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09.04.2014: Denken, Husten und Stechen

Bridge ist ein Stichkartenspiel wie viele andere. Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Stichkartenspielen besteht darin, dass man den ganzen Abend mit einem festen Partner zusammenspielt. Die Stiche zählen nur gemeinsam und entsprechend reizt man nicht ausschließlich sein eigenes Blatt reizt, sondern man muss partnerorientiert vorgehen, um den Kontrakt zu finden, der zur unbekannten Kartenhand des Partners am besten passt.

Natürlich wäre es hilfreich, durch Grimassen oder Gesten a la „Watten“ dem Partner Hinweise über die Besonderheiten in der eigenen Kartenhand zu geben. Doch das ist strengstens verboten. Und damit sich auch betrügerische Naturen unter den Spielern an dieses Gesetz halten müssen, werden bei bedeutenderen Turnieren Sichtschirme quer über die Spieltische aufgestellt, so dass die jeweiligen Partner auf getrennten Seiten sitzen, sich nicht sehen und dementsprechend keine versteckten Signale austauschen können.

Jetzt wurden zwei Bridgespieler, „the German Doctors“ Elinescu und Wladow, Senioren-Weltmeister des Jahres 2013, vom Welt-Bridge-Verband überführt, sich über die Sichtschirme hinweg geheime Informationen zu den Kartenverteilungen übermittelt zu haben: durch HUSTEN! Einmal Husten bedeutet eine Kürze in Kreuz, zweimal Husten eine Kürze in Karo usw. … Offensichtlich reichte dieser geringe zusätzliche Informationsaustausch dafür aus, Weltmeister zu werden.

Ein Entsetzensschrei geht durch die Bridge-Welt. Man kann es noch gar nicht fassen! Ist der Husten-Code – mittels Video-Aufzeichnungen bei mehr als 20 Austeilungen dokumentiert – zweifelsfrei nachgewiesen oder doch nur Zufall? Der Welt-Bridge-Verband ist sich sicher. Letzte Woche wurden die beiden in erster Instanz für internationale Turniere lebenslänglich gesperrt. http://neapolitanclub.altervista.org/wp-content/uploads/2014/03/Hearing21-22March2014.pdf. Der Deutsche Bridge Verband ist aufgerufen, dieses Urteil unverzüglich für den nationalen Bereich zu übernehmen.

Wie schrieben wir noch ganz naiv vor vier Wochen in unseren Session-Report: „Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!“

1. “UGO!”

Ein Stichkartenspiel. Fünf Kartenfarben mit Zahlen zwischen 0 und 8. Man muss bedienen. Die höchste Zahl bekommt den Stich. So weit so gut.

Jeder Spieler sortiert die pro Stich gemachten Karten und legt sie offen auf (maximal) fünf Farbstapeln („Königreiche“ genannt) vor sich aus. Die Karten der nachfolgenden Stiche können zwar in sich beliebig geordnet werden, doch sie müssen immer oben auf die bereits ausliegenden gleichfarbigen Königreiche draufgelegt werden. Z.B. müsste eine in einem späteren Stich gewonnene rote Null auf eine vorher gewonnene rote Acht gelegt werden. Warum ist das von Bedeutung? Weil am Ende ausschließlich die obersten Zahlen in jedem Königreich als Siegpunkte gewertet werden.

Die ersten beiden Königreiche zählen hierbei grundsätzlich positiv, die weiteren drei Königreiche liefern zunächst mal Minuspunkte, falls dort eine gewonnene Karte liegt: sogar gleich ganze 10, 15 bzw 20 Stück davon! Erst durch das Platzierung einer Anzahl von Bauern in den negativen Königreichen bringen hier liegende Karten Pluspunkte ein. Dementsprechend muss man im Laufe eines Spieles unbedingt zwei, fünf oder mehr „Bauern“ gewinnen, um die hohen Minuspunkt-Zuteilungen zu verhindern.

