1. “Der Turmbau zu Babel”
Günther fängt langsam an, seine Berge von gesammelten Spielen, die in Keller und Küche die Regale vollstopfen, so peu-a-peu zu verscherbeln (siehe seine Angebote unter Boardgame-Geek). Aber bevor er sich von ihnen trennt, bringt er sie noch einmal zum Westpark, um sich entweder den Abschied zu erleichtern oder um die Schachteln doch noch einmal für ein paar Jahre zurückzustellen. Heute war „Der Turmbau zu Babel“ dran.
Vor 15 Jahren haben wir dieses Knizia-Spiel erstmals gespielt, und weil wir damals noch recht stark zu Hans-im-Glück, dem gerade aufgestiegenen, hell leuchtenden Stern der deutschen Spieleverlage aufschauten, haben wir das Spiel auch gleich zu unserem „Spiel des Monats“ gewählt.
Damals haben wir auch noch regelrechte Rezensionen verfasst, während wir uns heute bekanntlich ja mit lockeren Session-Reports begnügen. Wer jetzt zum „Turmbau“ mehr Informationen von uns will, kann den damaligen Report unter https://www.westpark-gamers.de/index.html?/Reviews/bericht158.html nachlesen.
Die Herausforderung des Spiels ist ein feilschlerisches Abwägen mit Karten. Wie viele davon sollte man einem Mitspieler als Baubeteiligung anbieten? Die dafür eingehandelten Vorteile sind unter Umständen klein, kleiner als wenn man selber als Bauherr fungiert. Aber wenn die Beteilung abgelehnt wird, bekommt man von der „Bank“ eine Belohnung, die umso höher ist, je größer die angebotene Beteilung war. Also sollte man damit auch schon ans Limit gehen. Ein hübscher Konflikt zwischen Geben und Nehmen.
Allerdings ist das Ganze schon fast repetitiv, denn Bau ausschreiben, Beteiligungen abfragen, gewünschte annehmen und ungewünschte ablehnen, das ist schon das ganze Spielgeschehen. Dazu kommt noch ein taktischen „Passen“, um sich weitere Karten-Munition zuzulegen. Wenig, aber rund und ausbalanciert. Und am Ende spitzt sich der Kampf um die Top-Prämien noch einmal richtig zu. So wie sich das für ein gelungenes Spieldesign gehört.
Weil das Ganze auch schon nach schnellen 24 Runden zu Ende ist, fällte das Repetitive überhaupt nicht ins Gewicht. Das Spiel würde auch heute noch bei uns punkten. Walter erhöht seine Wertung von 6 Punkten auf 7.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, ein „trockener Knizia“, der mich nicht vom Hocker hebt), Günther: 7 (mit wenig Mechanismen viel Interaktion erzeugt; das Spiel ist in der heutigen Zeit wohl nicht mehr so marktfähig, weil die Freaks mehr Regeln fordern. Andererseits: Damals galt „der Turmbau“ als ein „Familienspiel“, heute sind die Regeln dafür wohl schon zu kompliziert), Walter: 7 (statt 6; endlich mal wieder ein Spiel, bei dem die Angabe der Spieldauer am Westpark stimmt!)
2. “Tallinn”
Was soll ich über ein Spiel schreiben, vor allem, was soll ich daran kritisieren, das überhaupt nicht für uns vorgesehen ist. Aber wir haben es schließlich gespielt, trotz Walters Anregung, beim zweitem Mal hinter seine Geheimnisse zu kommen, nur ein einziges Mal, und schließlich wollen wir hier ja auch unsere Aktivitäten dokumentieren.
In „Tallinn“ bekommt jeder Spieler einen identischen Satz von 10 Karten, auf der in unterschiedlicher Anzahl, auch gemischt, rote, gelbe und blaue Köpfe zu sehen sind, insgesamt 38 Stück, durchschnittlich also 3,8 Köpfe pro Karte. 38 lässt nicht durch 3 teilen, es gibt also nicht gleich viele Köpfe von jeder Farbe, aber das stört natürlich keinen großen Geist.
3 von diesen 10 Karten hat jeder Spieler jeweils auf die Hand nehmen und darf davon pro Zug eine auswählen und offen in seine private Reihe von Karten legen. Hier wächst demnach ständig die Anzahl von ausgelegten roten, gelben und blauen Köpfen.
Das Besondere an den Karten ist, dass die Köpfe darauf in zwei Teile aufgeteilt sind, und jeder Spieler beim Auslegen unterscheiden muss, ob er die Köpfe der rechten oder die der linken Kartenhälfte in seiner Reihe zur Geltung bringen will.
