstellungen sowie für das Dingfestmachen von Dieben gibt es Siegpunkte. Am Ende bringen die wertvollsten Sammlungen nochmals Bonuspunkte ein. Wer dann die meisten Siegpunkte hat, ist Sieger.
Birgit und Walter kooperierten erfolgreich im Auktionshaus. Einer erwarb einen Kunstgegenstand, der andere klaute den Kaufpreis. Immer abwechselnd. Bis Günther dazwischenfunkte und mit seinem eigenen Dieb das Klauen neutralisierte und die Schecks in der Bank verschwanden. Birgit und Walter machten sich nun auf in das Schloß, um auch hier in Absprache zueinander abwechselnd Ausstellungen durchzuführen und dafür Punkte zu kassieren bzw. sich zu beklauen. (Daß sie beide davon hätten profitieren können, wenn jeder eine Ausstellung organisiert, das ist ihnen im Eifer des Gefechts entgangen.) Doch auch hier störte Günther wieder das einvernehmliche Techtelmechtel und zerbrach mit seinem Detektiv die schöne Harmonie.
Inzwischen hatte sich Aaron ganz klammheimlich eine unschlagbare Kunstsammlung zusammengeklaut, sattelte zielgerichtet in eine ehrbare Galeristenlaufbahn um und wurde unangefochten Sieger.
1990 wurde dieses Spiel zum “Spiel des Jahres” gekürt. Auch heute ist es in vieler Beziehung immer noch modern. Zumindest was seine Eignung als pfiffiges Familienspiel betrifft.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“ein Spiel der 80er Jahre” – Das gilt als Einschränkung!), Birgit: 7 (“lustig, aber geistig nicht besonders anspruchsvoll” – Halt wie ein Spiel des Jahres), Günther: 7 (“gelungenes Familienspiel”), Horst: 9 (“ein glatter Neuner”), Walter: 7 (“auf Dauer vielleicht etwas kantig”).
3. “Poison”
A la “6-nimmt” legen wir jeweils eine Karte aus der Hand an ausliegende Kartenstapel auf dem Tisch an: jede Karte (rot, blau, violett) muß zum passenden gleichfarbigen Stapel gelegt werden. Überschreitet die Summe der Kartenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler alle Karten dieses Stapels an sich nehmen.
Am Ende zählen alle kassierten Karten Minuspunkte, nur die Karten einer Farbe, von denen ein Spieler mehr als seine Mitspieler hat, sind kostenfrei.
Das Spiel ist ein schneller, gelungener Absacker. Wer glaubt, darf sich bei der Zugabe seiner Karten sogar tiefschürfende Gedanken machen. Wer weniger glaubt, lebt von der Hand in den Mund und hofft, daß ihm am Ende gar nichts oder die Mehrheit einer Farbe in den Schoß fällt.
Günther hatte eine Strategie. Verraten hat er sie allerdings nicht. Immerhin wurde er Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“6 nimmt” ist besser), Birgit: 7 und Horst: 8 (“perfekter Absacker”) konnten mir ihren Noten den bisherigen WPG-Durchschnitt nur um einen Zehntel Punkt nach unten drücken.
4. “Bluff”
Günther war in Zweifellaune. Aaron hatte das schnell durchschaut und Günther bekam Gegenwind. Bei insgesamt 12 Wertungswürfeln zweifelte er 9 mal die Fünf an. Zu früh. Jetzt wollte er mit dem Kopf durch die Wand und hob Aarons 4 mal Vier auf Fünf mal Zwei. Das war sein letztes Gebot des Abends.
Im Endkampf Walter gegen Aaron lies sich mit einer 5:1-Ausrüstung leicht Katz und Maus spielen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

12.08.2009: Zweimal Gift am Westpark

“Es ist ein schöner Zug der neueren Zeit, daß man in den größeren Zirkeln eingesehen hat, daß das Spiel eigentlich nur eine Schulkrankheit oder ein modischer Deckmantel für Geistesarmut ist. Man hat daher Whist, Tarock, Pharao und dergleichen den älteren Herren und einigen Damen überlassen, die nun einmal die Konversation nicht machen können.
In Frankreich freilich spielen in Gesellschaften Herren von zwanzig bis dreißig Jahren, es sind aber nur die armseligen Wichte, die sich nach einem englischen Dandy gebildet haben, oder die selbst fühlen, daß ihnen der Witz abgeht, den sie im Gespräch notwendig haben müßten.”
Das schrieb der sterbliche Dichter des unsterblichen “Kleinen Muck”. Von Märchen hat er mehr verstanden!
(Gralsfrage: Wurde damals etwa schon “Monopoly Deal” gespielt?)