Und wie gewinnt man Bauern? Das ist die eigentliche geniale Idee des Spieles. Wer einen Stich mit einer Drei oder Vier gewinnt, bekommt zwei Bauern. Wer einen Stich mit der fünf, sechs oder sieben gewinnt, bekommt einen Bauern. Wer eine Eins oder Zwei ausspielt und ein andere Spieler bekommt den Stich (was bei diesen Zahlenwerten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall sein dürfte), bekommt keinen, einen oder zwei Bauern, je nachdem ob der Stich mit der gleichen Farbe gewonnen wurde oder mit einer anderen.

Durch diese Technik erhält jede der Zahlenkarten 0 bis 8 eine eigene, und durchaus spannende Bedeutung: Mit hohen Karten kann (manchmal auch „muss“) man Stiche machen. Sie bringen in den positiven Königreichen auch entsprechend viele Siegpunkte. Die niedrigen Karten sind Laviermasse. Wenn man sie nicht zwangsweise zum „falschen“ Stich zugeben muss, bringen sie garantierte Bauern. Zudem können sie einem Mitspieler ein hochgerüstetes Königreich versauen. Die mittleren Karten sind Hoffnungsträger. Sie können Bauern einbringen, aber nur mit etwas Glück: Glück in der gesamten Kartenausteilung und Glück in der Reihenfolge, wie zu den einzelnen Stichen ausgespielt wird.

In jedem Fall eine neue, hübsche Spielidee.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (extrem glückslastig durch die Quantensprünge in der Punktwertung), Günther: 6, Moritz: 5 (man trifft keine spannenden Entscheidungen), Walter: 6 (lockeres Glücksspiel mit erträumbarer Planbarkeit).

Bau-Szenerie von "Trains" - wer sieht die Gleise liegen?
Bau-Szenerie von “Trains” – wer sieht die Gleise liegen?

2. “Trains”
„Dominion für Eisenbahnfreunde“ kündete Günther das Spiel an.

Jeder Spieler bekommt ein Kartendeck, von dem er pro Zug jeweils fünf Karten – zufällig und wrap-around gezogen – nutzen kann.

Es gibt „Baukarten“ (Gleisbau, Brückenbau, Bahnhofsbau), die eine entsprechende Bau-Aktion erlauben, Geld-Karten (die hier seltsamerweise „Zug“-Karten heißen: Regionalzug, Fernzug, etc.), mit denen man seine Bau-Aktionen bezahlen muss, oder mit denen man Karten aus einer offenen Auslage zur Erweiterung seines Kartendeckes kaufen kann – bessere Züge, Sonderkarten für Siegpunkte und Kartenpflege und ähnliches – und die nachgekauften Sonderkarten, z B. eine Mülldeponie, mit der man Nieten aus seinem Kartendeck entfernen kann.

Wie kommen die „Nieten“ auf die Hand? Jede Bau-Aktion erzeugt unausweichlich Müll, den man in Form von Müll-Karten in sein Kartendeck aufnehmen muss. Eine lobenswerte ökologische Einsicht. Müllkarten haben keinerlei Nutzeffekt, weder plus noch minus. Wenn man bei der zufälligen Auswahl seiner fünf Karten für einen Spielzug lauter Müllkarten gezogen hat, kann man gar nichts tun, den Spielzug vergessen und auf den nächsten Spielzug warten. Der glücklicherweise relativ schnell kommt, denn allen Spielern steht mit ihren gezogenen Spielzug-Karten nur eine recht begrenzte Auswahl an Zugmöglichkeiten zur Verfügung.

  • Mal dürfte man bauen, hat aber kein Geld.
  • Mal hat man Geld, darf aber nicht bauen.
  • Mal hat man Mülldeponien, aber keinen Müll.
  • Meist hat man Müll aber keine Mülldeponien.
  • Mal kann man mit dem gezogenen Geld gerade eine einzige der ausliegenden Sonderkarten kaufen.
  • Und was dergleichen unglücklicher Fügungen mehr sind.

