Wir sind immer von Herzen froh, wenn wir ein schönes Spiel kennenlernen und in unserer Spielkritik eitel Lob und Honig fließen lassen können. Das Leben ist leider nicht immer so. Deshalb haben wir uns besonders gefreut, als uns vom urlaubenden Günther folgende Zeilen erreichten:
“Hallo, das diesjährige 2-Personenspiel Highlight in unserem Urlaub ist “7 Wonders – Duell”. Eine gute Prise Zufall, nicht zu lang, spannend. Schöne, auf das 2-Personenspiel angepasste Draftingmethode. Vorzeitige Gewinnmöglichkeiten durch Überlegenheit in Militär oder Wissenschaft erfordern ein ständiges Beobachten des Gegners.
Trotzdem genügend leicht und locker für ein gelungenes Urlaubsspiel! Ein echtes Highlight!
VIP Wilhelm schlug in die gleiche Kerbe:
Diese Einschätzung kann ich zur Gänze bestätigen. Auch ich halte “7 Wonders – Duell” für ein sehr gutes Zweierspiel – genau in der Art, wie Günther es beschrieben hast.
Und wo wir gerade dabei sind, kann ich meinerseits ebenfalls eine Empfehlung beisteuern, die mir und allen meinen (Viel-)Spielgruppen in letzter Zeit sehr positiv aufgefallen ist: “Costa Rica” (Lookout Games). Es ist ein glücksabhängiges Familienspiel (da höre ich den Münchner Westpark bereits kollektiv aufstöhnen), dabei aber spannend und ebenso kurz wie kurzweilig. Selbst in grübellastigen Runden sollte man nach einer halben Stunde fertig sein. Hauptspielprinzipien: Can’t Stop-Effekt und Set Collection. Auch gut zu fünft spielbar.
1. “Rokoko”
Als Deckbuilding-Spiel kündigte es uns Helmut an. Auch wenn dahinter Strategie stecken kann, was bekanntlich zu unseren Vorlieben zählt, ist es immer mühsam, in solche Spiele einzusteigen. Zu verstehen, welche Karten man aufnehmen und sammeln bzw. von welchen man sich zu welchem Zeitpunkt trennen soll, ist eine Wissenschaft für sich. Und ehe man dies halbwegswegs verstanden hat, ist ein Spiel schon vorbei. Und wenn man ein Spiel nur einmal spielt, was bekanntlich ja auch eine unserer Schwächen ist, ist das gesammelte Wissen höchstenfalls für eine post mortem Diskussion nutzbar.
Doch zum Glück ist „Rokoko“ kein „Deckbuilding-Spiel“. Wir fangen zwar alle mit einem Deck von Aktionskarten an und können es im Laufe des Spiel verändern, anreichern und ausdünnen, doch dieser Effekt geht im Grundrauschen der tausend Siegpunktquellen, die es an ungezählten Stellen im Spiel bereithält, völlig unter. Aaron assoziierte das Regelwerk nach Helmuts didaktisch vorzüglich aufgebautem Vortrag sogleich mit einer „Feld’schen Siegpunkt-Suppe“.
Drei Aktionskarten aus unserem Kartendeck dürfen wir uns für jede der sieben Spielrunden verdeckt auswählen. (Dabei müssen wir das Kartendeck wrap-around ausnutzen.) Reihum spielt jeder einzeln eine Karte aus und führt die entsprechende Aktion durch.
Alle Aktionskarten, selbst diejenigen, die wir uns im Laufe des Spiels erst aneignen, sind entweder Meister oder Geselle oder Lehrlinge im Schneiderberuf. Davon kann ein jeder:
- auf dem offenen Markt Stoffe, Garn oder Spitzen einkaufen,
- sind in den Ruhestand begeben, d.h. sich selbst aus dem Stapel der Aktionskarten eliminieren,
- den Rokoko-Hof des Spielbretts gegen Geld mit Springbrunnen, Feuerwerk, Musikern oder Statuen beleben.
Der Geselle kann zusätzlich
- Kleider schneidern und sie entweder verkaufen, um damit Geld zu machen, oder sie verleihen, um damit in den Sälen des Hofes auf Siegpunktefang auszugehen,
- die “Gunst der Königin” empfangen, d.h. in der nächsten Runde Startspieler werden.
Der Meister kann weiterhin zusätzlich
- Kollegen einstellen, d.h. eine der ausliegenden neuen Aktionskarten in sein Deck aufnehmen.
Jede einzelne der Aktionskarten hat noch weitere individuelle Nebeneffekte, wie Geldeinnahmen oder Zusatzaktionen. Nicht alle Meister sind gleich, genauso wenig wie alle Gesellen oder alle Lehrlinge.
