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Hippodice Autorenwettbewerb 2013: Der Sieger steht fest

Dieses Wochenende veröffentlichte der Hippodice Spieleclub die Liste der Sieger seines diesjährigen Autorenwettbewerbs.

Die ersten drei Plätze gingen an:

  1. ROMA – Kampf um die Überreste Roms – Steffen Brückner (D)
  2. Steam Noir: Revolution – Daniel Danzer (D)
  3. Rothenberg – Phil Walker-Harding (AUS)

“Steam Noir: Revolution” wurde bereits als Startnext-Projekt gestartet und geht in den nächsten Tagen in die Finanzierungsphase.

Der Sonderpreis für das beste 2-Personenspiel ging an Arve Fühlers “Die Pagoden von Dra Chen“, der für das beste abendfüllende Spiel an “Heinrich IV: Ein König auf Reisen” von Christian Scheibner

Ganz besonders freuen wir uns, dass beide von Aaron eingereichten Spiele es in die Endrunde (“Yunnan“) bzw. auf die Empfehlungsliste (“Trawler“) geschafft haben.

Wir gratulieren den Autoren ganz herzlich zu diesem Erfolg!

 

 

03.10.2012: Teufeleien in der Industrie von Santa Cruz

Die Dreier-Runde schwelgte im reichlichen Platzangebot am runden Tisch vom Westpark. Horst machte den Moritz, Walter machte den Günther und Aaron versuchte eine neue Stellung auf dem Stammplatz von Loredana.

Horst war hochbeglückt, sich gleich mit drei seiner Spielvorschlägen durchsetzen zu können. Kein vermeintlicher alter Platzhirsch dominierte die Auswahl.

1. “Santa Cruz”
Ein Besiedelungsspiel von Marcel-André Casasola-Merkle. Schon beim Regelvortrag ließen seine einfachen, sauberen, wohlkonstruierten Mechanismen einen gefälligen Vorgeschmack aufkommen.

Jeder Spieler erhält einen unterschiedlichen Satz von Bewegungskarten, um per Schiff, per Kanu oder zu Fuß die Insel „Santa Cruz“ zu betreten, hierauf herumzulaufen und durch das Bauen von Häusern, Türmen und Kirchen ein paar kleckrige Siegpunkte zu erwerben.

Die Lage der Bauplätze ist auf dem Spielplan festgelegt, die zulässige Bebauungsart wird erst offenbart, wenn man sich dem Bauplatz nähert. Dann erkennt man auch dessen Sondereigenschaften wie: Fischreichtum, Schafsherden, Goldadern, Salzgruben oder Vogelnester.

Das spielentscheidene Element sind unterschiedlichen Wertungskarten, von denen jeder Spieler drei Stück in der Hand hält, mit denen er zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Besitzstandswertung auslösen kann. Wer dann z.B. ein Haus mit Fischreichtum besitzt oder vier Häuser am Fluss gebaut hat, bekommt einen richtig klotzigen Siegpunkt-Bonus.

Eine Wertung gilt für alle Spieler, nicht nur für den, der sie auslöst. Zum guten Spiel gehört es demnach, seine Wertungskriterien möglichst schnell zu erfüllen und die Wertung auszulösen, bevor die Mitspieler die Kriterien ebenfalls erfüllt haben. Dahinter steckt natürlich auch eine gute Portion Glück; weniger in der Technik, sich selbst zu belohnen, aber umso mehr darin, bei den Wertungen der Mitspieler mitzuprotifieren. Vor allem, da zu Spielbeginn nicht bekannt ist, welche Wertungen überhaupt im Spiel sind.

Das ändert sich nach dem ersten Durchgang. Jetzt werden alle Gebäude abgeräumt und mit den gleichen Karten bei aufgedeckten Bauplätzen und bekannten Wertungen ein zweiter, ganz analoger Durchgang gespielt. Der Spieler, der aktuell hinten liegt, darf seinen Satz an Bewegungs- und Wertungskarten mit dem eines beliebigen Mitspielers tauschen. Hier sollte er vor allem auf Synergien bei den Wertungskarten achten. Wenn z.B. in zwei Wertungen das gleiche Kriterium (Fischreichtum) honoriert wird, dann kann man durch eine einzige Besitzart – früher oder später – gleich zweimal dafür Siegpunkte einheimsen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (schnell, locker, nette Mechanismen, Wiederspielreiz), Horst: 7 (möchte in seinen Wertungen seriöser werden), Walter: 7 (spielerisch, konstruktiv, Planungbarkeit und Zufallseinfluß gut kombiniert).

2. “Little Devils”
An jeden Spieler werden je 9 Karten mit unterschiedlichen Zahlenwerten ausgeteilt. Der erste Spieler spielt eine beliebige Zahl aus, der zweite Spieler legt eine beliebige Zahlenkarte dazu und (quasi) so tun es alle weiteren Spieler. Dann wird der “Stich” gewertet: Ist die Karte des zweiten Spielers höher als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt höchste Zahl ausgespielt hat. Ist die Karte des zweiten Spielers niedriger als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt … niedrigste (claro) Zahl ausgespielt hat.

Stiche zu bekommen, ist kontraproduktiv, denn jede Karten zählt entsprechend der aufgedruckten Anzahl von Teufelsköpfen (bei „6 nimmt“ entspricht das den Hornochsen) negativ. Man sucht das tunlichst zu vermeiden. Wie macht man das? Leichter gesagt als getan. Der Ausspieler bekommt den neuen Stich offensichtlich niemals. Der zweite Spieler bekommt den Stich ebenfalls nicht, wenn er einen unmittelbar benachbarten Zahlenwert legt. Dann muss (bei drei Spielern) der dritte Spieler notgedrungen in den sauren Apfel beißen. Hat der zweite Spieler aber keine benachbarte Karte, so spielt er halt eine möglichst naheliegende Karte und kann nur hoffen, dass der dritte Spieler keine Karten mit einem Zahlenwert dazwischen hat. So einfach ist das. Es soll Schlimmeres geben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vielleicht ist es ab 4 Personen besser), Horst: 6, Walter: 4 (allein für Preis/Leistung; mehr oder weniger ein Dödelspiel, keine Strategie, keine Taktik, keine Kartenpflege, klein Plan).