Eine geile Kartenkombination ist Glücksache. Oder natürlich Resultat von außergewöhnlicher Genialität beim Zukaufen der Sonderkarten. Moritz verfolgte hier konsequent einen ausgeklügelten Deck-Building-Plan. Vor allem konnte er mit seiner „Schutthalde“ auf Teufel-komm-raus bauen, ohne neue Müllkarten aufnehmen zu müssen. Mit 26 Siegpunkten wurde er unangefochten Erster. Walter hatte keinerlei Peil und fühlte sich bis zum Spielende gespielt. Mit 23 Punkten landete er weit abgeschlagen am Ende. Dazwischen verloren sich Günther und Aaron.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte mehr als „Dominion“. – für die Bau-Szenerie. Bei allen Deck-Building-Spielen müsste man zuerst alle Karten studieren; das ist bei Spielbeginn leider zu zeitaufwendig; und wenn man das ausgiebig getan hat, ist das Spiel hinterher trivial), Günther: 7 (Dominion-Freak; war ständig am Verteidigen des Spielprinzips gegenüber Walters Meckereien über die 0-Freiheiten-Situationen. Wird vielleicht eine Analyse der Karten durchführen und publizieren. Oder auch nicht), Moritz: 9 (ich hatte einen Plan; mir hat es Spaß gemacht; das einzige Eisenbahnspiel, das mit gefällt), Walter: 4 (hätte lieber unten im Wohnzimmer gesessen und sich im Fernsehen den Sieg vom FC Bayern angeschaut, anstatt Runde für Runde seine 0-Freiheiten-Züge abwickeln zu müssen).

3. “Schokoly”

Jeder bekommt vier quadratische 2-mal-2 Plättchen in die Hand, bei denen jedes Teilquadrat in einer von drei Farben eingefärbt ist. (Da wir mit Schokolade spielen, sind die Farben schokoladig passend: Vollmilch, Zartbitter und Hell.) Jeder Spieler wählt eine Farbe als seine Siegpunktfarbe aus.

Reihum legt nun jeder Spieler jeweils ein Plättchen zu einer gemeinsamen großen Fläche auf den Tisch. Dadurch entsteht ein Mosaikmuster mit mehr oder weniger großen zusammenhängenden Farbformationen. Wessen Siegpunktfarbe die größte zusammenhängende Fläche bildet, der hat gewonnen.

Damit das ganze aber seine topologische Planbarkeit (a la „Go“ oder „Twixt“) verliert, darf man Plättchen auch in einer zweiten Ebene über die bereits gebaute Fläche drüberbauen. Damit kann man jedes vorhandene Muster zerstören und der Konkurrenz den schönsten Kontinent in lauter kleine Inseln zerfallen lassen.
Soll man wirklich bei jedem Zug überlegen,

  • mit welchem seiner vier Plättchen an welchem Platz man kurz-, mittel- und langfristig die größte Flächenwirklung erzielen kann?

oder

  • mit welchem der ungezählten Plättchen die Gegner unsere wohlgeplante und wohlgebaute Fläche zum Zerfallen bringen können?

Jeder einzelne Zug könnte Jahre dauern! Da lassen wir doch lieber das Denken sein, und legen mit Hoffnung und Gefühl unsere Plättchen, eines nach dem anderen, auf den Tisch! Doch wer von uns kann schon das Denken sein lassen? Und ist das überhaupt im Sinne der Erfinder von „Schokoly“? Wohl kaum.

Wir nutzten sogar noch die „Chili“-Erweiterung: Jeder Spieler bekommt zu Beginn ein Chili-Plättchen, mit dem er noch mehr Unfug auf der ausgelegten Fläche anstellen kann: Plättchen drehen, vertauschen oder wegnehmen. Überflüssig wie ein Kropf. Oder noch mehr Unberechenbarkeit in ein von Grundprinzip her als Planspiel angelegtes Spiel. Offensichtlich gibt es unter den Brettspielern doch weitaus mehr Chaoten als Strategen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für die 4-Personen-Variante), Günther: 6 (davon 1 Punkt für die Schololade), Moritz: 3 (für jeden Mitspieler einen Punkt) , Walter: 3 (es könnte ein schönes, kontemplatives Topologie-Spiel sein, wenn nicht durch die zweite Legeebene dem totalen Chaos Tür und Tor geöffnet worden wäre).

