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21.09.2010: Buße für den Dammbruch

Andrea ist katholische Kölnerin und assoziiert mit Protestanten (igitt!) die sauertöpfischen Nichtlacher aus Europas Norden. Walter stammt aus protestantischem Hause in Franken und assoziiert mit Katholiken die Drauflos-Lebenden, die sich niemals um die (In-)Konsistenz zwischen Lehre und Leben geschert haben: Wallfahrten und sündigen, in jeder beliebigen Reihenfolge.
Warum diese Einleitung? Nun ja, das Schlüsselspiel des heutigen Abends drehte sich um das Gut- und Böse-Sein. Und auf diesem Gebiet besitzen die Vertreter der beiden großen deutschen Volkskirchen garantiert keine gemeinsamen Gene.
1. “Das kalte Herz”
Moritz’ aktuelle Spielentwicklung hat die nächste Umdrehung in einer nach oben offenen Spiralbewegung zurückgelegt und wurde erneut zur Begutachtung aufgetischt. Wir sind immer noch Holzfäller und Flößer frei nach Wilhelm Hauffs gleichnamiger Erzählung.
Wesentliche Änderungen gegenüber der Vorgängerversion (siehe Spielbericht vom 8. September diesen Jahres):
a) In der Startaufstellung gibt es bereits ausreichend Holz vor der Hüttn bzw. in der Nagold.
b) Alles Holz gehört jedermann und kann von allen für den gleichen Erlös bewegt, entstaut und geflößt werden.
c) Geld und Siegpunkte sind während des Spiels nicht ineinander konvertierbar. Nur am Spielende liefert das Restgeld einen additiven Siegpunkt-Betrag.
d) Die individuellen Ereigniskarten sind verschwunden. Dafür gibt es jetzt für alle Mitspieler gültige Saisonkarten, die den Spielraum innerhalb der Aktionen einer Runde bestimmen.
e) Die Arbeiter können an jeder beliebigen Stelle des Spielbrettes eingesetzt werden.
f) Alle Aktionen (Holz fällen, Stämme bewegen, Staudämme öffnen, Flöße binden und Flöße verkaufen) können jetzt auch ohne Arbeiter ausgeführt werden.
g) Man kann immer noch beten. Doch steigt man dafür nicht linear auf der Frömmigkeitsskala, sondern bekommt Ablaßzettel, die erst als Bündel in Frömmigkeit umgesetzt werden können.
Nach der Quintessenz von Hauff’s Märchen sind wir sind immer noch gut und böse und können böse Aktionen durchführen, die uns in den Sündenpfuhl drücken, oder Ablaß erwerben, um uns wieder daraus zu erheben.
Dieser typisch katholische Mechanismus löste zwischen Andrea und Walter eine fortwährende konstruktive Diskussion aus, welche Spielzüge protestantisch und welche katholisch sind. Buße tun, um das kalte Herz zu erwärmen, ist protestantisch. Buße tun, um in der Frömmigkeitsskala nach oben zu steigen, ist katholisch. A priori Buße-Tun ist protestantisch, hat doch schon Luther in seiner ersten These formuliert, daß das ganze Leben der Gläubigen eine stete Buße sein soll. Hingegen aus einem wohldefinierten Grund Buße zu tun hat, ist katholisch. Schließlich hat man bei Spiel und Tanz, wenn nicht gar auf dem Oktoberfest, erst einmal gehörig gesündigt. Und schließlich will man sich damit einen klar quantifizierten und ausgewiesenen Zeitanteil Seelenpein im Fegefeuer ersparen. Katholiken tun Buße, weil sie gut werden wollen. Protestanten tun Buße, weil sie gut sind. Oder weil sie böse sind von Jugend auf. Usw.