1. “Veleno”
Das Spielbrett sieht aus wie das Innere eines Halmaspieles (oder wie ein “Abalone” bzw. ein “Einfach Genial”). Auf jedem Schnittpunkt der Linien liegt eine Glaslinse in den Farben weiß, rot, grün, gelb oder blau. Eine davon ist der “Beweger”. Jeder Spieler darf in seinem Zug diesen Beweger auf ein benachbartes Feld schieben und die dort liegende Glaslinse an sich nehmen. Wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bewegers keine Linse mehr liegt, ist das Spiel zu Ende.
Die Wertung ist einfach, aber doch bemerkenswert: Für jede weiße Kugel bekommt man 10 Siegpunkte, für jede andere Farbe bekommt man das Quadrat der Linsen-Anzahl, die man hiervon gesammelt hat. Doch das total Neue innerhalb der Abrechnung ist: Für jeden Spieler zählen die eigenen Siegpunkte plus die Siegpunkte des rechten Nachbarn. Es geht also nicht nur darum, selber die lukrativsten Glaslinsen zu ernten, man muß auch seinem nächsten Mitspieler möglichst viel gönnen und allen anderen nicht. Der nächste Mitspieler wiederum nimmt nicht einfach, was ihm zugeschustert wird, sondern er versucht seinerseits die eigene Ausbeute plus die des rechten Nachbarn zu maximieren.
Drei Spieldurchgänge zu je drei Minuten Spielzeit spielten wir mit wachsenden taktischen Überlegungen: immer mehr Altruismus für die Rechten und immer mehr Miesnickeligkeit für die Linken. Wenn Hans dabeigewesen wäre, hätte er sicherlich das Matt in 10 Zügen berechnen wollen. (Und vielleicht können.)
WPG-Wertung: Günther: 6 (“einfache Regeln, originelle Partnerschaft”), Moritz: 5 (“Das Spiel ist zu kurz. Es sollte auch bin bißchen komplexer sein.”), Walter: 5 (“Die Kürze ist ein Vorteil, das Deterministische ein Nachteil”)
2. “Cosmic Encounter”
Neueste Version: Veränderte Zielvorgaben, neue Kampfkarten, ganz neue Technologie-Karten. Moritz konnte zudem noch mit unserer aktuellen Spieleranzahl locken: “Zu dritt ist das chaotische Element deutlich reduziert.” Bei den Monopoly-Deal-gestählten Chaoten regte sich keinerlei Widerspruch.
Jeder Spieler siedelt mit seinen 20 Pöppeln auf einer eigenen Galaxie und hat gewonnen, wenn er auf fremden Galaxien insgesamt fünf Pöppel-Basen errichtet hat. Diese Fremd-Basen bekommt man durch Kampf, den man pro Zug ganz willkürlich vom Zaune bricht und dabei Mitspieler einlädt, sich an der Aggression zu beteiligen. Der Angegriffene kann ebenfalls Mitspieler zur Verteidigung einladen. Sind die Truppenstärken auf beiden Seiten festgelegt, wird der Ausgang des Kampfes ermittelt. Entscheidend für Sieg oder Niederlage sind die Kampfkarten, die das Schicksal ganz zufällig unter den Spielern ausgeteilt hat. Wer Glück hat, bekommt die Kämpfstärke 40, wer Pech hat, nur eine Kampfstärke von 0 (in Worten: Null!). Durch weitere zufällige Zusatzkarten kann man anschließend den eigenen Kampfeinsatz leicht erhöhen, durch besondere, ebenfalls zufällige Technik-Karten die Kampfstärke des Gegners gravierend dezimieren.
Moritz als alter Haudegen, der schon tausende von “Cosmic Encounter”-Partien absolviert hat, wußte natürlich, “Man muß darauf achten, welche Karten die anderen haben.” Das ist aber keine Gedächtnisleistung, das ist ein intuitiver Geniestreich, den nur erfahrene Cosmictiker im Repertoire haben.
Für den Spielausgang sind weiterhin die individuellen Charaktere bestimmend, die jedem Spieler zufällig zugeteilt werden und Vorteile verschiedenster Art mit sich bringen. Walter war z.B. Nekromant und konnte als solcher jeden verstorbenen Pöppel zur eigenen Truppenstärke hinzuzählen. Nachdem sich Walhall schon sehr früh mit ganzen Heerscharen erschlagener Krieger angefüllt hatte, war er im Kampf praktisch nicht mehr zu schlagen. Frohgemut machte er sich auf ins letzte Gefecht, da hatte Günther eine Technik-Karten gezogen, die Walters Nekromantie neutralisierte und nix wars. Moritz zog unmittelbar darauf auch noch die Wiederauferstehungskarte, die alle Toten wieder zum Leben erweckte und damit war – in Verbindung mit lauter Luschen als Kampfkarten in Walters Hand – der Spielausgang nochmals offen.
