1. “Time of Crises”
Die „Krisenzeiten“ beziehen sich auf das spätantike römische Reich, das in der Flut von barbarischen Eindringlingen und einheimischen Usurpatoren unterging. Mittels Aktionskarten müssen wir unsere Aktionen steuern, uns politische, militärische oder populare Machtstellungen aneignen und ausbauen, und damit Siegpunkte anhäufen. Begehrt ist das punkteträchtige Amt des Römischen Imperators, allerdings ist es auch umkämpft, und weil man hier bei den Scharmützeln gegen alle Mitspieler und noch dazu gegen den römischen Mob schnell seine Kräfte verzetteln kann, ist dieser Posten ein zweischneidiges Schwert.
Vor gut fünf Jahren lag das Spiel zum ersten (und einzigen) Mal bei uns auf. Jetzt hat sich Moritz ein Expansion-Set dazu angeschafft, mit weiteren Aktionskarten, vor allem aber mit Regeln für mehrere Stohmänner-Rollen, so dass man dieses Spiel jetzt sogar als Solo-Variante spielen kann. Das kam uns gerade recht, denn wir konnten den Corona-erkrankten Aaron durch einen Stohmann ersetzen.
Jeder Spieler hat – nach der Wahl seiner Aktionskarten (wrap around, einschließlich Kartenpflege via Erwerb von mächtigeren Karten und dem Abwerfen der billigen Startaufstellung) – eine ganze Reihe von Optionen, in welcher Richtung er sich entwickeln will. Politik ist potent, besonders in Zusammenarbeit mit dem Militär, das mittels „eleganter Kampfwürfel“ (Moritz Lieblingausdruck, hier absolut zutreffend) zu den begehrten Machtpositionen verhilft.
„Time of Crises“ ist kein Aufbauspiel; es geht nicht darum, sich eine sichere Stellung und darin eine siegpunkt-generierende „Maschine“ aufzubauen, es geht eher darum, flexibel auf die aktuelle Situation (Stärken und Schwächen der Mitspieler auf dem Brett, Möglichkeiten der eigenen Kartenhand sowie auf schwächelnde lukrative Operationsgebiete) zu reagieren und pro Zug einen möglichst großen Punktreibach zu zelebrieren.
Moritz kannte sich mit den Haken und Ösen der Mechanismen am besten aus. Er hatte zuhause ja auch schon ausgiebig mit den Dummies geübt. Heute riss er sich blitzschnell den Römischen Imperator unter den Nagel und sauste auf der Punkteleiste davon. Günther versuchte, in der syrischen Provinz, einer Schwachstelle von Moritz‘ Hausmacht, ihn ein paar Federn lassen zu lassen, aber die Kampfwürfel waren dagegen. Walter versuchte es dann erst gar nicht, Moritz kleinzukriegen. Zudem hatte er mit Moritz ein – kontraproduktives – Stillhalteabkommen in Ägypten vereinbart. So wendete er sich antivandal von Afrika nach Spanien, um dort die bescheidenen Positionen von Dummy-Aaron zu beseitigen.
Moritz, der die Dummy-Züge kontrollierte, würfelte Aaron-spezifisch grottenschlecht, so dass Aaron ohne nennenswerten Widerstand Spanien aufgeben musste und stattdessen seinen Lebensabend in den weichen Betten der Pariser Lebewelt verbrachte. Walter gönnte ihm dort das militärisch reichlich abgesicherte Vie Douce und zog mit seinen Armeen in das leichtfertige Italien, wo ihm unversehens – Moritz schwächelte gerade – das Amt des Römischen Imperators zufiel. Allerdings hatte er dummer- oder unglücklicherweise unmittelbar zuvor dort einen aufrührerischen Mob installiert, der ihn auch in Sekundenschnelle aus diesem Amt wieder verjagte. Günther erbte für einen Appel und Ei diese Position und machte in dieser Runde so viele Punkte, dass er fast noch Moritz‘ Sieg gefährden konnte. Aber nur fast: als stolzer Imperator läutete der mit 64 Punkten das Spielende ein.
Wenn ich nach dem heutigen Abend den vorigen Spielbericht vom 21.7.2017 lese, dann wundere ich mich über unsere damalige schlechte Bewertung. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron (der richtige) die Reihenfolge, zuerst die Aktionskarten auswählen zu müssen und dann erst die Aktionen der Mitspieler und die bedrohlichen Zufallseffekte der Barbaren beobachten und darauf reagieren zu können. Das würde ich heute nicht mehr unterschreiben. Die Kartenauswahl ist ohnehin sehr eingeschränkt, und in diesem See&Attack&Roll-Spiel steht Flexibilität an oberster Stelle.
Vor 5 Jahren kam uns „für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär“ die Spielzeit viel zu lang vor. Ja, wenn man gewohnt ist, 4 Stunden lang Eisenbahngesellschaften zu betreiben und Investitionen in Aktien, Lokomotiven und Strecken scharf zu kalkulieren, dann muss man in der „Krisis“ seinen intellektuellen Spielermotor ganz schön herunterfahren.
Würde Günther heute immer noch urteilen: „Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!! »Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte, das ist die gesamte Gewinn-Strategie«“? Gestern habe ich ihn nicht gefragt, heute hat er noch nicht geantwortet.
Bleibt Moritz bei seinen „nur“ 7 Punkten, weil „die einzelnen Züge zu lange dauern“? Zumindest Walter hebt seine bisherigen 4 Punkte auf 6. Viele Elemente der römische Militärpolitik sind hübsch integriert. Man kann tatsächlich „Visionen“ haben, wie man sein Spiel gestalten möchte, und es gibt viele Freiheiten, sein Süppchen zu kochen. Und wenn das Schicksal (oder der Würfel) einen Strich durch die Rechnung macht und einen auf die weichen Betten der Pariser Lebewelt reduziert: auch dort kann man sein Vergnügen haben. Mehr als in den Schützengräben vor Sewastopol.
WPG-Wertung: Noch nicht aktualisiert.
Nachträglich Günthers Meinung zum heutigen Spiel:
„Haben wir es diesmal denn richtig gespielt??
Moritz‘ Aussage, letztes Mal wäre es nicht so schlecht angekommen, stimmt nicht …
Den Dummy hätte man weglassen können – dann wäre es auch etwas kürzer gewesen.
Die Kritikpunkte von letztem Mal stimmen weiterhin.
Ich werde bei 4 (bis 5) Punkten bleiben. Ich bin ja bekanntlich nicht so der Fan von diesen Kriegswürfelspielen :-)“
2. “Cat in the Box”
Unser neuer Absacker hat nichts von seiner Eleganz verloren.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8 Punkte Spiel.