Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen. Es gibt halt noch andere Beschäftigungen auf dieser Welt, die das Leben schön und lebenswert machen. Aaron sielte sich erst in den Niederungen des Transvaal, jetzt im Augenblick auf dem Hochplateau der Spielwarenmesse in Nürnberg, Andrea schrieb ein neues Buch, Moritz eine neue Oper, und Günther eine neue Application zum Berechnen der WPG-Wertungsnoten für weniger als einmal gespielte Spiele. Walter schrieb gar nichts, denn er wartete vergeblich auf den Musenkuss. Bleiben noch Peter, der im Vatikan Leichen ausgräbt, und Horst arbeitet wie immer hart und zahlt die Steuern, die die Regierung momentan so dringend benötigt!
Immerhin bekam Walter jetzt doch endlich einen zaghaften Kuss. (Von der Muse!) Denn auch im Neuen Jahr haben wir schon einmal gespielt. Datum: siehe oben! Teilnehmer: ein Trio, siehe unten!
1. “Die Portale von Molthar”
Horst spielt – wie die meisten von uns – nicht nur am Westpark, sondern er hat noch private Kreise, in denen er seine Spielleidenschaft ausleben kann. Nicht immer wird dort ein so harte Gebräu verkostet wie am Westpark. Manche, wahrscheinlich die meisten Mägen der Kurz- oder Mittelstreckenspieler, sind nur leichtere Kost gewöhnt. Für so einen Leichtludistenkreis hat Horst im Internet zwei Spiele vom Autor Johannes Schmidauer-König bestellt, und sie am Westpark auf ihre Verdaulichkeit testen lassen.
“Die Portale von Molthar” ist ein zweistufiges Kartensammelspiel.
- Zuerst nehmen wir reihum vom offenen Auslagestapel eine “Zahlenkarte” nach der anderen auf die Hand,
- dann reservieren wir uns eine der beiden öffentlich ausliegenden “Siegpunktkarten”.(Dies geht auch in umgekehrter oder in gemischter Reihenfolge.)
- Und zum Schluss aktivieren wir unsere reservierten “Siegpunktkarten”, indem wir genau diejenigen “Zahlenkarten” hinblättern, die für die “Siegpunktkarte” gefordert sind, das kann sein:- eine oder mehrere Zahlenkarten mit fest vorgegebenen Wert
– ein Paar, Drilling oder Vierling gleicher Zahlenkarten
– Zahlenkarten, derer Werte zusammen eine vorgegebene Summe ergeben
– drei gerade oder drei ungerade Zahlenkarten
– und was der Zahlenkombinationen mehr sind
(Das sieht jetzt wie ein dreistufiges Spiel aus, ist es aber nicht. Die beiden Stufen sind: 1. Zahlenkarten sammeln und 2. für Zahlenkarten Siegpunktkarten kaufen.)
Ein paar Limits (für die Anzahl von Zahlenkarten auf der Hand und für die Anzahl reservierter Siegpunktkarten) lassen von dem breiten Weg zum Himmelreich nur noch einen schmalen Pfad übrig, ohne dass das Ganze aber zu einer hochgeistigen Herausforderung ausartet.
Aktivierte Siegpunktkarten haben zudem noch den angenehmen Nebeneffekt, z.B. dass wir damit an den Werten unserer Zahlenkarten drehen dürfen (aus fünf mach sex), oder dass wir damit automatisch für jeden Zug eine zusätzliche virtuelle Zahlenkarte mit einem festen Wert zur Verfügung haben.
Strategie? Das muss doch nicht sein! Manche Spielerkreise kommen auch ohne aus. Man zieht die Karten nicht vorausschauend planbar, sondern von der Hand in den Mund: die Zahlenkarten hoffnungsvoll je nach den Siegpunktkarten in der Auslage und die Siegpunktkarten illusionslos je nachdem, was man sich mit seinen Zahlenkarten gerade leisten kann.
Am Westpark uns könnte das schnelle Spiel (15 Minuten) für 2 bis 5 Mitspieler ab 10 Jahren (na ja!) zuweilen durchaus als Absacker in Aktion treten.
WPG-Wertung: Günther: 5 (in einer lockeren Runde mehr Punkte wert), Horst: 6 (abhängig von der Runde, in der man spielt; stellt keine großen Ansprüche, aber das ist nicht tragisch), Walter: 5 (schnell, locker, leichtgewichtig).