Moritz bekam jetzt Oberwasser. Nach einem deprimierenden Start, bei dem er nahezu keinen einzigen Kampf gewinnen konnte, und den nur er dank seiner tausendfachen Erfahrung überhaupt mental verkraften konnte, errichtete er jetzt erfolgreich Basis für Basis und lud zum Schluß sogar Günther in einem ungewohnten Kampfgenossen-Schulterschluß dazu ein, gemeinsam die fünfte und letzte Basis zu errichten. Vielleicht hatte er auch Walters Luschen nicht hundertprozentig auszählen können.
In jedem Fall war es ein “entspanntes, interaktives Dreierspiel”! Kein Kampf um Leben und Tod, sondern lustiges Ringen mit dem Zufall. Im Gegensatz zu “Monopoly-Deal” bewirken die mächtigsten Zufallskarten in “Cosmic Encounter” ja auch nicht, daß einer sofort gewinnt, sondern daß ein anderer Spieler sofort nicht gewinnt. Und das ist qualitativ doch etwas ganz anderes!
WPG-Wertung: Günther: 6 (nicht mein Freakspiel), Moritz: 10 (ein Muß), Walter: 6 (gelungenes Chaos)
3. “Poison”
Das Spiel besteht aus 50 Karten in 3 Farben mit Zahlenwerten zwischen 1 und 7, und einer weiteren Jokerfarbe mit lauter Vierern. Die Karten werden unter die Spieler verteilt und anschließend spielt jeder reihum jeweils eine Karte aus.
Liegen bereits Karten der ausgespielten Farbe auf dem Tisch, so muß die Karte hier angelegt werden, liegt noch keine Karte davon aus, wird damit ein neuer Stapel angefangen. Eine Karte von der Jokerfarbe darf an jeden der ausliegenden Farbstapel angelegt werden.
Überschreitet die Summe der ausgelegten Zahlenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler diesen Stapel einstreichen. (Leichte Ähnlichkeit mit “6-nimmt”.) Am Ende zählt hier jede Karte einen Minuspunkt, jede Jokerkarte sogar zwei Minuspunkte. Ausnahme: Wer von einer Kartenfarbe mehr Karten als die Mitspieler einstecken mußte, bekommt dafür überhaupt keine Minuspunkte.
Das Bestreben eines jeden Spielers muß es demnach sein:
a) Möglichst gar keine Karten zu bekommen.
b) Wenn sich Ziel a) nicht erfüllen läßt, dann die meisten Karten einer Farbe zu bekommen (und darunter möglichst keine Jokerkarten zu haben).
Zunächst wirkt der Spielmechanismus ziemlich einfach und im wesentlichen von der ausgeteilten Kartenhand bestimmt. Moritz schlug zur Würze sogar vor, einen Dummy-Spieler einzuführen, der regelmäßig eine zufällige Karte dazugibt und damit die Entwicklung der Kartenstapel auf dem Tisch etwas aufmischt. Doch ganz schnell kamen wir darauf, der Ablauf “ist gar nicht so dumm”, und keiner wollte mehr von Moritz’ Modifikationswürze etwas wissen.
Jeder muß seine ausgeteilte Kartenhand bewerten und dabei abwägen, in welcher Farbe er wohl unvermeidlich mindestens einen Stich bekommt. In dieser Farbe sollte er dann gleich die Mehrheit an Karten anstreben. Doch darf er seine Lieblingsfarbe nicht zu früh verraten, damit ihm die Mitspieler hier nicht alle Joker-Minuspunkte hineinhauen. Den strategischen Ambitionen sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt.
WPG-Wertung: Günther: 8, Moritz: 7, Walter: 7.
4. “Rumis”
Kurz vor Mitternacht eine erneute Begegnung mit dem zweiten “Spiel des Monats” in der Geschichte der Westpark-Gamer. Erstmals hatten wir alle Schwierigkeiten, die Bauklötzchen ineinander zu legen, ohne das dabei entstehende Gebilde umzuwerfen. Schließlich sind wir alle fünf Jahre älter geworden und die Feinmotorik hat nachgelassen. Vielleicht lag das aber auch an den Temperaturen draußen auf der Terrasse am Westpark.
Weiterhin Freude und Entspannung. Unsere Wahl aus dem Jahre 2004 bekommt immer noch die volle Zustimmung.
5. “Monopoly Deal”
Günther hat endlich bekannt, warum er diesem geilen Spielderivat ein paar Wertungspunkte gegeben hat: “Man kann Monster plattmachen!” Gegönnt haben wir ihm und uns diese Freude allerdings nicht mehr.
Keine neue WPG-Wertung für ein Nullsummenspiel.