1. “Ragusa”
Trotz Moritz’ achtmaliger Erfahrung mit diesem Spiel und seiner höchst autolaudierten Regelkompetenz haben wir letzte Woche erhebliche Regelfehler ins Spiel gebracht, die den Spielablauf und seinen Ausgang entscheidend verändert haben. Die beiden gravierendsten Fehler waren:
- Wir haben vergessen, jedem Spieler zu Spielbeginn eine Bonuskarte zu geben. Sie bietet einen ersten Anhaltspunkt, in welche (unterschiedliche) Richtung sich ein jeder Spieler orientieren kann, z.B. sich verstärkt im Weinbau oder Schiffshandel zu engagieren. Ohne diese Bonuskarten sind wir alle symmetrisch im Wald allein gelassen und schlagen halt irgendeine gangbare Richtung ein. Nach Moritz’ damaliger Empfehlung sollte das zumindest in Reichweite von Erz sein.
- Wir haben den Universal-Rohstoff „Fisch“ total falsch behandelt. Wenn Fische in einen der anderen Rohstoffe umgewandelt werden, so ist das „permanent“, d.h. das Sprudeln unserer Fisch-Quelle erniedrigt sich um den entsprechenden Betrag, und die Zielrohstoffquelle erhöht sich. Bei uns konnte Fisch-Krösus Moritz seine Fischquelle von Zug zu Zug umorientieren und hatte so immer und überall ausreichend Material, um sich an Verarbeitung oder Verkäufen zu beteiligen. Vielleicht hatte er seine Fische sogar nicht nur in Weintrauben, sondern sogar direkt in Wein verwandelt, aber das möchte ich hier jetzt auf keinen Fall beschwören.
Der Protokollant hat ebenfalls einen Fehler in seinen Report gebracht: Die Stadt Ragusa, nach der das Spiel benannt ist, ist nicht irgend eine real existierende ambitionierte Stadt in Sizilien, sondern das antike Dubrovnik, das im Osmanischen Reich eine große Handelsstadt war. Vielleicht sogar schon bei den Römern.
Auch wenn Ragusa letzte Woche nur gebremste Zustimmung gefunden hat, sollte es heute in einer kontemplativen 3er Runde seine offenen und versteckten Schönheiten noch einmal offenbaren können. Es war zudem eine der seltenen Gelegenheiten, wo zwei Spieler mit einem Spiel bereits erste Erfahrungen gesammelt hatten, hingegen der immer-alles-schon gespielt-habende Günther aber nicht.
Walter verlegte sich auf das neulich von Moritz angepriesene Erz, kam damit aber auf keinen Blumentopf. Der Preis war schon vom Start weg (zufällig) mit nur einer einzigen Geldeinheit pro Silberling festgelegt und blieb praktisch während des gesamten Spiels auf dieser Armutsgrenze. Walter engagierte sich wie letzte Woche auch verstärkt im Mauernbau und war froh, dass ihn hier keiner blockierte. Doch Aaron profitierte noch mehr vom gemeinsamen Mauerbau. 21 Punkte brachten ihm in der Endwertung allein seine Häuser und Türme in der Stadtmauer ein. Es reichte zum unangefochtenen Sieg.
Günther ging nicht nur hier ziemlich leer aus. Richtig, richtig: er wurde Letzter, zwar nur knapp von Walter geschlagen (das wollte Günther jetzt auf jeden Fall im Protokoll sehen), aber wenn unser strategischer Seriensieger in einem würfel- und zufallslosen strategischen Spiel an letzter Stelle landet, so ist dieses – für alle anderen – freudige Ereignis in jedem Fall eine Erwähnung wert.
Unser Spiel blieb auch diesmal nicht ohne Regelfehler. Aaron baute auch ohne ausreichenden Holzreichtum seine multiplen Städte in die Hexaringe der Grenzregion zwischen Stadt und Land. Walter tauschte in einem günstigerem Verhältnis als vorgegeben Fische in den benötigten Stein, wobei anschließend leider die „Permanent“-Regel übersehen wurde. Obwohl jeder Spieler nur 12 (in einer 4er Runde sogar nur 10) Häuser auf den Spielplan setzt, ist der Gesamt-Spielstand gegen Ende des Spiels so unübersichtlich, dass Zähl- und Wertungsfehler fast unvermeidlich sind.
Es war keine Zumutung, das Spiel erneut auf den Tisch zu bringen, aber jetzt beim zweiten Mal ist es schon ziemlich ausgelutscht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt, „man hätte daraus etwas machen können“), Günther: 6 (das Spiel hat schon einen gewissen Reiz, aber wenn man bereits nach einer minimalen Spielerfahrung weiß, wohin man optimal ziehen muss, dann ist dieser Reiz auch schon wieder weg. Man muss auf die Details aufpassen wie ein Luchs, damit man nichts falsch macht), Walter: 7 (bleibt, da kann das Spiel ja nichts dafür, dass wir beim zweiten Spielen seinen Anfangscharme schon ausgelutscht haben).