Auch wenn diese Diskussion nur ganz leise und in einer abseitigen Tischecke geführt wurde, wurde sie von Aaron deutlich kritisiert. Als Unhöflichkeit gegenüber dem Autor. Walters Einwand: Das Spiel bietet zu wenig Motivation etwas zu tun. Alle Aktionen, die man tun darf, kosten a) Geld und b) bringen vor allem unmittelbar dem Nachfolger etwas ein. Ein eigener Nutzen ist erst mit weiterer unfreiwilliger und nicht vorhersehbarer Anschiebhilfe durch die Mitspieler zu erzielen.
Moritz sah das sofort ein: Er schlug einen neuen Spielanfang vor mit einer ad hoc-Modifikation der Spielregeln.
a) Die einzelnen Aktionen dürfen (wieder) erst nur dann getan werden, wenn man einen Arbeiter zur Stelle hat. (Allerdings ist die Beweglichkeit der Arbeiter noch sehr hoch. Diese Einschränkung des Aktionsspielraums muß noch weiter verstärkt werden.)
b) Die Baumstämme in den Flüssen bewegen sich automatisch, d.h. jeder Spieler darf / muss standardmäßig pro Zug eine Portion Stämme bewegen.
(Frage: Warum bilden die Holzstämme immer noch so dicke Pakete. Warum schwimmen auf den einzelnen Flußabschnitten nicht immer nur einzelne Baumstämme die Nagold hinab?)
Jetzt war die allgemeine Dammbewegung gestoppt und jeder Spieler mußte Arbeiter bringen, um aktiv ins Spielgeschehen eingreifen zu können. Dammbrüche erfolgten nur noch mit manuellem Zutun. Auch die Buß-Diskussion war unverzüglich gestoppt. Schließlich gab es jetzt genug eigene Züge zu planen und fremde Züge zu beobachten, um am Damm zu bleiben. Doch noch immer ist man nur begrenzt seines eigenen Glückes Schmied. Immer noch braucht man die Hilfe der Mitspieler um die Dämme oder die Flösselände voller Baumstämme zu bekommen und damit lukrativ handeln zu können.
Doch immerhin gab es zum ersten Mal, seit wir am kalten Herzen operieren, reichlich Flöße mit üppigen Erträgen, die strahlende Mienen bei den glücklichen (oder fähigen) Holzhändlern hervorriefen. Doch es gibt noch viel zu balancieren. Nach 4 Stunden eifriger Holzfällerei waren wir alle erst einmal gründlich geschafft.
Fazit:
Moritz war mit der Spiellänge zufrieden. Es hat sich viel bewegt und alle Spielelemente waren angesprochen worden.
Aaron vermißte noch eine gehörige Portion Interaktion. Streckenweise war die unvermeidliche Denkzeit auch über Gebühr lang.
Andrea war mit der gelungenen Themenumsetzung beim Gut-Böse-Prinzip zufrieden. Ihr gefiel auch das Kosten-Steigerungsprinzip bei den Saisonkarten.
Hans setzte seine Kritk an den Geschwindigkeitsverhältnissen im Spieldesign an: z.B. sind die Arbeiter zu langsam und die Flüsse zu schnell.
Walter spielte nicht gerne den Schmied vom fremden Glück.
Noch keine WPG-Wertung.
2. “R-Öko”
Die mentale Energie reichte mit „R-Öko“ nur noch zu einem leichten Absacker-Kartenspiel, das am Westpark schon zweimal gefallen konnte.
Jeder hat 1-5 Karten in den Farben rot-grün-gelb-blau der Hand und legt davon pro Zug 1-5 Karten einer Farbe an die „Müllseite“ des passenden gleichfarbigen Stapel in der Mitte des Tischen und bekommt dafür die Karten von der „Recycling“-Seite dieses Stapels. Liegen mindestens 4 Karten auf der Müllseite, bekommt man die oberste Karte des Stapels, die Plus- oder Minuspunkte in der Endabrechung bedeuten.
Kartenpflege (durch Ablegen am „richtigen“ Stapel zum Aufnehmen der „richtigen“ Recycling-Karten) ist durchaus interessant, doch was letztendlich in der Auslage geboten ist, wird stark vom Kartenzufall bestimmt.