4. “Scharfe Schoten”
Das 5-Punkte-Spiel “Scharfe-Schoten” von letzter Woche setzte sich heute gegen das 7-Punkte „Abluxxen“ durch! Zumindest Walter kann sich zu dieser Entscheidung bekennen, da er von Moritzens mitgebrachtem Single Malt und vom Zittersieg des FCB schon ziemlich abgeschlafft war, und ihm jetzt der Sinn eher auf einem No-Brainer stand. Man sieht, selbst – von uns – abqualifizierte Spiele können hin und wieder deutliche Positionsvorteile gegenüber – von uns – qualifizierten Spielen aufweisen.

WPG-Wertung: Moritz: 4 (mit einem „gefällt mir nicht“ schwang er sich auf sein Fahrrad und verschwand)

5. “Skat”

Ja richtig, ein stinknormales Skat bildete den Absacker. Es ging darum, zu demonstrieren, ob ein durchschnittliches Skat-Spiel – einschließlich Mischen und simultanem Palavern – in drei Minuten absolviert werden kann.

Im ersten Spiel bekam Günther einen Null. Seine einzige Schwäche war Kreuz B 10 9 8. Aaron spielte Pik-8 aus und Günther warf den Kreuz-Buben ab. Offensichtlich hatte er zwei Piks gedrückt. Zum zweiten Stich spielte Walter Kreuz 7 von A und 7 aus. Aaron musste die Dame legen, und Günther hatte gewonnen.

Vielleicht hätte es hier noch eine Möglichkeit gegeben, dass Aaron eine seiner beiden Kreuz-Karten abwerfen kann, Walter dann zuerst das Kreuz As spielt und anschließend Günther mit der 7 zu Fall bringt. Doch soviel Zeit für die Post-Mortem-Analyse leisteten wir uns nicht. 2 Minuten 45 Sekunden.

Im zweiten Spiel bekam Günther einen Grand mit Dreien. Super Hand, lediglich zwei Herz-Luschen im Blatt. Beidesmal konnte Walter hierauf eine Zehnen schmieren – Schneider frei, immerhin. Nach dem vierten Stich claimte Günther. Zeitsumme: 6 Minuten.

Im dritten Spiel bekam Walter ein ziemlich dünnes 5-Trumpf-Herz-Spiel ohne Zwei. Seine Nebenfarben waren gut, die Trümpfe standen 3:3 und und die Karo-Schwäche blieb bis zur Trumpf-Elimination unentdeckt. Zeitsumme: 9 Minuten 40 Sekunden.

Fazit: 3 Minuten pro Spiel sind nicht unrealistisch. Allerdings darf hier keiner ständig lästig nachfragen „Wer muß geben / Wer muß reizen / Wer spielt aus?“. Vom unendlichen Nachdenken über zwei-drei Spiel- und Ausspiel-Alternativen ganz zu schweigen.

Offen blieb die Frage: Wieviel Punkte würden wir für „Skat“ vergeben, wenn wir es heute zum ersten Mal kennenlernen würden. Eine Menge „neuer“ Spielelement gegenüber ALLEN anderen Stichspielen hat es auf jeden Fall. Man spielt auch ausschließlich gegen die Raffinessen des Mitspieler und nicht gegen die Fallstricke in den Regeln. Zudem ist es ein ständiger Quell von Freude und Schadenfreude. Warum sollte es nicht 10 Punkte wert sein?

Keine WPG-Wertung.

02.04.2014: Stichspiele resp. Scharfe Schoten ablutschen

„Könnten wir nicht vielleicht ausgeglichenere, ausgefülltere, glücklichere Menschen sein, weniger gehetzt, weniger überarbeitet, weniger gestresst, weniger infarktgefährdet, weniger neurotisch, weniger zu Depressionen und innerer Einsamkeit neigend, wenn wir auf etwas Geld, etwas Wohlstand, etwas Karriere, etwas Macht und Einfluss, etwas gesellschaftliches Prestige verzichten und zum Beispiel mehr spielen würden?“
(aus Warwitz / Rudolf : „Vom Sinn des Spielens“)
Und warum spielen wir? Dazu geben Warwitz / Rudolf auch gleich eine Antwort:

  • weil wir viel Lebensenergie und Dynamik in uns verspüren
  • weil wir nach harter Arbeit nach Entspannung und Erholung verlangen
  • weil wir uns mit neuen Geräten, Menschen und Techniken spielerisch vertraut machen wollen
  • weil wir uns von latenten Ängsten befreien wollen
  • weil wir einer unbefriedigenden Lebensrealtität entfliehen wollen
  • weil wir einen angeborenen Spieltrieb haben

Also auf, Ihr dynamischen, schwer malochenden, unerfahrenen, verängstigten Trieb-Träumer, auf zum Spiel!