2. “AMUL”
Der Name ist kein Sprechfehler eines Gebissträgers, der den Namen des (grandiosen!) „Kennerspiels des Jahres 2018“ nicht aussprechen kann. Großschreibung und Lautverschiebung „Z“ zu „M“ sind beabsichtigt und haben vielleicht sogar Methode.
Dieses (fast) kleine Kartensammel- und Ablegespiel ist ungefähr in der Mitte zwischen „7 Wonders“ und „Rommé“ angesiedelt. Wir fangen mit einer Hand von 6 Karten an, legen jeweils eine Karte in unsere Auslage, deren Qualifikation später unsere Siegpunkte ausmacht, und ziehen vom Nachziehstapel verdeckt eine Karte nach.
Es gibt Karten
- mit festen Siegpunktzahlen, z.B. Gold.
- deren Siegpunkte wachsen, wenn man mehrere davon ausliegen hat, z.B. Silber.
- deren Siegpunkte abnehmen, wenn insgesamt mehrere davon ausliegen, z.B. Kamele.
- deren Wert durch den Besitz anderer Karten steigt, z.B. werden Lampen wertvoller, wenn man auch Öl dazu hat.
- deren Wert reduziert wird, wenn man bestimmte andere Karten ebenfalls im Sortiment hat.
Weiter gibt es Karten, die es erlauben, eine der offenen Karten am Bazar oder im Palast zusätzlich an sich zu nehmen und auszulegen. Damit wird suggeriert, man hätte einen gewissen Einfluss auf die eigene Kartenhand. Signifikant ist das aber garantiert nicht.
Ein bemerkenswerter Mechanismus ist das Handeln auf dem Markt. Jeder Spieler muss pro Zug eine der Karten aus seiner Hand in den Markt legen (natürlich die schlechteste) und danach, wenn der Markt gefüllt ist, wieder eine Karte davon an sich nehmen (natürlich die beste). Wenn man sehr positiv gestimmt ist, darf man darin so eine Art „Drafting-Mechanismus“ sehen. Doch bei den Quanten 1 gegen 1 macht das den Ochsen auch nicht fett.
Zum Schluss noch eine weitere für den Kartenwert entscheidende, für den Charakter des Spiels aber absolut untergeordnete Karteneigenschaft: Es gibt „Tischkarten“ und „Handkarten“ (und „Zwitterkarten“). Die „Tischkarten“ darf man vor sich ableben, die Handkarten muss man auf der Hand behalten, sie werden erst am Spielende komplett zur eigenen Auslage dazugezählt. Die Handkarten sammeln sich in der Hand eines jeden Spielers und beengen seine Auswahl an ablegbaren Tischkarten. Notfalls kann man sie natürlich aber auch auf den Markt geben.
Fazit: Das Glück der gezogenen Karten bedeutet die halbe, wenn nicht die ganze Miete.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (vielleicht hat das Spiel Absacker-Qualitäten), Günther: 5 (minus, das Spiel reizt mich – im Gegensatz zu „7 Wonders“ – überhaupt nicht), Walter: 5 (zuerst planmäßiges, später zufälliges Hantieren mit Plus-Minus-Karten; Kenner sind unterfordert, Enkelkinder noch überfordert).
3. “Newton”
Auch dieses Spiel haben wir letzte Woche zum ersten Mal aufliegen gehabt. Begrenzt in der Interaktion, aber vielseitig in den Zugfreiheiten.
Walter versuchte diesmal, seinen Gelehrten bei sämtliche Universitäten des Abendlandes vorbeizuschicken. Zusätzlich brachte er sogar gleich drei Famuli zur Strecke, kam in Endeffekt aber nicht über den Studentenstatus hinaus. Letzter! Ohne ein Buch, bleibst Du Eunuch.
Aaron und Günther wussten, wie man Newton beeindruckt: mit Büchern, Büchern, Büchern! In den letzten Runden scheffelten sie ihre Siegpunkte nur so auf ihr Konto und zogen als stattliche Professoren in das Walhall der Wissenschaften ein. Mit vielen Büchern, entgehst Du Newtons Flüchern!
Dazu mussten sie natürlich in den „Lehrstunden“ jede Bücherrolle aufnehmen, derer sie habhaft werden konnten. Die Konkurrenz hier ließ fast den solitären Charakter des Spiels vergessen.
Äußerst friedlich zogen wir unsere Kreise. Keiner kontrollierte Kosten- und Einnahmen bei den Zügen der Mitspieler. Jeder dachte über seinen eigenen nächsten Zug nach, auch wenn er nicht dran war. Selbst der Denker Günther kehrte seine spielerische Ader hervor und verzichtete auf ein noch genaueres Ausrechnen seines jeweils besten Zuges. So konnten wir das Spiel eine geschlagene Stunde schneller beenden als letzte Woche, wo nur Moritz mit seiner Jeden-Zug-in-einer-Sekunde-Manie uns den Atem verschlagen hatte.
WPG-Wertung: Günther setzte sich mit 8 Punkten an die Spitze der Scorer vom Westpark („Ich fand das jetzt sehr schön“).