Moritz schätzte den „Glücksfaktor“ auf 60-70%. Womit er sicherlich ganz gut liegt. Wobei wir aber immer noch nicht wissen, wie der „Glücksfaktor“ überhaupt definiert ist.
WPG-Wertung: Andrea (7), Hans (6) und Moritz (6) blieben mit ihrern Noten ganz nah am aktuellen Notendurchschnitt.

06.07.2010: Spielen statt Fußball

Ein harter Kern von Fußballverweigerern traf sich trotz 1. WM-Halbfinalspiel zum Spieleabend bei Peter am sonst unüblichen Dienstag. Walter schrieb bereits etwas über die Hintergründe der Terminverschiebung. Da das Parkplatzchaos in der Maxvorstadt trotz naher Fanmeile in der Leopoldstraße nicht schlimmer war als sonst, konnten wir pünktlich starten.
Peters klarer Vorliebe für deutsches Spielegut ist bekannt und Aaron hatte trotzdem „Age of Industries“ mitgebracht, der angeblichen „light“ Version von Martin Wallace’s „Brass“. Fast lag es schon auf dem Tisch als sich dann doch eine Mehrheit für ein kurzes, einfacheres Spiel zum Start entschied.
1. „Glen More“
Aus unerfindlichen Gründen war Aaron der Meinung, dass „Glen More“ auf der Empfehlungsliste des Spiel des Jahres 2010 stünde – stimmt aber nicht. Günther kannte es bereits und war nicht so recht zu begeistern, da seiner Meinung nach ein recht hoher Glücksfaktor das eigene Geschick beeinflusst. Der Spielmechanismus ist schnell erklärt: jeder Spieler sucht sich in seinem Zug aus einer Auslage ein Landschaftsplättchen heraus, das er an seine bereits bestehende Landschaft anbaut. Dabei werden umliegende Plättchen der Landschaft zusammen mit dem neu angelegten aktiviert und liefern ihren Bonus. Das können Rohstoffe sein oder Zusatzaktionen wie den Verkauf von Rohstoffen gegen Siegpunkte. Dreimal gibt es im Spiel eine Zwischenwertung, bei der es Siegpunkte für diejenigen gibt, die mehr „Spezialdinge“ wie Whiskey, Karten oder Stammesfürsten gesammelt haben. Am Ende verlieren dann noch diejenigen mit den größten Landschaften Siegpunkte.
Der Mechanismus des Landschaftplätttchenziehens ist recht clever gelöst: die Auslage ist sequenziell und je mehr Plättchen man bei seiner Wahl überspringt, umso länger muss man warten, bis man wieder dran ist. Hier greift dann auch Günthers Argument der Glücksabhängigkeit: liegen mehrfach die für mich gute Plättchen weiter hinten, komme ich seltener dran als die anderen Spieler.
Trotzdem ist „Glen More“ ein solides Spiel, das funktioniert.
WPG-Wertung: Aaron 7 (funktioniert, aber zu wenig Interaktion); Günther 6 (weil’s funktioniert); Loredana 5 (zu zäh); Peter 7 (weil’s funktioniert)
2. „R-Öko“
Da die Stimmung immer noch nicht nach einem komplexeren Spiel rief, kam „R-Öko“ wieder auf den Tisch. Damit sanken die Chancen auf ein „Age of Industry“ an diesem Abend deutlich.
„R-Öko“ hatte schon vor ein paar Wochen gut gefallen und hatte dabei als schnelles Spiel mit neuem Mechanismus punkten können.
WPG-Wertung: Loredana 6 (kurz und schnell); Peter 6 (nett)
3. „Kuhhandel Master“
In der Erinnerung an Spieleabende vor mehr als 20 Jahren kommt „Kuhhandel“ immer noch als lustiges, durchaus anspruchsvolles Bluffspiel sehr positiv vor. Ein Wermutstropfen war damals die Profiregel, die den Geldaustausch beim Kuhhandeln so verändert, dass es zu dramatisch schlechten Handeln kommen konnte. Damals fanden wir den dadurch verstärkten Glückscharakter (andere mögen es Bluff-Charakter nennen) als zu unausgewogen. Umso erstaunter waren wir, dass die Spielregel zu „Kuhhandel Master“ genau diese Handelsform zur alleinigen Regel erklärt. Als zusätzliche „Master“-Erweiterungen gibt es das Rattenquartett, das man auf keinen Fall haben möchte und Prestige-Karten zu jeder Tiersorte, die den Wert des entsprechenden Tierquartetts erhöhen, wenn man beide besitzt.