3. “Industria”
In Zweifel, ob das 12 Jahre alte Spiel in unserer heutige Runde+Stimmung geeignet war, haben wir schnell mal beim geschätzten H@LL9000 nachgeschaut. Dort schrieb Kathrin Nos: „Wer bereit ist, sich auch über eine Kennlern-Partie hinaus mit Industria zu beschäftigen, und Versteigerungsspielen nicht generell abgeneigt ist, wird mit einem anspruchsvollen, spannenden und herausfordernden Spiel belohnt und erhält einen vielschichtigen strategischen Leckerbissen serviert.“ Das klingt doch mehr als vielversprechend!

Das Regelheft läßt uns ein zum Steuern unserer „Dynastie durch die industriellen Epochen von der Tongrube bis zum Roboterwerk. Erleben Sie die Entdeckung und Nutzung der Dampfkraft, die ersten Maschinen und die Elektrizität. Errichten Sie Fabriken und sichern sie ihrer Dynastie Wege und Schiffffahrtsrechte.

„Entdecken“ und „erleben“ ist ziemlich euphemistisch ausgedrückt. Es ist ein simples pomadiges Ersteigern, das uns mit diesen technischen Errungenschaften konfrontiert, die als mäßig bunte Kartonplättchen offen ausliegen. Haben wir ein Objekt-Plättchen ersteigert, haben wir zusätzlich die vorgeschriebenen Rohstoffe zum Errichten des Objekts zur Hand, und legen wir auch noch einen vorgeschriebenen Geldbetrag drauf, dann können wir unser Sägewerk, unsere Eisenhütte, die Kokerei oder die gentechnische Fabrik auch in Betrieb nehmen und Holz, Eisen, Koks oder Homunculi für den Eigen- bzw. Fremdbedarf erzeugen.

Der ach so spannende Verteigerungsprozess ist ein totgeborenes Kind. Reihum wechselnd wählt ein Versteigerer eines von drei ausliegenden Plättchen zur Versteigerung aus und jeder Mitspieler darf genau einmal einen Geldbetrag darauf setzen. Am Ende entscheidet der Versteigerer, ob er den höchsten gebotenen Geldbetrag nimmt oder sich das versteigerte Plättchen lieber selber aneignet. Und zwar kostenlos! Nimmt er es selber, so darf der nächste Spieler das nächste Plättchen versteigern. Nimmt der Versteigerer lieber den Geldbetrag und lässt einem Mitspieler das gebotene Plättchen, so behält er die Versteigerungsrolle und darf auch das nächste Plättchen versteigern. Und so weiter …

Aus Sicht der Mitbietenden ist das ziemlich witzlos, denn für ein attraktives Plättchen können sie soviel bieten wie sie wollen, am Ende nimmt es der Versteigerer – ätschebätsch – doch an sich, und zwar ohne Rücksicht auf die auktionistischen Bemühungen aller Mitspieler. Unattraktive Plättchen kann ein Versteigerer schon mal abgegeben. Dann bekommt er kostenlos ein bisschen Geld (falls es einem Mitspieler das wert erscheint). Von den übrigen ausliegenden Plättchen kann er sich später immer noch das beste unter den Nagel reißen.

Für den Versteigerer ist es allerdings ein gewisses Risiko, nur mal so aus Jux und Tollerei unattraktive Plättchen zu versteigern. Unter Umständen bleibt er darauf hocken und muss nun seine Versteigerungsrolle abgeben. Gegen dieses Wie-die-Jungfrau-zum-Kinde-Kommen hilft nur die Triviallösung: jeweils das beste Stück zur „Versteigerung“ auswählen und es sich selber aneignen! Das ist einfach und macht das Spiel schnell. Der ganze hier vorgeschaltete Versteigerungsmechanismus ist schlichtweg für die Katz.

Auch sonst läuft das Spiel ziemlich zäh ab. Die Spieler haben nicht das geforderte Baumaterial, um ihre Fabriken zu bauen. Nicht-gebauten Fabriken können das für andere Fabriken geforderte Baumaterial nicht herstellen. In jeder Epoche fehlt es an Saft und an Kraft. Und wenn ich dann doch mal mit Blut, Schweiß und Tränen eine Eisenhütte errichten konnte, dann gibt es im gesamten Spiel maximal mal drei Abnehmer, die Interesse an meinen Produkten haben, und ich kann mit maximal drei Gulden Einkommen mein Konto beglücken. (Was immer das auch wert sein mag.)

Eine totale Fehlkonstruktion ist das „Sägewerk“. Sein Bau kostet 3 Gulden, Siegpunkte liefert es keine und siegpunktträchtige Außenwirkungen besitzt es auch nicht. Es liefert lediglich Holz, das unter Umständen 2-3 Gulden einbringt. Ein glattes Verlustgeschäft. Der unglückliche Besitzer des Baugeländes lässt diesen seinen Bauplan besser in der Schublade.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Potential in Idee und Aufbau nicht genutzt, der Versteigerungsmechanismus ist „broken“), Horst: 6 (drückte sich selber in seinem Seriösierungsprozess um einen Punkt), Walter: 5 (siehe Aaron).

Über die Kernenlern-Partie hinaus werden wir uns wohl nicht mehr mit „Industria“ beschäftigen. Mein Gott, Bernd, Du hast 5 von 6 Punkten dafür vergeben! Da scheint der Michael mit seinen 3 Punkten doch eher unseren Geschmack zu repräsentieren.

4. “Trawler”
Der Abend war noch jung und Aaron durfte mit „Trawler“ seine zweite Eigenentwicklung unserem Hebammenteam vorstellen. Mit Trawler und Kutter schippern wir durch Wattenmeer und Hochsee, fangen Haie und kleine Fische, verscherbeln sie auf dem Jahrmarkt oder stellen damit ausgewählte Einkaufskörbe zusammen.