2. “Discoveries”
Der Spielidee liegt die historische Expedition von Meriwether Lewis und William Clark zugrunde, die auf Anweisung von US Präsident Jefferson vom Mississippi bis zum Pazifik vordrangen. Und zurück. Diese Expedition war auch schon Vorbild für das Spiel „Lewis & Clark“ von Cédrick Chaboussit (WPG-Durchschnittsnote 5,8). Diesmal wird viel gewürfelt, mit fünf eigenen und mit einer variablen Anzahl neutraler bzw. von den Mitspielern temporär erbeuteter Fremdwürfel.
Jeder Spieler würfelt mit seiner aktuellen Würfelpopulation und platziert das Ergebnis in seinem Würfelvorrat. Danach nutzt er daraus alle Würfel mit einer frei wählbaren, einheitlichen Augenzahl (auf den Hexawürfeln sind dafür Symbole aufgedruckt) und platziert sie auf Aktionsfeldern in seinem Tableau, für die die entsprechende Augenzahl vorgesehen ist. Hat er in einem Aktionsfeld alle vorgeschriebenen Würfel platziert, darf bzw. muss er den damit definierten Zug ausführen.
Züge bestehen in der Regel darin, zu Fuß bzw. per Pferd ein paar Pfade an Land oder mit dem Kanu ein paar Flüsse zu erkunden. Schafft es ein Spieler, mit seinen Erkundungszügen die auf offen ausliegenden „Entdeckungskarten“ vorgeschriebene Anzahl von Land- und Fluß-Erkundungen in der richtigen Reihenfolge alle zu durchzuführen, darf er sich diese Entdeckungskarte aneignen. Aus den während des Spiels angesammelten Entdeckungskarten ergeben sich in der Endwertung die Spiegpunkte eines Spielers.
Neben den Erkundungszügen gibt es „Freundschaftszüge“ (anderen Augenzahlen zugeordnet), mit denen man sich Ratschläge von Indianern einholen kann. Diese bestehen aus Zusatzwürfeln (wie schön!) sowie aus Aktionskärtchen, die ganz analog wie die vorgegebenen Aktionsfelder auf dem Spielertableau zum Platzieren von Würfeln dienen. Die Herausforderung des Spieles besteht also darin:
- gut zu würfeln
- seine Würfel auf optimale Aktionsfelder zu platzieren
- die Aktionsfelder in der richtigen Reihenfolge zu vollenden, damit daraus eines der ausliegenden Entdeckungskarten fällig wird
- freundschaftlich zu den Indianern zu sein, um seinen Würfelvorrat zu vergrößern und weitere Aktionsfelder zu generieren
- gut zu würfeln, um mit vielen einheitlichen Augenzahlen möglichst viele und zwar die richtigen Aktionsfelder komplettieren zu können.
- siehe oben …
Das klingt vielleicht leichter als getan oder zufälliger als man planen kann, ist aber eine echte geistige Herausforderung, die beim ersten Spielen garantiert noch nicht beherrschbar ist. Beim Strecken nach der Decke (mit den geworfenen Augenzahlen) auch noch die richtigen Seiteneffekte der zusätzlichen Aktionskärtchen zu berücksichtigen, und sich auf diejenigen Entdeckungskärten zu konzentrieren, die in der Summe hinterher am meisten einbringen, überforderte alle unsere guten Geister.
Man kann grübeln, braucht aber nicht! Gelacht wird hingegen auf keinen Fall.
WPG-Wertung: Günther: 7 (schwankt zwischen 6 und 7, möchte die Herausforderungen des Spiels noch besser studieren), Horst: 8 (mag generell die Würfelkombinatorik, „ich liebe es, mit Würfeln zu hantieren“), Walter: 6 (schwankt zwischen 6 und 7, begrenzte Interaktion).
3. “Träxx”
Das hübsche, kleine Kartenspiel zum Ziehen der schnellsten Verbindungen zu lukrativen Zahlen und zum möglichst vollständigen Ausfüllen des farbigen Routen-Blattes lag am 18. November letzten Jahres zum ersten Mal auf. Horst kannte es noch nicht und durfte heute seinen Senf dazu geben. Es wurde sogar gelacht.
WPG-Wertung: Horst hob den bisherigen WPG-Schnitt von 5,5 mit einer glatten 7 über die 6-Punkte-Schwelle (simpel, schnell, ein Spiel für meine „andere“ Runde!).