„Kuhhandel Master“ konnte sie alten positiven Erinnerungen nicht wieder abrufen. Im Gegenteil: das Spiel erscheint aus heutiger Sicht etwas altbacken und die neuen Karten bringen keine wirklich neuen Herausforderungen. Zusammen mit dem problematischen Geldtauschmechanismus wurde hier kein besseres „Kuhhandel“ geschaffen.
WPG-Wertung: Aaron 5 (schlechter als das Original); Günther 5 (dto.); Loredana 5; Peter 5 (zu lang)

16.06.2010: Brot und Brettspiele

Walter ist unter die Brotbäcker gegangen. Was sollte er auch tun, seit er aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden ist. Spiele erfinden? Aaron (siehe „ausgeschieden“) ist überraschenderweise ebenfalls ein begnadeter Bäcker und hat gerne eine Probe von Walters heutigen Backversuch gekostet. „Guter Geschmack“ war das einhellige Urteil für Roggenmehl, Kartoffelbrei, geröstete Zwiebeln, Kürbiskerne und selbstgebrautem Sauerteig. Vielleicht war der Laib innen noch etwas zu klamm. Aaron fragte unverzüglich nach der Backzeit: 10 Minuten bei 250 Grad, 10 Minuten bei 200 Grad und eine halbe Stunde bei 175 Grad. „Eigentlich hätte das reichen sollen.“ lautete sein fachmännischer Kommentar. Wenigstens geschmacklich gab es nichts auszusetzen. Nicht einmal etwas von der kritischen Ehefrau, wenn man den Nachsatz: „Aber ich würde gerne mal wieder ein richtiges Bäckerbrot essen“ nicht auf die Goldwaage legt. Vielleicht kann das selbstgebackene Brot in Zukunft am Westpark sogar die ungesunden und garantiert rot-ampeligen Kartoffelchips verdrängen.
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1. “A la carte”
Passend zur Bäckerei kam mit „A la carte“ gleich ein Kochspiel auf den Tisch, die Überarbeitung eines 20 Jahre alten Vorgängers vom einstmals äußerst innovativen Karl-Heinz Schmiel („Die Macher“) bei Moskito-Spiele. Und obwohl es sich nur um ein Remake handelt, schaffte es das Spiel bis in die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ 2010. Günther hatte es mit seinem Spuiratzn-Team durch einen dritten Platz bei den Vorausscheidungen zur Deutschen Brettspielmeisterschaft gewonnen.
Das Spielmaterial ist äußerst liebevoll zusammengestellt. Es gibt Fläschchen mit den Gewürzen Pfeffer, Paprika, Safran und Kurkuma (zumindest mit deren Farben), es gibt wunderschöne Kochplatten mit einem Drehknopf für die Temperatur, Metallpfannen, Spülbecken, Mülleimer (als Bäckerlehrling weiß man das besonders zu schätzen), Tabletts, Kaffeetassen für die Pause zwischendurch und natürlich Rezepte, die wir mit den richtigen Gewürzen bei der richtigen Temperatur herstellen sollen.
Die Namen der Gerichte zeugen von hoher Goumet-Erfahrung des Autors. Oder des Verlages. „Bei Nilpferd in Burgunder“ läuft einem doch schon das Wasser im Mund zusammen, und „Leberkäs Hawaii“ darf auf keiner bayerischen Speisekarte fehlen. Aaron fand die „Sauren Zipfel in Sahnesauce“ leicht pornographisch; seit den Vorgängen im Bistum Augsburg sind wir bei mißverständlichen Formulierungen wohl alle hellhöriger geworden.