Aaron hat am Preistableau gedreht, ein neues Tiefkühlfach eingebaut und lässt fischelnde Fische verbrauchergesetzlich auf dem Müll landen. Die Balance des Ganzen sollte neu unter die Lupe genommen werden.
Leider hat uns der Autor zu Spielbeginn eine ganz wichtige Regel falsch handhaben lassen: Die Fische fliegen nicht von selber in unsere Laderäume, sondern wir müssen einen Teil der Energiepunkte unserer Fischereiflotte für deren Einladen ausgeben und können nicht alles allein für das Aufsuchen lukrativer Fischgründe verbrauchen.

Durch diesen Fehler waren alle viel agiler als vorgesehen. Die Laderäume wurden voll, die Fischgründe leer, die Kunden satt und das Spiel zu Ende. Leider keine einzige neue Erkenntnis über die aktuelle Balance. Aber in jedem Fall genügend Vorfreude auf den nächsten Test.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

PS
Hallo Birgit, grüß’ mir bitte den Beißa!

Grundlagen der Spiele-Entwicklung

Yunnan coverNachdem ich mich nun seit über einem Jahr mit der Entwicklung zweier Spiele beschäftige (“Yunnan” und “Trawler”) stelle ich fest, dass der Aufwand dafür erheblich größer ist, als anfangs gedacht. Zwischen den ersten Ideen für das Thema  und den Randbedingungen für die Mechanismen (“Strategiespiel mit viel Spielerinteraktion, Spielzeit unter 90 Minuten, keine oder nur wenige Glückselemente”) und der ersten wirklich spielbaren Version lagen viele Monate und etliche Themenwechsel. So wurde aus dem ursprünglichen Eisenbahnspiel ein Weltraumspiel und daraus dann das endgültige(?) Thema der Teelieferung aus Yunnan über die Tea-Horse-Road (ein dickes “Danke Schön” an Peer aus Berlin für den Tipp!). Beim etwas später entstandenen “Trawler”, dessen “Initialzündung” auf einer Tauchsafari in der Adamanensee stattfand, blieb das Thema (Hochsee-Fischfang) konstant und auch die Mechanismen passten von Anfang an recht gut. Zeigt sich da soetwas wie eine Lernkurve?Trawler cover

Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen mir, dass Spiele entwickeln doch irgendwie gelernt werden muss. Kreativität alleine reicht nicht, denn viel Schweiß fließt in das Balancieren der Spielmechanismen und deren Parameter. Von einer “Vermarktung” der Prototypen wollen wir hier noch gar nicht reden.

Die Jahresbände der Spieleautorentagung boten zu vielen Theman bereits eine erste Hilfestellung, aber dennoch habe ich das Gefühl, viel zu wenig Wissen mitzubringen, um vielleicht eines Tages ein eigenes, von einem Verlag produziertes Spiel in den Händen halten zu können.

Eher durch Zufall stieß ich auf Christward Conrads Seminar “Grundlagen der Spiele-Entwicklung”, das diese Jahr zum vierten Mal in Bad Homburg abgehalten wird (brettspiele.de.to/fortbildung-fuer-spieleautoren.html). Das Programm klingt interessant, der Kontakt zu anderen Spieleautoren vielversprechend, und die Möglichkeit, in neuer Runde die eigenen Spiele zu testen ist auch noch gegeben. Was will man mehr?

Also habe ich mich für das Seminar angemeldet und freue mich auf interessante Vorträge, Diskussion und Kontakte. Und wer schon immer mal einen Westpark Gamer persönlich kennenlernen wollte, selber Spiele entwickelt oder entwickeln möchte und vom 14.9. bis 16.9.2012 Zeit hat nach Bad Homburg zu kommen, kann sich ja noch bei Christward anmelden.