1. “Skull King”
„Schädel-König“ nennt sich dieses „piratenstarke Stichspiel“, aber es bekennt gleich in der Einleitung, dass es sich hier nicht um Mord und Totschlag auf den Weltmeeren, sondern um harmlose Stiche auf dem Spieltisch handelt. Wie beim „Tarock“ oder „Wizard“ und einigen anderen gleichgelagerten Spielen geht es darum, vorherzusehen und vorherzusagen, wieviele Stiche man bei einer bestimmten Kartenausteilung bekommt.

Gespielt wird mit Zahlenkarten in vier Farben. Eine Farbe davon ist Trumpf. Reihum spielt jeder Mitspieler zu einem Stich aus. Farben muss man bedienen; wenn man nicht bedienen kann; darf man jede andere beliebige Karte zugeben. Wie man das von einem normalen Stichkartenspiel erwartet, bekommt derjenige den Stich, der von der ausgespielten Farbe die höchste zugibt; ist eine Trumpfkarte dabei, dann bekommt der höchste Trumpf den Stich.

Gewürzt wird das ganze durch ein paar Sonderkarten, die das vorhersehbare Stichpotential etwas aufmischen, und die man unter Umgehung des Bediengebotes jederzeit spielen darf:

  • Die „Escape“-Karten sind die niedrigste Karten, mit der macht man nie einen Stich. (Außer alle Spieler spielen ausschließlich „Escape“-Karten zu einem Stich).
  • Die “Mermaid”-Karten sind die zwei-höchsten Karten, höher als jede Farbkarte; sie werden aber noch von den „Piraten“-Karten überboten.
  • Eine „Scary Mary“-Karte kann entweder als „Escape“ oder als „Pirat“ eingesetzt werden. (Nun ja, das macht das Kraut auch nicht mehr fett.)
  • Der „Skull-King“ sticht die Piraten und bringt in diesem Fall auch noch Sonderpunkte ein. Um das Versteckspiel noch etwas zu intensivieren, stehen die „Mermaid“-Karten über ihm: also King vor Piraten vor Mermaid vor King ….

Die Sonderkarten bringen etwas verschlungene Würze in die lineare Stich-Logik. Wir haben deutlich mehr Freiheiten beim Abspielen unserer Kartenhand. Kalkulieren ist gut, gegenläufige Ambitionen sind schlecht, und der Zufall lacht dazu. Der lockere Charakter des Spiel zeigt sich schon in der ersten Runde, wo nur eine Karte je Spieler ausgeteilt wird. Hier die höchste Karte zu haben und das auch noch richtig zu erraten, ist reine Glückssache. Als lockeres Glücksspiel sollte man den Schädel-König ansehen, selbst wenn der Anteil an individueller Spieltaktik für eine erfolgreiche Stich-Vorhersage bei steigender Kartenzahl deutlich zunimmt.
Schadenfreude spielt eine große Rolle, weil man oft genug einem Mitspieler seine Stich-Vorhersage willentlich vermaseln kann. Und das ist doch auch schon was.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als „Wizard“), Günther: 6 (ein Wizard-Clone, nicht besser, nicht schlechter), Peter: 6 (weil es lustig ist), Walter: 7 (eigentlich weniger Punkte, weil die Idee nicht neu ist, doch die Balance zwischen Planen-Können und Zufalls-Entscheidung ist gut gelungen.)

Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen
Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen

2. “Scharfe Schoten”
Wir spielen mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel. Jeder Spieler gibt rundum eine Karte zu einem Stich zu; man muss bedienen; die höchste Karte gewinnt. Wie beim Bridge gilt: Pik sticht Herz sticht Karo sticht Kreuz. Die Asse aller Farben sind die höchsten Karten.