Die Basis, Fisch, Fleisch oder Vegetarisches, wandert automatisch in die Pfanne, würzen müssen wir, indem wir die richtigen Gewürzfläschen auswählen und einmal über der Pfanne umkippen. Wenn dann genau die richtige Gewürzmenge aus dem Fläschchen herausgerieselt ist, sind wir glücklich und haben mindestens eine Bedingung für ein gelungenes Gericht erfüllt. Ist zu wenig herausgerieselt, müssen wir noch einen Zug für das Nachwürzen opfern. Oder noch einen. Ist zuviel herausgerieselt, ist das Gericht verdorben und wandert in den Müll (siehe Bäckerlehrling).
Erschwert wird die Würzerei dadurch, dass sich in den Gewürzfläschchen auch unerwünschte Salzkörner befinden, die, in zu hohen Maßen herausgeschüttelt, ein Gericht ebenfalls ungenießbar machen.
Die Temperatur wird per Würfel eingestellt. Für jedes Würfelauge müssen wir die Temperatur um eine Stufe erhöhen. Für besondere Würfelaugen müssen die Mitspieler auch ihre Heizplatten höher stellen. Wenn dann ein Gericht verbrannt ist, landet es wieder im Mülleimer. Beim Vorlesen dieser Regeln umwölkte sich unverzüglich Walters Stirn, doch Aaron und Günther konnten umgehend beschwichtigen: „Das ist doch ein Dödelspiel!“ Bei Wikipedia und bei LEO weiß man zwar nicht, was „dödeln“ ist, doch den bayrischen (?) Ausdruck für eine nicht ernst zu nehmende Sache kennen selbst die Zuagroasten.
Wir dürfen auch bei unseren Kochkonkurrenten nachwürzen, um denen die Suppe zu versalzen. Wir dürfen sogar mit unseren Mitspielern die Herde (das ist kein Sammelbegiff für eine tierische Lebensform, sondern unser Kochgerät) samt Pfanne und Inhalt vertauschen. So, jetzt wißt ihr hoffentlich alle, was „dödeln“ ist.
Für ein Gericht, das mit genau den vorgeschriebenen Gerichten und keinem Störsalz dazwischen im richtigen Temperaturrahmen zu Ende gebacken wurde, bekommt der Koch einen Schmiel-Stern. Sobald ein Spieler den dritten Stern erhalten hat, ist er Sieger. Wer von uns hat wohl diese Auszeichnung gewonnen. Der Bäckerlehrling oder sein Berater? Der Berater! Ohne einen einzigen Gewürz-Fehlwurf hatte er seine „Spaghetti al Rabiata“, den „Calzone Capone“ und die „Maus o Schokolad“ über die Runden gebracht. Da sag’ nochmal einer etwas gegen ein „Dödelspiel“!
WPG-Wertung: Aaron:7 („möchte es nicht jeden Abend spielen“, aber vielleicht ab und zu einmal am hellerlichten Tage , Günther: 7 (einem geschenkten Barsch …), Hans: 7 („Wenn ich gewußt hätte, dass wir heute in Faschingstimmung sind, hätte ich auch ein Spiel mitgebracht: Wasabi“. Was immer das ist.), Walter: 7 (im Vorgriff auf die Enkelkinder)
2. “Die Speicherstadt”
Falls einer diesen Begriff nicht kennen sollte: Es handelt sich um einen Hafenbezirk in Hamburg, wo einmals Waren gelagert wurden. Heute beherbert er die größte Modelleisenbahnanlage der Welt und so manches Michelin-Sterne-Lokal, z.B. das „Zippelhaus“.
