Passend zur aktuellen Weltgesundheitslage schlug Aaron für heute eine “Pandemie”-Session vor: Vier todbringende Krankheiten bedrohen die Menschheit; Ziel des Spiels ist es, in Kooperation aller Spieler für jede Krankheit ein Gegenmittel zu entwickeln.
Beim Schlagwort “Kooperation” wurde Moritz hellhörig: Zartbesaitet, wie es seine Profession ist, wollte er dem Non-Kooperierer Walter nicht schon wieder einen Frustspiel aufbürden.
Bei “Spiel mit mir” hat es die Note 3,57 (Höchstwert 6); bei Udo Partsch liegt der Mittelwert bei 4 von 8 Sternen (solide). Da mußten die Spieler des heutigen Abends keinen dicken Verzicht auf sich nehmen, als sie statt dessen den gewöhnlichen spielerischen Wettbewerb vorzogen.
1. “Byzanz”
“Ich habe mir ein großes Spiel darunter vorgestellt” kommentierte Aaron etwas enttäuscht, als Günther das Kartenpack aus einer skat-großen Schachtel herausholte.
Jeder Spieler bekommt ein paar Karten mit unterschiedlichen Farben und Werten ausgeteilt und muß damit im biblischen Sinne “wuchern”:
– neue Karten durch alte Karten ersteigern
– Trio-Kombinationen von Karten in Siegpunkte umwandeln
Beim Ersteigern zählen die summierten Kartenwerte; innerhalb der Trio-Kombinationen zählt nur die höchste Karte. Hier ist eine gewisse Spannung zwischen Kartenwerten und Kartenanzahl vorhanden.
In der ersten Auktion sind 5 Karten angeboten, in der zweiten nur 4 und so weiter, in der Schlußauktion geht es nur um eine einzige Karte. Die gebotenen Summen werden farblich sortiert offen ausgelegt. Wer als letzter gesteigert hat, darf hieraus als erster kostenlos eine komplette Farbe an sich nehmen. Hierin liegt ein herausfordernder Antagonismus zwischen frühen Bieten um viele Karten und ggf. leer Ausgehen beim Nachfassen und als Gegensatz dazu einem späten Bieten um nur eine Karte, aber nachfolgendes Einstreichen von vielen lukrativen Karten aus der Auslage.
In die kleinen einfachen Karten von “Byzanz” hat der Kartenmeister Emanuele Ornello vielseitige Spielzüge mit pfiffigen Planungsmöglichkeiten eingebaut. Auch wenn es nur aus einem einfachen Kartendeck besteht, ist es doch ein großes Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (hübsch, aber kein Brüller), Günther: 7, Hans: 7, Moritz: 6, Walter: 7 (Leistung = Effekt / Aufwand)
2. “Valdora”
Aaron hat seine Rezension zu “Valdora” bereits fertig. Deshalb legte er nur gebremsten Ehrgeiz an den Tag, das Spiel heute nochmals auf den Tisch zu bringen. Sein angedeutetes Ansinnen wurde von Günther und Walter aber unverzüglich und unisono mit einem “mir gang’s” abgeblockt.
Wer mit dieser klaren Ausdruck einer neubaierischen Positionierung nicht zurecht kommt, kann im Schmeller nachschauen, was damit ausgedrückt ist.
Jedenfalls brauchte “Valdora” heute am Westpark nicht die spielerische Spreu vom Weizen zu scheiden.
3. “Tribun mit Erweiterung”
Moritz wußte noch, daß er es vor zwei Jahren schon bei sich zuhause gespielt hatte. Am Westpark lag es zum letzten Mal vor eineinhalb Jahren auf. Jetzt gibt es eine Erweiterung dazu:
1) Das Spielbrett ist durch eine Zusatzfläche erweitert, auf der die Spieler neue Auswahlmöglichkeiten für Rundenvorteile und Siegbedingungen vorfinden.
2) Es gibt zusätzliche Personenkarten mit Mördern, die die Übernahme von Parteigruppierungen erleichtern.
3) Mit Sklavenkarten können weitere Siegbedingungen erfüllt werden.
4) Ein Spieler kann in die zusätzliche asymmetrische Rolle des Brutus schlüpfen, und damit die Planungen der Mitspieler deutlich chaotisieren.
Fast eine Stunde brauchte Günther, um die allen bekannten Regeln zu wiederholen und die Zusatzelemente zu erklären. Für Freaks, die mit dem alten “Tribun” groß geworden sind und die vielleicht ausgelutschten Abläufe mit neuem Pfeffer aufpeppen müssen, ist es gerade das Richtige. Die Erweiterung paßt sich nahtlos in die bisherige Szenerie ein.
Doch die vielen neuen Elemente geben dem Spiel keine wesentlich neue Qualität. Vielleicht wird die bisher etwas kantige Planbarkeit abgerundet. Vor allem aber wird sie mit viel Chaos gespickt. Das bereits vorhandene ärgerliche Meuchelprinzip dezimierte zuerst Walters erwartungsvoll aufgebaute Prätorianergarde. Das ging natürlich nicht ohne Lamento ab. Dann richtete Brutus seine neu geschaffenen Mörder gegen Aaron und Moritz. Was beide postwendend mit “Das ist keine gute Erweiterung” quittierten.