04.05.2011: Cuba und andere große Fische

Fliegende Panzer in Flugverbotszonen, Privatvillen als Kommandozentralen, Lynchjustiz aus Notwehr, mörderische Mitfreuden unter christlicher Führung, Meerbestattung als Entsorgung, das waren die thematischen Schlagwörter nach dem Absacken.
Ach laßt uns doch lieber die Augen zu machen und spielen!
1. “Cuba”
Wir befinden uns auf der Zuckerinsel noch vor der Revolution. Wir lassen muskulöse Arbeiter darin werkeln, um Baustoffe (Wasser, Holz und Stein) für unsere Plantagen herzustellen, wir bringen unsere Rohstoffe (Tabak, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte) von attraktiven Händlerinnen zum Markt, um damit Geld zu machen. Wir lassen uns von hemdsärmeligen Architekten Fabriken bauen, in denen unsere wohlgeformten Vorarbeiter für die Veredelung unserer Rohstoffe (zu Rum und Zigarren) sorgen. Und unsere smarten Bürgermeister lassen die Waren zu den Schiffen im Hafen bringen und streichen die Siegpunkt-Erlöse ein.
Dazwischen beeinflussen wir die Gesetzgebung, um auf unsere eigenen Resourcen und Besitztümer größere staatliche Subventionen zu lenken als auf die unserer Konkurrenten.
Der Ablauf ist im Prinzip (natürlich nicht in den Details) ähnlich wir bei den „Burgen von Burgund“: Im Schweiße unseres Angesichtes müssen wir uns den Siegpunktsegen erarbeiten. Komplex, kompliziert und funktionell. Eine stimmige neue Kombination von vorhandenen bewährten Mechanismen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele fummelige Elemente), Günther: 7 (man braucht viel Erfahrung, um die Wirkungsweise und die optimale Position der verschiedenen Fabriken zum Umwandeln von Baustoffen und Rohstoffen in Produkte und Siegpunkte zu verstehen und zu beherrschen), Horst: 8 (hat das Spiel schon 4 mal gespielt, spielt es aber immer noch aus dem Bauch einfach drauflos), Walter: 7 (die Abläufe, vor allem bei der Konkurrenz, sind klarer vorhersehbar als bei den „Burgen“, insofern ist „Cuba“ planbarer. Wenn man es versteht.)
2. “Trawler”
Trawler PrototypAaron’s Eigenbau „Trawler“ hat mal wieder einen Reifegrad erreicht, der unter die Lupe genommen werden sollte. Schon die Schachtel, der Spielplan und das Material sahen so hübsch und professionell aus, dass Walter gleich den Prototyp-Status vergaß und gleich mit ergonomischen Verbesserungsvorschlägen ankam. Doch Aaron wehrte ab: „Bitte redet mir nicht über das Spielmaterial!“
Wir sind Fischer, schicken unsere Trawler auf Fischfang aus, erfüllen mit vorgeschriebenen Mengen an Krabben, Schollen oder Heringen unsere Lieferaufträge, verkaufen den überschüssigen Fang auf dem Markt, um mit dem Gelderlös unsere Flotte aufzurüsten, und versuchen bei all diesen Aktivitäten, möglichst viele Siegpunkte auf unser Konto zu bringen.
Die Konkurrenz ist groß, besonders die Fanggebiete in der Umgebung des Fischereihafens sind im Nu leergefischt. Wir müssen sehr schnell die Reichweite unserer Schiffe ausbauen, damit wir mit ihnen überhaupt noch ein Fischlein nach Hause bringen können.
Der Startspieler hat gewaltige Vorteile. Manchmal kann nur er noch mit seinem kleineren Kutter eine Beute einfahren; die anderen Spieler sollten in solchen Runden besser ihre Boote zur Aufrüstung in die Werft bringen,wenn sie sich nicht mit dem harten Brot von Hafenrundfahrten über Wasser halten wollen. Natürlich wechselt die Startspielerrolle reihum, und über jeden ergießt sich einmal ihr Füllhorn. Und natürlich kann man auch vorausrechnen, wann das sein wird, und seine Planungen entsprechend darauf einrichten. Doch krass ist dieser Effekt allemal.
Auch die anderen Spielelemente prasseln ziemlich brutal auf die Spieler herab. Wenn alle Dockplätze belegt sind, gibt es kein Aufrüsten, wenn die Hafenrundfahrten ausgebucht sind, bleibt das Schiffspersonal selbst von diesem Hartz-IV-Einkommen ausgeschlossen; wenn am – immer engen – Markt der letzte Hering verkauft ist, können wir evtl. unsere Lieferaufträge nicht erfüllen und müssen mindestens eine Runde länger auf neue Liquidität warten, was u.U. unseren Entwicklungszeitplan gewaltig durckkreuzen kann.
Doch wenn man sich erst einmal an diese krassen Elemente gewöhnt hat, dann zeigt sich die Farbigkeit des Gesamt-Designs. Alle Elemente funktionieren. Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, sondern muß mit Augenmaß die verschiedenen notwendigen Schritte tun, um flüssig zu bleiben, eine wohlproportionierte Fischereiflotte zu besitzen, reiche Fanggründe zu erreichen und in der Summe die lohnendsten Lieferaufträge zu erfüllen.
Dabei geht das alles sehr flott über die Bühne. Grade fangen wir an, in Geld und Flotte zu schwelgen, sind die Aufträge auch schon alle vergeben und das Spielende erreicht. Es braucht nur noch an wenigen Stellschrauben minimal gedreht werden, und wir haben ein rundes neues Spiel vor uns, das mit seinen schnellen, klaren und doch überraschenden Spielzügen gefällt bis entzückt.
Noch keine WPG-Wertung für diese Entwicklungsphase.
3. “Great Western”
Great Western - Spielbox EditionDer April-Ausgabe der „Spielbox“ lag dieses erste Spiel der “spielbox Wallace Edition” bei: zwei Papierseiten mit einer Landkarte von Südengland, auf der wir Eisenbahnstrecken bauen, Städteverbindungen herstellen und damit Siegpunkte einheimsen.
Der Spielablauf ist ganz einfach:
Pro Runde wird pro Spieler ein Zug zum Einsatz gebracht. Die Züge haben unterschiedliche Wertigkeit, die durch Würfel ermittelt wird: die mickrigsten Züge bringen gerade mal 0 (Null!) bis 1 „Marker“ (Währungseinheit) ein, die üppigsten Züge erlauben einen stolzen Ausbau zu siegpunktträchtigen Strecken.
Die Züge werden versteigert, Geld ist knapp. “Keep fully invested” ist sicherlich eine gute Devise, denn je mehr Städte man bereits verbunden hat, desto höher sind die rundlichen Einnahmen. Wer am Ende in Summe die lukrativsten Städte verbunden hat, ist Sieger.
Horst konnte sich – mehr oder weniger unfreiwillig – in den ersten Runden eine ganze Reihe billiger Städte südöstlich von London zulegen und hatte ständig die höchsten Rundeneinnahmen. Er konnte auch noch einen großen Satz von Portsmouth nach Yeovil tun, um auch im Westen Cornwalls mitzumischen. Damit sah er wie der sichere Sieger aus. Doch mit dem letzten Satz hatte er sich total verausgabt; in der anschließend notwendigen pekuniären Erholungspause wurde er von der weiteren Entwicklung nach Westen abgesperrt und konnte nur noch ohne weiteren Zugewinn vor sich hindümpeln.
Walter hatte – teils geplant, teils notgedrungen, teils zufällig – die Verbindung Swindon – Gloucester herstellen können und war damit unversehens in den Besitz des alleinigen Zugangs zur Krösus-Strecke nach Port Taliban gelangt. Während die Mitspieler mit langen Gesichtern das Auswürfeln der restlichen Züge abwarten mußten, ohne selber noch ins Geschehen eingreifen zu können, konnte Walter entspannt auf die Vollendung der Verbindung zu den letzten vier Städte warten, die sein Siegpunktpolster verdoppelte. Wir verzichteten auf das bittere Ende.
Peters übliche, etwas bösartige Einschätzung von Wallace’ Design-Technik war diesmal vollauf berechtigt: Einige hübsche Ideen, die aber in der Realisierung ein erhebliches Feintuning vermissen lassen.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Horst: 5, Walter: 6.
4. “Bluff”
Horst kämpfte als David mit einem einzigen Würfel im Endspiel gegen die vier Würfel vom Goliath Günther.
Seine erste Vorgabe: 2 mal die Eins. Günther hatte selber 2 Einsen, 1 mal die Drei und 1 mal die Fünf unter dem Becher. Anstelle mit dem logischen Goliath-Konter, 3 mal die Eins, den Sack zu zu machen, wollte er lieber einen eleganten Bluff-Sieg hinlegen und erhöhte auf 2 mal die Fünf. Horst hatte keine andere Chance als anzuzuweifeln und verkürzte so auf 1:3.
Seine zweite Vorgabe: 1 mal die Fünf. Günther hatte eine Fünf und einen Viererpasch unter dem Becher und fürchtete sich sowohl vor der logischen Goliath-Ansage 2 mal die Vier wie auch vor dem Risiko-Gebot 2 mal die Fünf. Sein abwartendes Zwischengebot von 1 mal Stern wurde von Horst ungerührt angezweifelt. Es stand nur noch 1:2.
Horst schwenkte jetzt auf Walters überlegene Immer-4-Strategie um und begann mit 1 mal die Vier. Günther hatte nur eine Eins und eine Drei unter dem Becher, da konnte ihm auch seine berüchtigte Immer-5-Strategie nicht aus der Patsche helfen.
Auch das 1:1-Endspiel konnte Horst spielend mit der Immer-4-Strategie zu seinen Gunsten entscheiden. Großes 3:1-Gelächter!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