Der Markt für Stoffe, Garne und Spitzen ist beschränkt, nicht alle Stoffarten stehen in unbegrenzter Menge zur Verfügung; vor allem unterscheiden sich die angebotenen Pakete auch in der Menge der zu kaufenden Objekte. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, muss allerdings auch mehr dafür bezahlen.
Die zu schneidernden Kleider sind in Stoffart und Appreturen genau vorgeschrieben. Außerdem liegen sie in einer fest vorgegebenen Reihenfolge vor. Wer ein Kleid aus den höheren Positionen dieser Reihenfolge fertigstellen will, muss zusätzlich noch eine Menge Geld dafür hinlegen.
Neue Kollegen einzustellen, ist (fast) in jedem Fall empfehlenswert. Wer zuerst tätig wird, muss auch mehr bezahlen. Alles ganz ausbalanziert. Der Vorteil, der Erste zu sein, ist mit feinen Sticheleien vergällt. (Nicht wirklich.)
Siegpunkte gibt es am Spielende
- für die meisten und zweitmeisten verliehenen Kleider in jedem der fünf Säle des Hofes,
- für die meisten und zweitmeisten veranstalteten Feuerwerke,
- für verschiedenes Sonderbesitztum.
Wer sich in der letzten und vorletzten Runde mit der Aktion “Kollegen einstellen” einen der dort angebotenen “Prämien-Kollegen” zugelegt hat, bekommt zusätzlich massig (!) Siegpunkte
- für sein übriges Garn und Spitze,
- für bestimmte Kombinationen von verliehenen Kleidern,
- für die Anzahl Aktionskarten in seinem Schluss-Kartendeck.
Alles liefert Siegpunkte, solange man bei einem Engagement der Erste oder der Zweite ist. Und weil alle Spieler nur eine begrenzte Aktionsreichweite haben, bleibt für jeden etwas übrig, wo er sich an die Spitze stellen kann.
Drei Mitspieler sahen vor lauter Siegpunktquellen kein Land mehr, nur Helmut hatte einen Peil und ging mit Strategie und Taktik seine Mehrheiten an. Nach drei (!) Stunden Spielzeit hatte er 83 Siegpunkte auf seine Seite gebracht, über 40% mehr als der Zweitplatzierte. Da er in jeder Runde auch mindestens einen neuen Kollegen eingestellt hatte und somit 4 Aktionen durchführen konnte, bekam er im Durchschnitt 3 Siegpunkte pro Zug. Viel oder wenig? Zumindest sollte man die kleinen Mehrheitsprämien nicht verachten und die großen Siegpunktquellen, vor allem diejenigen, die durch Prämien-Kollegen erst zu sprudeln beginnen, sich gezielt nutzbar machen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Spiel dauert viel zu lang), Helmut: 7 (das Spiel hält viele Taktiken bereit, die aber nicht alle in den Griff zu kriegen sind; die Bonus-Karten am Ende stellen ein Balance-Problem dar. Ein sehr gutes 2-er Spiel mit der spielbegeisterten [wo gibt’s das schon!] Ehefrau; der Deckbuilding-Mechanismus ist nur rudimentär umgesetzt), Moritz: 6 (eine individuelle Siegpunkt-Maximierung ohne viel Interferenzen, das Thema ist aufgesetzt; fraglich, ob ich es noch einmal spielen möchte), Walter: 6 (solide, alles rund und schön, aber – gerade deswegen – ohne den gewissen Kick).
2. “Abluxxen”
„Rokoko“ hatte Platz nur noch für einen Absacker gelassen. Da Helmut aber aus einem anderen Spielestall kommt, sollte er bei uns zugleich auch noch ein neues Spiel kennenlernen. Da kam „Abluxxen“ gerade recht.
Entweder wurden die Karten zu gleichmäßig gut / schlecht verteilt oder wir waren alle zu brav eingestimmt (kann eigentlich nicht sein), oder in einer 3er Runde spielt es sich halt zwangsläufig so: Mehr oder weniger linear spielte jeder seine eigene Kartenhand ab. „Abluxxen“ konnte nur ein Bruchteil seiner spritzigen Überraschungseffekte zeigen. So wie ein rassiges Rennpferd eingespannt vor den Ackerpflug.
WPG-Wertung: Unser „Spiel der Monats April 2014“ mit unisono guten Wertungsnoten zwischen 8 und 9 erhielt von Helmut „nur“ vorsichtige 7 Punkte („kein Kommentar“).