Jeder Spieler muss vorhersagen, von welchen Farben er am Ende die meisten und die wenigsten Karten in der Summe seiner Stiche hat. Richtiges Raten bringt Siegpunkte. Eine große Differenz zwischen den meisten und den wenigsten der richtig geratenen Kartenfarben ebenfalls. Soweit so gut

Doch „Scharfe Schoten“ wird nicht mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel gespielt. Die Karten haben die abstrakten Farben rot, grün, gelb und blau. Die Farbreihenfolge wird bei jedem Spiel neu ermittelt. Zufällig. Außerdem sind nicht die Asse die höchsten Karten, sondern von jeder Farbe ein eigener, ebenfalls pro Runde neu ermittelter zufälliger Kartenwert. So muss man bei jedem Spiel – für nix und wieder nix – umdenken, und kämpft mit der jeweilig neuen Rangfolge anstatt mit der eigenen und den fremden Kartenhänden.

Schadenfreude kommt selten auf. Schließlich kann man ja nicht wissen, welchen Wert ein Stich für einen Mitspieler am Ende bedeutet. Meist muss man zu einem Stich zugeben und hat ohnehin keine Wahl für Taktik und Kartenpflege. Und welche Farben die bösen Mitspieler uns zu einer hochwertigen Karte, zu einem stichbringenden As dazugeben, das haben wir auch nicht in der Hand. Reiner Zeitvertreib. Als Hinweis, was man mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel auch noch anfangen kann, wäre es ein marginaler Dienst an der spielenden Menschheit gewesen. So ist es – böse formuliert – lediglich ein überflüssiger Beitrag auf dem globalen Markt für Spielmaterialien!

Aaron hatte schon in der Testphase des Spiels mitgewirkt. Damals hieß es noch „Alles Kacke“ und auf den „Scharfen-Schoten“-Plättchen waren lauter entsprechende Häufchen abgebildet. Vielleicht war die „Kacke“ aber bereits patentiert und man hat in der Terminologie von der zweiten auf die dritte Phase der Menschwerdung umgeschaltet. Zumindest Peter sah in den Schoten von Karotten, Meerrettich und Paprika lauter Phalloi. Vielleicht ist dies der Mehrwert von Autor und Verlag.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nach zuerst 7 [sieben] Punkten! [Alle fragten sofort mehr oder weniger aggressiv nach: „Warum 7 Punkte?“. Peter argwöhnte: „Weil du Tester gewesen bist?“; Entrüstetes Zurückweisen. Eine verbale Begründung für sein Wohlwollen wollte Aaron nachliefern, doch bis zum Ende des Spielabends haben ihm dazu die Worte gefehlt; vielleicht reicht er sie als Kommentar nach]), Günther: 5 (bringt etwas Neues, das aber leider nur chaotisch ist), Peter: 5 (das Spiel läuft sehr mechanistisch ab, möchte es nicht noch einmal spielen), Walter: 4 (noch mehr denken, noch mehr Abhängigkeit vom zufälligen Geschehen bei den Schotten)

3. “Abluxxen”
Wie heute bereits zweimal gehabt besteht das Spiel aus Karten mit den Zahlen 1 bis 13. Von jeder Zahl gibt es acht Stück. Dazu noch 5 Joker.

Jeder Spieler bekommt 13 Karten auf die Hand; sechs weiter kommen in eine offene Auslage, die restlichen Karten bilden den verdeckten Nachziehstapel. Jeder legt reihum eine Kartenkombination aus seiner Hand vor sich aus. Erlaubt sind einzelne Karten und jedes beliebige Vielfache der gleichen Zahl. Fast wie bei Romme. Am Ende zählt jede ausgelegte Karte als ein Spiegpunkt, jede noch in der Hand behaltene Karte als Minuspunkt. Ebenfalls fast wie bei Romme.