02.03.2011 Die Katze ist noch da

In der Regel läuft die Planung unseres Spieleabends schnell und effizient: Walter schickt am Wochenende eine Einladungs-Email an unseren Verteiler und die übrigen Westpark Gamers antworten mit einem kurzen „bin dabei“ oder „kann nicht“. Gelegentlich knirscht es aber im Getriebe wenn von der gewohnten Routine abgewichen wird. So auch gestern. Letztendlich fanden sich wegen unnötiger bzw. unerwarteter Absagen gerade einmal drei Spieler zusammen und nicht bei Walter sondern bei Moritz. Die ungewöhnlich kleine Runde an ungewöhnlichem Ort führte dann auch zu einer eher ungewöhnlichen Spieleauswahl.

1. „Escape from the Aliens in Outer Space“

Das Setting erinnert im ersten Moment an den ersten “Alien” Film, denn die Spieler befinden sich in einem von Aliens verseuchten Raumschiff irgendwo im All. Aufgabe ist es, ohne gefressen zu werden eine Rettungskapseln zu erreichen. Das gilt für diejenigen Spieler, die die Rolle „Mensch“ zugelost bekommen haben. Die Spieler in der „Alien“-Rolle müssen versuchen, innerhalb von 36 Runden alle Menschen zu finden und zu verspeisen.

Je nach Spieleranzahl und gewünschtem Schwierigkeitsgrad werden entsprechende Raumschiffpläne an alle Spieler verteilt, auf denen die Startsektoren für Menschen und Aliens sowie die Position der Rettungskapseln, das Ziel der Menschen, markiert sind. Die Spieler bewegen sich durch die einzelnen Sektoren des Schiffs indem sie pro Runde den jeweiligen Zielsektor geheim aufschreiben. Dabei dürfen sich Menschen nur von Sektor zu Sektor bewegen, während Aliens zwei Sektoren weit ziehen dürfen. Manche Sektoren sind „unsicher“ und betritt sie ein Spieler, muss er eine Karte ziehen, die angibt ob er seine aktuelle Position verraten muss, ob er dabei lügen darf oder ob gar nichts passiert. Zusätzlich gewürzt wird die Atmosphäre damit, dass erst nach und nach durch Deduktion erkennbar wird, welcher Spieler einen Menschen spielt und wer ein Alien.

Ein bisschen erinnert das Ganze an „Scotland Yard“, dem Spiel des Jahres 1983. Und so ähnlich war auch das Spielgefühl in unserer 3er-Runde, in der es nur einen Mensch-Spieler gibt. In dieser Konstellation und mit dem von uns gewählten Plan ließ sich der Mensch-Spieler recht schnell orten und dann gezielt einkreisen. Mit ein wenig Glück auf der Alienseite war der Menschen-Moritz nach 18 Runden gefunden und gefressen.

Zu dritt funktioniert das Spiel zwar, aber so richtig Spaß macht es vermutlich nur, wenn im Raumschiff richtig etwas los ist, d.h. durch das Betreten unsicherer Sektoren laufend Positionsangaben gemacht und auf ihre Plausibilität hin überprüft werden müssen. Dann kann es im Eifer des Gefechts auch leicht einmal vorkommen, dass ein Alien aus Versehen ein anderes Alien verspeist.

WPG-Wertung: in einer 3er-Runde nicht wirklich zu bewerten. Aaron gefällt Scotland Yard wesentlich besser.

2. „Revolution!“

Schon seit einigen Wochen bringt Aaron „Revolution!“ regelmäßig mit zum Spieleabend aber bisher gab es immer genügend Neuheiten aus Essen, als dass ein Spiel von 2009 Chancen gehabt hätte, auf den Tisch zu kommen.

Die Spieler bieten verdeckt um die Kontrolle verschiedener Charaktere, die ihrerseits Siegpunkte, Einfluss in Gebieten und/oder „Währungen“ für die nächste Bietrunde gewähren. Das verdeckte Bieten sorgte auch gleich für die Anmerkungen „kein Walterspiel“, denn es gibt beliebigen Freiraum für Mitspielerchaos. Zwar ist bekannt, wie viel „Währung“ (Macht, Erpressung, Bestechung) jeder Spieler einsetzen kann, aber da grundsätzlich alle Gebote verfallen, ist eine Pattsituation (keiner gewinnt) oder ein knapper Verlust extrem teuer und unbefriedigend. Die Spielregel bietet hier als Option an, dass die Währungen für verlorene Gebote wieder zurück genommen werden können und vermutlich sollte diese Option immer gewählt werden (wir haben sie erst nach Spielende entdeckt).