Doch so weit sind wir noch nicht, „Die Speicherstadt“ ist immer noch der Umschlagplatz für Waren, die mit Schiffen herangekarrt werden. Wir ersteigern Aufträge zum Abliefern bestimmter Warenkombinationen, Schiffsladungen natürlich, mit denen wir unsere Aufträge erfüllen wollen, und eine ganze Reihe von Beiwerk für Sonderpunkte. Der „Michel“ bringt am Ende vier Siegpunkte, die Flußschifferkirche drei, der Hafen für jedes Schiff einen, die Handelkammer für jede Münze einen und ähnliche Dinge. In der „Markthalle“ können wir mehrere Waren, die wir uns gerade per Schiff eingehandelt haben, lagern, ansonsten verfällt alles, was nicht sofort verwendet werden kann.
Ab und zu bricht mal ein Brand aus. Wer dann die meisten Feuerwehrleute erstanden hat, bekommt Siegpunkte, ziemlich viele sogar. Wer die wenigstens Feuerwehrleute hat, bekommt entsprechend Minuspunkte. Macht schon mal die doppelte Differenz aus. Feuerwehr ist lohnend.
Aufträge erscheinen weniger lukrativ. Der Kampf um ihren Erwerb und um die passenden Schiffsladungen bringen weniger ein als das einmalige Beten im Michel.
Das Bemerkenswerteste an der „Speicherstadt“ ist der Versteigerungsmechanismus, mit dem wir an die Objekte der Begierde herankommen. Wir setzen unsere Pöppel in Reih’ und Glied an die Stellen, wo Schiffsladungen, Aufträge, Feuerwehrleute etc. in Kartenform ausliegen. Ohne Verdrängen dürfen beliebig viele Pöppel beliebig vieler Spieler an einer Stelle stehen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Doch jetzt kommt das Besondere: Je mehr Pöppel an einer Stelle stehen, desto höher ist der Preis. Haben sich z.B. 5 Pöppel um einen Feuerwehrmann beworben, so darf der Besitzer des vordersten Pöppel diese Karte für 5 Münzen einstreichen. Ist ihm diese Karte nicht so viel Geld wert, so zieht er seinen Pöppel ersatzlos zurück und der nächste in der Reihe dürfte den Feuerwehrmann jetzt für 4 Münzen erwerben. Und so weiter.
Doch das Geld ist knapp. Mit 5 Münzen geht ein jeder ins Rennen. Mit zwei Erwerbungen a zwei Münzen ist man schon fast pleite. Eine Münze bekommt man pro Runde wieder dazugeschenkt. Da kommt man als heruntergekommener Hanseat nicht mehr so leicht auf einen grünen Zweig. Und Waren in Geld umzusetzen ist auch sehr mühsam. Wir haben heute konstatiert, dass zumindest bis zur Mitte des Spiels keine Karte mehr als drei Münzen wert ist. Selbst drei Münzen sind schon ziemlich teuer. Der erste in der Reihe schafft es fast nie, eine Karte zu erwerben. (Es sei denn, alle Konkurrenten sind gleichzeitig ziemlich mittellos geworden.) Auf den hinteren Plätzen wird alles zwar billiger, doch die Kaufchancen stehen dabei auf wackligen Füßen, weil die Pöppel auf den vorderen Plätzen ja Vorkaufsrecht haben. Durch scharfe Kalkulation, in der man Ambitionen und Bargeld der Mitspieler berücksichtigt, kann man zuweilen ein Schnäppchen machen. Und man kann einen knapp-kassigen Mitspieler leer ausgehen lassen, vor allem, wenn man der letzte in der Setzreihenfolge ist.
Walter hatte etwas unüberlegt sein monetäres Pulver vorzeitig verschossen und mahnte bei seinem Nachfolger Hans die alte Volksweisheit an „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing!“. Vergebens. Gnadenlos ließ der seinem Brötchengeber das letzte Schiff samt Ladung durch die Lappen gehen.
Ob man mit seiner Setzlogik allerdings mehr als einen Zug vorausdenken kann, muß bezweifelt werden. Sobald mehr als ein Mitspieler drei oder mehr Münzen zur Verfügung haben, kann der Ausgang der nächsten Bietrunde schon nicht mehr vorhergesagt werden. Dann fängt das Mitspielerchaos an. Nicht direkt als hoffnungsloses Durcheinander, aber als Unfähigkeit des menschlichen Gehirns, in absehbarer Denkzeit das Gleichungssystem mit den bekannten und unbekannten Abhängigkeiten zu lösen. Und glücklicherweise versuchte dies heute auch keiner.