Jetzt kommt der Kniff: Legt ein Spieler bei seinem Zug genauso viele Karten ab, wie einer oder mehrere seiner Mitspieler gerade als oberstes Päckchen in ihrer Auslage haben, und wenn die neu gelegten Karten einen höhere Zahlenwert aufweisen als die bereits auf den Tisch liegenden, so muss der Spieler diese Päckchen von allen betroffenen Spielern entweder auf seine Hand nehmen oder zerstören. Die betroffenen Mitspieler dürfen/ müssen dann aus der offenen allgemeinen Auslage oder vom verdeckten Nachziehstapel entsprechend viele Karten nachziehen. Das „dürfen“ im vorstehenden Satz gilt für den Spielanfang und bei lukrativen Karten in der Auslage: da wird das Nachziehen als positiv empfunden: mit den nachgezogenen Karten kann man gegebenenfalls hübsche Kombinationen in seiner Kartenhand aufbauen. Bei Spielende, oder wenn man gerade eine hohe Kombination gleicher Zahlen abgelegt hat, gilt für das Nachziehen nach dem „Abluchsen“ eher ein „müssen“: Man bekommt einen Haufen Einzelkarten auf die Hand. Anstatt weniger, sorgsam gesammelter gleicher Zahlenkarten, die man in seinem nächsten Zug alle auf einmal ablegen wollte um das Spiel mit 0 Minuspunkten zu beenden, hat man auf einmal eine ganze Menge lästiger Einzelkarten aufgehalst bekommen, von denen bei Spielende garantiert noch ein erheblicher Anteil als Minuspunkte auf der Hand bleiben wird.

Wir spielten mit großem Lerneffekt:
In der ersten Runde versuchten wir uns sich gegenseitig möglichst viel abzuluchsen und – unter Inkaufnahme jeglichen Chaoses – möglichst viele Karten in die eigene Auslage zu bekommen.
In der zweite Runde trat das Abluchsen deutlich in den Hintergrund. Jeder versuchte jetzt in seiner Hand einen kleinen, Bestand weniger gleichen Zahlenkarten zu sammeln, mit denen er später in ein oder zwei unangefochtenen Zügen das Rundenende herbeiführen wollte. Das Aufnehmen von dicken Päckchen aus der Nachbarablage wurde auf einmal zu einem Risiko.
Nachdem Walter hier sehr erfolgreich agieren konnte (und auch erfolgreich agiert wurde), ging es ihm in der letzten Runde nur noch darum, möglichst ungeschoren die Karten seiner Hand ablegen zu können, ohne durch Abluchsen ein hohes Minuspunkt-Konto aufgehalst zu bekommen. Ein einziger Pluspunkt in dieser Runde reichte zum unangefochtenen Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7 (ganz lustig), Peter: 6 (“weil ich immer Straßen hatte”), Walter: 7 (ein Romme mit Kampfcharakter).

4. “Trans Europa”
Kurz vor seinem Tod 2007 hat uns der geniale Franz-Benno Delonge – Gott habe ihn selig – noch schnell ein hübsches Spielchen beschert. Auf Europas Weiten legen wir Gleise und bauen damit ein – früher oder später – zusammenwachsendes, gemeinsames Netz zu den individuellen Pflichtstädten, die jeder Spieler verbinden muss. Ein klare hübsche neue Spielidee. Spielerisch, konstruktiv, intuitiv und mit Bluff-Elementen.

Schon 14 mal habe wir das am Westpark gespielt. Als Absacker ist es genauso geeignet wie zum Aufwärmen. Auch hübsch und erfrischend für eine Runde zwischendurch. Oder für eine spielerische Aufklärungsstunde mit den nicht-spielenden Nachbarn, sowie als Betthupferl für und mit den (hoffentlich bald 8 jährigen) Enkeln.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel. [Warum ist das bei uns eigentlich nie „Spiel des Monats“ geworden? Tragik der Koinzidenz!]

5. “Bluff”
Mit einer Minderheit von 4 Würfeln stand Peter im Endspiel gegen Günthers 5. Durch gutes Würfeln und taktisch richtiges Setzen konnte er 5 mal hintereinander dem (die erste Runde) Führenden je einen Würfel abluchsen. Im letzten Wurf würfelte er sogar noch zwei Sterne nach. Günther blieb einen Würfel schuldig.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.