Obwohl „Revolution!“ für drei bis vier Spieler ausgewiesen ist, fanden wir den Verlauf bei drei Spielern eher unbefriedigend. Schnell zeigte sich, dass es nur zwei Strategien gibt, um erfolgreich zu bieten: die mittlere Reihe der Charactere via Bestechung oder die beiden anderen Reihen durch Macht und Erpressung. Zwei Strategien bei drei Spielern bedeutet aber, dass sich immer zwei Spieler ins Gehege kommen, wenn sie die gleiche Strategie gewählt haben und der Dritte eben der lachende ist. Hier muss gekonnt das Verhalten der anderen Spieler vorhergesehen werden, um sich nicht in unnötigen Kämpfen aufzureiben. Ob das in unseren Runden möglich ist, darf bezweifelt werden.

WPG-Wertung: Günther: 5 („funktioniert“), Moritz 5: („funktioniert, möchte es aber nicht noch einmal spielen“), Aaron 5: („nicht mein Ding“)

3. Trawler

Aaron nutzte die kleine Runde, um die neueste Version seines Spiels „Trawler“ noch einmal anzutesten. Kurz vorher hatte er noch einige Änderungen vorgenommen, die im Wesentlichen den Geldfluss im Spiel verbessern sollten.

Bei „Trawler“ kaufen die Spieler Schiffe, um in drei Seegebieten unterschiedliche Fischarten zu fischen. Je nach Größe der Schiffe kann mehr oder weniger Fisch gefangen und verkauft werden und je nach Motorisierung haben die Schiffe eine mehr oder weniger große Reichweite. Zusätzlich beeinflusst das (variable) Wetter die Anzahl der Züge, die jeder Spieler pro Runde durchführen kann. Nach und nach werden die Seegebiete überfischt und der Fischfang lässt sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Dann endet das Spiel.

Leider stellte sich recht bald heraus, dass durch die Änderungen nun zu viel Geld im Spiel war und viel zu schnell die größten Schiffe gekauft werden konnten. Gleichzeitig zeigte sich eine noch gravierendere Schwäche: es gibt nur eine einzige Strategie, nämlich so schnell wie möglich zwei große Schiffe zu besitzen, um immer die teuerste Fischsorte fangen und verkaufen zu können. Hier ist noch einiges an Designarbeit zu leisten, um den Spielverlauf mehrdimensionaler und damit interessanter zu machen.

WPG-Wertung: keine Wertung für einen frühen Entwurf.

12.01.2011: “Troyes” hat er gesagt

Im Dezember haben wir unsere Spielabende oft genug geschwänzt. Jetzt sucht Moritz händeringend nach Vorschlägen für unser Spiel des Monats.
„Ich habe nicht so viel notiert, bisher nur: K2 (Bergsteigerspiel), Junta: Viva el Presidente, und Asara.
Asara kenne ich nicht, aber die ersten beiden Spiele sind glaube ich nicht konsensgeeignet. Gibt es noch weitere Ideen?“