WPG-Wertung: Aaron:6 (Einschränkung durch die Nicht-Planbarkeit der Auftragserfüllung), Günther: 8, Hans: 8 (mit Siegerbonus), Walter: 7 (mit den gemachten Erfahrungen auf jeden Fall einen neuen Versuch wert)
3. “R-öko”
Ein Kartenspiel rund um das Thema Müllerzeugung und Müllverbrennung, aber eigentlich geht es nur um Siegpunkte.
In der Tischmitte liegen vier verschiedenfarbige Kartenstapel mit jeweils den Zahlenwerten 0 bis 5, dazwischen gibt es eine Minus 2. Auf der einen Seite jedes Stapels wird produziert. Hier legen die Spieler reihum eine oder mehrere farblich passende „Produktionskarten“ ab. Nach jeder Produktion müssen / dürfen sie die auf der anderen Seite des Stapels liegenden „Müllkarten“ auf die Hand nehmen. Einerseits sind viele Müllkarten gut, sie verwandeln sich natürlich in der Spielerhand sofort in „Produktionskarten“. Andererseits sind zu viele Müllkarten auch schlecht, denn mehr als 5 Karten darf man nicht in der Hand halten, die überzähligen müssen abgeworfen werden und zählen bei Spielende als Minuspunkte.
Nach der Produktion werden neue Müllkarten auf die „Müllseite“ des Stapels gelegt, und zwar eine mehr, als gerade „produziert“ worden ist. Die Müllkarten werden immer mehr, und es wird immer schwieriger, strafpunktfrei zu produzieren.
Liegen auf der Produktionsseite eines Stapel mindestens vier Produktkarten, darf man sich die oberste Karte nehmen, sie bringt am Ende Siegpunkte. Im weitesten Sinne ist „R-öko“ also ein Stichkartenspiel; es gilt, aus seiner Kartenhand möglichst viele „Stiche“ mit Zahlenkarten zu machen. Kartenpflege gehört dazu, damit man sein Stichpotential erhöht, damit man den Mitspielern nicht leichtfertig schöne Stiche vor die Füße legen muß, und damit man bei den Strafkarten Ausweichmöglichkeiten hat.
Sich dabei auch noch zu merken, welche Karten die Spieler auf die Hand genommen haben, fördert natürlich die Siegchancen. Geht für Nicht-Bridger aber vielleicht schon zu weit. Gerade in dieser Balance zwischen Wäg- und Unwägbarkeit ist „R-öko“ ein sehr gelungenes hübsches Spielchen.
Innerhalb der Spiel-Balance gab es allerdings auch einen gravierenden Kritikpunkt: Der Spieler, der die erste 5er Zahlenkarte aufnimmt, beendet das Spiel. Demnach kann der letzte Spieler nochmals 5 Siegpunkte auf sein Konto bringen, während für alle anderen der Sudden-Death eintritt. Und 5 Punkte sind immerhin etwa 50% der Gesamtpunkt-Zahl, die ein Spieler am Ende erreicht. Das ist doch wohl ein bißchen unverhältnismäßig hoch! Oder etwa nicht?
Doch trotz dieses Kritikpunktes waren alle mit einer sofortigen Spielwiederholung einverstanden. 1:0 für R-Öko!
WPG-Wertung: Aaron:7 , Günther: 6 (Einschränkungen wegen des 5-Punkte-Schlusses), Hans: 7 („blitzschnell ändert sich das Bild und man kann ständig versuchen, die neue Situation zu lesen und zu analysieren“), Walter: 7 (hübscher Absacker)
4. “11 nimmt!”
Nein, es ist keine Expansion von „6-nimmt!“ auch wenn der Autor Michael Kramer heißt und die Karten mit den einfachen und mehrfachen Hornochsen gleich sind.