Bei 4 der 10 Karten passiert nach dem Auslegen überhaupt nichts. Das ist ruhig, fast kontemplativ. Auch bei den anderen sechs Karten passiert nichts, wenn man beim Ablegen von ihnen lediglich die reine „Kopfhälfte“ nutzen will. Nutzt man von ihnen aber die „Wertungshälfte“, dann bekommt man Siegpunkte, wenn man mehr rote, gelbe oder blaue Köpfe (je nach Farbe der Wertungskarte) hat, als jeder einzelne der Mitspieler. (Warum man diesen Vergleich „im Uhrzeigersinn“ anstellen soll, das weiß nur der Autor; wir sind nicht dahinter gekommen.) Ein Mitspieler aber, der seinerseits mehr Köpfe der Wertungsfarbe ausliegen hat als der „Wertungsspieler“ bekommt nichts. Nur der Spieler der Wertungskarte kann punkten.
Wer eine Wertungskarte spielt, darf dann noch eine der ausliegenden Karten in seiner Reihe umdrehen. Die darauf abgebildeten Köpfe kommen damit „in den Turm“, wo sie für eine Endwertung zählen (wie schön!), sie gehen aber der aktuell ausliegenden Kopfzahl verloren (wie schlecht!). Nach der Spielregel darf man sogar eine Karte aus der Hand in den Turm geben, was aber ein ziemlicher Blödsinn ist, denn damit hat man eine (oder sogar zwei!) Karten weniger auf der Hand und muss für die letzten Züge seinen Mitspielern das Feld allein überlassen. Na ja, vielleicht ergibt diese Option ganz am Ende noch einen gewissen Sinn, da sind die Züge ohnehin eher kontemplativ. Vielleicht haben wir dieses Spiel, freigegeben ab 10 Jahre, auch einfach nicht verstanden.
Haben alle Spieler ihre 10 Karten abgelegt, wird eine dicke Wertung ausgelöst: Wieder wird die Anzahl der roten, gelben und blauen Köpfe jedes Spieler mit der entsprechenden Anzahl der Mitspieler verglichen (bitte wieder streng im Uhrzeigersinn!) und entsprechend werden Siegpunkte verteilt. Diesmal sogar doppelt so viele wie bei der Wertung via „Wertungskarte“.
Die Turmwertung bringt dann noch einmal das Dreifache der simplen Wertung, hier kommt allerdings pro Spieler nur eine einzige Farbe, seine „Maximalfarbe“ ins Spiel.
Wir haben überschlägig ausgerechnet: In einer Dreierrunde kann man über die Einzelwertungen maximal 6 mal 2 = 12 Siegpunkte machen. Theoretisch. Praktisch wohl kaum, weil irgend ein Mitspieler in irgendeiner Farbe bestimmt nicht zu toppen ist. Über die Turmwertung kann man ebenfalls maximal 12 Punkte machen; irgend ein Mitspieler wird damit aber auch 6 Punkte abstauben. Die finale Wertung der Farben kann allerdings 6 mal 4 = 24 Siegpunkte einbringen. Das ist sogar praktisch möglich. Vor allem wenn die beiden Mitspieler fleißig in die Türme investieren und die Köpfe in ihren ausliegenden Reihen ausdünnen.
Sollten die Spieler deshalb die Türme ignorieren? Ist das die Herausforderung des Spiels? Wer weiß! Walters Anregung der Spielwiederholung blieb ja ungehört. Aber vielleicht hätten wir das Spiel noch viel öfters wiederholen müssen, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Wir haben darauf verzichtet. Im Alter wird es immer leichter, Geheimnisse der Welt einfach links liegen zu lassen.
WPG-Wertung: Günther: 4 (ich weiß nicht, ob wir dem Spiel Unrecht tun), Walter: 4 (wenigstens die Karten sind schön), Aaron: 4 (nicht einmal die Karten sind schön).
Da gab es einen Spielefreund, der legte sich Tallinn zu, um damit bei einem Besuch in Estland zu glänzen. Pech gehabt. Die Esten haben hinten und vorne vergeblich gesucht, was das Spiel Tallinn mit ihrer Hauptstand zu tun haben soll. Dabei hätten sie sich doch bloß die Rückseite der Karten anschauen sollen. Eine größere Ähnlichkeit der Karten mit der namengebenden Stadt findet man nicht einmal bei schon fast legendären „Sankt Petersburg“.