Aaron klingt sich aus:
“Habe im Dezember nur Asara gespielt und war nicht so überzeugt. Daher von mir keine Vorschläge.“
Günther bekundet für seinen Zieleinlauf:
“1) Asara – 2) Navegador“
Moritz dreht das um: „Dann bin ich solange für Navegador bis mich jemand von Asara überzeugt.“
Aaron ist das nicht recht: „Na ja, von Navigador war ich nicht so überzeugt. Kaigan haben wir am gleichen Abend gespielt und das hat die gleiche Durchschnittsbewertung (6,8). Wenn wir schon ein Spiel mit einer Wertung unter 7 auswählen wollen/müssen, dann bin ich doch eher für Kaigan.“
Walter kann mit diesem Vorschlag leben, doch er macht ebenfalls einen: „Ceterum censeo Gran Cru esse selectandam!“
Hier hakt Peter ein. Erstens ist er gegen ’Gran Cru’ als solches: „Für mich sind die Spiele des Monats Spiele, die man “unbesehen” kaufen kann, weil sie was taugen.“ Und zweitens denkt er, „dass ’Gran Cru’ definitiv nicht feminin ist.“ Von ‘selectare’ wollte er ganz schweigen.
Mal schauen, ob wir heute noch etwas finden oder ob Moritz seinen Mut zu Lücke offenbaren kann.
1. “Troyes”
Troyes war der Hauptort des Keltenstammes der Trikassen und wurde trotz Asterix von den Römern einnommen. Westlich von Troyes fand die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern statt, das die Hunnen auf ihren Vormarsch nach Westeuropa stoppte. Hier schuf der mittelalterliche Dichter Chrétien de Troyes für Wolfram von Eschenbach die Vorlage zu seinem Parzival. Und vor 900 Jahren gab es auch schon mal ein christlich-katholisches Konzil in Troyes.
Dies ist der geschichtliche Hintergrund von ’Troyes’ (gesprochen Tro-a), dem Spiel. Das Regelheft gibt dazu keine Details wieder, es erwähnt lediglich kurz und schmerzlos, dass um 1200 in Troyes eine Kathedrale begonnen wurde, und dass wir Spieler jeweils eine reiche Familie verkörpern und unseren Einfluß in den drei Bereichen Militär, Religion und Verwaltung geltend machen, um die meisten Siegpunkte einzuheimsen.
Unser Einfluß wird durch jede Menge Würfel entfaltet. Insgesamt 18 Würfel sind pro Runde im Spiel, allein auf der Seite der „Guten“. Alle werden zu Beginn einer Runde geworfen und sequentiell abgehandelt. Mit Würfeln bekämpfen wir böse Ereignisse, aktivieren Aktionskarten, bauen an der Kathedrale, placieren Pöppel in den Einflußbereichen der Stadt oder betreiben Landwirtschaft. Für alle diese Zugmöglichkeiten erhalten wir früher oder später Siegpunkte.
Ist Troyes deshalb ein Würfelspiel? Nach Wikipedia „ist ein Würfelspiel ein Glücksspiel, das im Wesentlichen daraus besteht, dass mit einem oder mehreren Spielwürfeln ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden muss. Bisweilen sind kombinatorische Fähigkeiten seitens des oder der Spieler erforderlich.“ In Troyes sind eine ganze Menge kombinatorische Fähigkeiten notwendig. Wir brauchen uns nämlich nicht allein mit unserem eigenen Würfelwürfen zu begnügen, wir können und sollten auch kräftig – gegen Geld – die Würfel aller Mitspieler nützen. Gerade zu Beginn einer Runde darf sich keiner scheuen, den Mitspielern die besten Würfel wegzukaufen. Das ist vielleicht sogar eine mangelnde Balance des Spiels: Die guten Würfel sind so schnell weg, dass für den letzten Spieler einer Runde auf dem Markt schon kein einziger hoher Würfel mehr übrig bleibt, BEVOR er nur seinen ERSTEN Zug getan hat. Dann muß er mit dem schäbigen Rest seiner eigenen Würfel auskommen. Tröstlicherweise darf er – gegen Einflußpunkte – ein bißchen daran herummanipulieren.
Das einzige Korrektiv gegen diesen Würfel-Ausverkauf ist Geldknappheit, die zu Beginn des Spiels zweifellos herrscht. Doch nach wenigen Runden ist es damit vorbei und der Run auf die besten Würfel der Mitspieler setzt unmittelbar ein. Vielleicht ist das etwas zu krass gesehen; in jedem Fall muß dieser Effekt in unseren nächsten Begegnungen intensiv beobachtet werden.
Daß „Troyer“ bei uns noch häufiger auf den Tisch kommt, das ist klar. Jeder ist noch ganz beeindruckt von den vielfältigen Zugmöglichkeiten für die sich progressiv ergänzenden progressiven Entwicklungsfortschritte. Das Spiel ist rund und schön. Die drei Stunden Netto-Spielzeit vergingen wie im Fluge.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (Es gibt noch viel zu entdecken, das kann die Note noch nach oben bringen. Aktuell gibt es Einschränkungen wegen des deutlichen Würfeleinflusses), Günther: 8 (fürchtet allerdings Balance-Schwächen), Horst: 9 (die Spielelemente sind stimmig und rund; er steht auf Spielen mit Würfelkombinatorik), Walter: 8 (Vielfalt gelungener Ideen, hoher Wiederspielreiz).
2. “Dixit”
Spiel des Jahres 2010, höchste Zeit, dass es bei uns auf den Tisch kommt. Zudem hast es Horst von seiner Birgit zu Weihnachten bekommen.
Die gefällige bunte Graphik und die „richtigen“ Spielerfarben (Gelb für Günther und Rot für Walter) sind ein subjektiver Vorzug gebenüber „Troyes“. Ansonsten ist es ein braves Unterhaltungsspiel im Stil von „Nobody is perfekt“.
Jeder Spieler erhält 6 Karten, auf denen mit Phantasie irgendwelche Motive abgebildet sind. Jeweils ein Spieler übernimmt die Rolle des „Erzählers“: Er wählt eine seiner Karten aus, legt sie verdeckt auf den Tisch und überlegt sich dazu eine passende Ansage: ein einzelnes Wort, eine Lautmalerei, einen Satz oder eine ganze Geschichte.
Jetzt müssen alle anderen Spieler eine ihrer Handkarten auswählen, die ihrer Meinung nach am besten zur Ansage des Erzählers passt. Alle diese Karten, einschließlich der Karte des Erzählers werden jetzt offen auf den Tisch gelegt und die Spieler müssen raten, welche der Karten vom Erzähler stammt.
Dazu gibt es dann ein geeignetes Siegpunkteschema für die verschiedenen Rateergebnisse: ob alle Spieler die richtige Erzählerkarte geraten haben, oder keiner, oder nur einige.
Das Unterhaltsamste am Spiel sind anschließend die Erklärungen des Erzählers, warum er zu seinem Bild seine spezifische Ansage gemacht hat, und die Erklärungen der anderen Spieler, warum sie gerade ihr Bild dazu passend fanden. Wer assoziiert mit dem Schlagwort „Robert“ schon ein Bild, in dem Blätter durch die Luft wirbeln? Doch nur ein Kenner des guten alten Struwwelpeter. Und welche Assoziationsmöglichkeiten eröffnet uns unser guter Aaron, wenn er die „Fruchtbarkeit“ zum Besten gibt?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (mit meiner Schwester und meinem Schwager würde ich das den ganzen Abend lang spielen), Günther: 6 (für mich selbst, in bestimmten Spielerrunden ist das Spiel 8 Punkte wert), Horst: 8 (nicht nur, weil es ein Weihnachtsgeschenk der Liebsten ist), Walter: 8 (für die Schwester und als Absacker).
Hallo Birgit: Hier noch eine kleine Bemerkung zu Deiner Spielkompetenz. In jedem Fall wird sie bei uns hoch geschätzt. Horst hat neulich nur behauptet, dass Du keine besonders große Vorliebe für komplexe Spiele hast. Da waren wir alle etwas verunsichert. Liefere uns doch mal eine Liste von Spielen, die von Dir die Noten 1 bis 10 erhalten.
3. “Trawler”
Horst war schon auf dem Weg zu Birgit, da präsentierte Aaron dem hinterbliebenen Personal seine Neuentwicklung „Trawler“ zum „Anspielen“. Wir entwickeln unsere Fischtrawler in Geschwindigkeit, Seetüchtigkeit, Kapazität usw. um damit aufs weite Meer zu ziehen, die verschiedenen Fischsorten zu fangen und sie am Hafen für Höchstpreise zu verkaufen.
Das Spiel ist recht rasant in seinem Ablauf; für alle tun sich sehr schnell lukrative Einnahmequellen auf, und das Im-Geld-Schwimmen läßt überall Freude aufkommen. Auch verschiedene berufliche Interessensschwerpunkte kommen auf ihre Kosten:

  • Die Vermehrung der Fische im Meer entzückt den Ernährungswissenschaftler
  • Die Bewegung der Fischschwärme erfreut den Meeresbiologen
  • Die Fortschritte in der Trawler-Entwicklung befriedigen den Betriebswirtschaftler
  • Die Routen der Trawler faszinieren den Nautiker
  • Und das Gehabe auf dem Fischmarkt erlabt die Krämerseelen
  • Ein vielversprechender Entwurf, dessen „Anspielen“ sehr viel Spaß gemacht hat.
    Noch keine WPG-Wertung

    05.01.2011: Mit Selbstgemachtem ins Neue Jahr

    Wir wünschen allen unseren Lesern ein gesundes Neues Jahr und weiterhin viel Spaß in ihren Spielrunden.