Gleich ist unsere Kartenhand mit zunächst 10 Karten, ungleich ist, dass zu Beginn nur ein Kartenstapel ausliegt. Hier dürfen wir auch keine beliebige höherwertige Karten anlegen, sondern nur eine, die maximal 10 Punkte höher ist als die ausliegende Karte. Soweit sind „11-nimmt!“ und „6-nimmt“ jedoch noch ziemlich ähnlich.
Die Effekte beim Nicht-Zugeben-Können und das Strafpunktverfahren sind dagegen gänzlich anders. Wer nicht zugeben kann oder will (!), nimmt sich einfach eine beliebige ausliegenden Kartenreihe AUF DIE HAND. Es sind also noch keine Strafpunkte, sondern Karten, mit denen er weiterspielen darf. Besteht der aufgenommene Kartenstapel aus mehr als drei Karten, so darf er sich zusätzlich noch einen „Bullen“ nehmen. Dieser verschafft ihm das Privileg, in einem Zug nicht nur eine Karte, sondern beliebig viele Karten innerhalb des 10-Punkte-Abstandes abzulegen. Mit einer zweiten Bullenkarte darf man sogar an zwei beliebigen Stapeln beliebig viele Karten – unter Wahrung des 10-Punkte-Abstandes – ablegen.
Diese Bullen sind ein enormer Vorteil. Ein früher Bulle, den man sich z.B. gleich zu Beginn freiwillig durch die Aufnahme eines 3-Karten-Stapels zugelegt hat, zahlt sich im Laufe des Spiels mehrfach wieder aus.
„Bulle am Morgen,
erquickend und labend“

heißt es schon in einer alten Volksweisheit. Etwas weniger lyrisch könnte man sagen: „Ohne Bullen geht es nicht!“, doch ich will der 68-er Generation nicht auf den Schlips treten.
“11 nimmt!” spielt sich flott und pfiffig. Einziger Konstruktionsfehler: Auf Grund des Bullen-Privilegs gleicht sich der Nachteil des Nicht-Bedienen-Können und Stapel-Aufnehmen-Müssen ganz schnell wieder aus und gegen Ende des Spiels haben alle Spieler ungefähr gleich viel bzw. gleich wenig Karten. Mit wenigen Karten ist aber keine Strategie mehr möglich, die Chance bedienen zu können ist äußerst zufallsabhängig, und dies gerade auf der Zielgeraden! Ein gutes Rennen im gesamten Durchgang wird überhaupt nicht belohnt. Hier ist „6-nimmt!“ deutlich „gerechter!“
Aaron: 7 („6-nimmt!“ ist besser), Günther: 7, Hans: 6 (zu wenig Einflußmöglichkeiten, gerade in der Schlußphase), Walter: 7 (das Spiel soll wegen der Vorzüge seines Bruders, des genialen „6-nimmt!“ nicht mit Punktabzug bestraft werden!)
5. “Bluff”
Und ein Bluff gab es auch noch. Günther stand mit drei Würfeln gegen einen Würfel von Walter im Endspiel. Er hatte eine Zwei, eine Fünf und einen Stern unter seinem Becher. Nach seiner Immer-5-Strategie fing er mit einmal die 5 an. Walter sprang sofort auf drei mal die 5. Was hättet Ihr an Günthers Stelle jetzt getan? Auf zweimal den Stern heben und nachwürfeln? Oder auf vier mal die 5?
Günther zweifelte kurz und schmerzlos an. Schließlich heißt das Spiel „Bluff“! Und er hatte Recht. Walter hatte ihn einfach ins Boxhorn jagen wollen, doch dabei hatte er übersehen, dass Günther da auf keinen Fall hineinpaßt.
Hinterher gab es lange Diskussion, wie Walter wohl mit seiner Zwei unter dem Becher hätte reagieren können oder sollen. Drei mal die Zwei wäre es gewesen. Aber wäre das richtig „geblufft“ gewesen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.