    1. “Das kalte Herz”
    Eineinhalb Jahre schon entwickeln Moritz und Maximilian Christof an diesem Spiel über die Flößer im Schwarzwald. Neulich konnten sie es bei Hans-im-Glück präsentieren und sind guter Hoffnung.Das Kalte Herz - Prototyp
    Unsere Bedenken aus früheren Testsessions sind ausgeräumt. Die Baumstämme in Neckar und Rhein sind jetzt ständig in Bewegung, das bewirkt schon allein ein zusätzlicher automatischer Bewegungszug pro Spieler. Auch die Staudämme sind keine nennenswerte Blockade mehr: wenn ein Staudamm voll ist, läuft er automatisch über. Jetzt kann jeder Spieler auch für sich selbst etwas Gutes tun und muß nicht nolens volens den Vorteil seiner Mitspieler befördern und hoffen, dass ihm Gleiches zuteil wird.
    Wir müssen immer noch

  • Holzfäller-Pöppel einsetzen
  • Holzhacken
  • Unsere Pöppel zu den verschiedenen Arbeitsplätzen bewegen
  • Staudämme öffnen
  • Flöße zusammenstellen und verkaufen
  • Jeder bekommt zu Spielbeginn noch eine eigene Rolle zugeteilt, die ihm für bestimmte Aktionen Bonuspunkte liefert; ein Spieler hat Vorteile bei Hacken, der andere bei der Staudämmen und der dritte beim Verkauf. Diese individuellen Sondereigenschaften gilt es natürlich besonders zu nützen. „To have a plan” wird ganz groß geschrieben.
    Man sollte nicht unbedingt aus der aktuellen Spielsituation heraus die siegpunktträchtigste Aktion wählen. Damit verlieren wir Tempo für spätere noch siegpunktträchtigere Aktionen. Das ganze ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, und für den richtigen Peil braucht man natürlich eine Menge Erfahrung. Wie bei „1830“!
    Die Vision einer Spielumsetzung von Hauffs Märchen in hübsche, flüssige und ganz neuartige Spielzüge und Mechanismen hat schon einen hohen Reifegrad erreicht. Horst schlug vor, dem Spiel eine Begleit-CD beizulegen, auf den ständiges Wasserrauschen zu hören ist.
    Noch keine WPG-Wertung. Aber sicherlich bald.

    2. “Manipur”
    Aaron arbeitet auch schon seit einem Jahr an seinem Spiel, das ursprünglich im „18xx“-Milieu angesiedelt war, über den Weltraum jetzt Manipur - Prototypaber in „Manipur“, einer Provinz in Indien, angelangt ist. Aus den früheren Tycoons sind heute einfache Händler geworden, die ihrer Waren in immer entfernere Städte liefern und dafür immer höhere Erlöse erzielen.
    Die Händler müssen systemmatisch ihren Aktionsradius erweiteren, die Zahl ihrer Mitarbeiter erhöhen und deren „Schlagfertigkeit“ fördern. Wer die stärksten Fäuste hat, kann die Konkurrenz von den lukrativsten Markplätzen vertreiben.
    Heute wurde das Spiel erstmals einer 4er Runde vorgelegt. Erwartet oder unerwartet ergab sich sogleich ein von den bisherigen Solo- oder Duo-Testrunden total verschiedener Spielablauf. Moritz entwickelte als einziger zuerst seine Mobilität und konnte damit ferne Marktplätze bedienen, wo er konkurrenzlos war, hohe Erträge kassierte und noch dazu Monopolprivilegien erwarb. Die anderen Spieler hatten sich zwar mit stärkeren Fäusten eingedeckt, doch Moritz war schon außer Reichweite. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er mit hohem Abstand gewonnen hatte. „Das war mein Plan!“
    Die ganze Diskussion während und nach dem Spiel drehte sich schwerpunktmäßig darum, wie man Moritz am Zeug flicken könnte. Drei Alternativen boten sich an:
    a) die in fernen Städten agierenden Händer müßten leichter angreifbar sein.
    b) die Handelsprivilegien dürften nur für Mehrheiten, nicht aber für Monopole vergeben werden.
    c) die Erträge für ferne Händer ohne Heimatanschluß müßten gesenkt werden.
    Alles kann durch kleine Regeländerungen problemlos bewerkstelligt werden. Aaron wird’s schon richten.
    Ansonsten sind die Spielregeln klar, der Spielablauf übersichtlich, die Mechanismen rund und das Spielgeschehen attraktiv. Durch die Konzentration auf die funktionierenden Mechanismen ist das Thema allerdings etwas abstrakt geblieben. Beim Brainstorming über andere passende Szenerien schlug Horst vor: „Ameisen, die ein Tischbein erklimmen.“
    Noch keine WPG-Wertung.
    3. “Trawler”
    Aaron bastelt schon an seinem nächsten Spiel. Wir sind Fischer und ziehen mit unserer Flotte den verschiedenen Fischen hinterher. Die optimale Erweiterung der Flotte erinnert an „Manipur“, doch das Auftreten der Fischschwärme und die Konkurrenz auf den Verkaufszentren am Hafen sind neue Elemente.
    Diesmal war bei Aaron zuerst das Thema da und dann erst der Mechanismus. Wir werden sehen.
    Noch keine WPG-Wertung.
    4. “Bluff”
    Horst brachte eine neue Dynamik in ein altes Spiel: Bluffen mit Sternen auf höchstem Niveau. Walter war das nicht geheuer und er forderte für den zweiten Durchgang einen Platzwechsel. Inzwischen hatte Moritz die Masche durchschaut und konnte die Dynamik entschärfen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.