Hans als asymmetrischer Brutus schwelgte in Geld und Personenkarten, doch er konnte sie nicht konsequent in erfüllte Siegbedingungen umsetzen, weil das Zufallsprinzip ihm bei seiner Zugfreiheit oft genug die Hände band.
Aaron wurde überraschend Sieger, als die “temporäre Gunst der Götter” sich neben der “permanten Gunst der Götter” als unabhängige Siegbedingung herausstelle. Moritz haderte mit sich, daß er einen Zug vorher den Winning-Move übersehen hatte. Ansonsten hatte Günther als dritter im Bunde schon den Kopf rausgestreckt, um sich den Siegeslorbeer aufsetzen zu lassen. Das Spiel läßt keinen konsequenten Aufbau zu. Ab der Mittelphase schwanken die Positionen um eine schwach ansteigende Besitzstandslinie herum, und wem Fortuna letztendlich den Sieg gönnt, das bleibt ihr persönliches Geheimnis.
WPG-Wertung zur Erweiterung: Keine Änderung zur bisherigen Notenvergabe. Durchschnitt 6,6 Punkte.
Aaron, Günther, Moritz: “Tribun” wird durch die Erweiterung nicht besser, nur undurchschaubarer, Hans: Kritik an der starken Zufallsabhängigkeit von Brutus’ Aktionsradius, Walter: Zugewinn an spielerischem Chaos, aber gerade das ist nicht mein Fall.
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01.04.2009: Die Nacht der Diamanten
An welche Arten von Spielen erinnert man sich am besten? Bei uns lief gerade eine heiße Diskussion, ob das nur Spiele mit klaren Themen oder auch rein abstrakte Spiele sein können. Hans konnte dazu die psychologische Erkenntnis beisteuern, daß es wesentlich von den begleitenden Emotionen abhängt liegt, ob ein Ereignis im Gedächtnis gespeichert wird oder nicht. Damit reduziert sich die Anfangsfrage auf eine simple Frage nach Vorlieben. Der Bridgestar Culbertson ließ sich scheiden, weil seine Frau Josefine in einem Titelkampf nicht die Pik-Zwei zurückgespielt hat. Dagegen ziehen sich geborene Kriegerseelen nur dann hoch, wenn sie mindestens ein paar Atombömbchen zünden dürfen. Natürlich über einem Schurkenstaat, wo denn sonst! Alles Geschmackssache!
1. “Diamonds Club”
Ein Ravensburger Spiel von Rüdiger Dorn aus der Ernte des letzten Jahres. Günther hatte das Spiel schon auf der Spiel 2008 in Essen gespielt. Regelsicher war er allerdings nicht mehr, es reichte dazu, einige Regelausführungen von Aaron zu ergänzen. Aber wir gingen das anspruchsvolle Spiel locker an, Fehler und Irrtümer wurden ohne Beanstandungen auch ein-einhalb Runden später noch nachträglich korrigiert.
Ähnlich wie bei den “Fürsten von Florenz” erhält jeder Spieler zu Beginn ein eigenes Tableau, auf dem er sein im Laufe des Spieles erworbenes Besitztum plaziert. Auf dem gemeinsamen Spielbrett in der Mitte befindet sich der Markt, und durch geschicktes Setzen auf die verschiedenen Positionen an Tieren, Landschaften und Gebäuden füllt man sein Privat-Tableau und häuft damit Siegpunkte auf sein Konto.
Es gibt sehr viele verschiedene Entwicklungsrichtungen zu verfolgen. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, und am Ende münden alle in eine Orgie von Prämien und Sonderprämien. Ein konstruktives Spannungsfeld herrscht zwischen der von den Regeln geforderten Diversifizierung der Investitionen und einer angestrebten Monopolisierung in der Entwicklung, die einen progressiven Nutzen bringt. Weiterhin gilt es, eine wirksame Balance zwischen dem langfristigen Ausbau der Erwerbsquellen und ihrer kurzfristigen unmittelbaren Nutzung zu finden.
Günther ging sofort seinen technischen Fortschritt an. Natürlich wußte der erfahrene Fuchs schon vorher, daß die Förderung des Einkommens besonders am Spielanfang den größten Nutzen bringt. Die anderen drei blinden Hühner mußte sich erst in der weiten Landschaft der Siegpunktquellen orientieren, bevor sie einen Spielplan verfolgen konnten. Doch das Spiel ist gutmütig. Viele Vorlieben können zum Sieg führen. Die ersten Züge müssen keineswegs punktgenau gesetzt werden, eine anfängliche Schwächelei kann im Laufe des Spieles durch späteres konsequent-gutes Spiel noch leicht wettgemacht werden.
“Gutes Spiel” besteht – neben der sachgerechten Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, bzw. zwischen Ein- und Vielseitigkeit innerhalb der Investitionen – zum großen Teil aus einer glücklichen Hand beim Setzen auf dem Markt, sowie aus einer mehr-oder-weniger-zufällig-glücklich-fehlenden Konkurrenz beim hier stattfindenden Setz-Chaos. Hallo Rüdiger, was meinst Du dazu?
Und noch eine Frage: Warum gibt es verschiedene Tierarten (Fische, Vögel und Rehe) zu ersteigern, eine einzige Tierart hätte spieltechnisch doch gereicht! Die Erwerbsmöglichkeiten dafür sind absolut symmetrisch, und ein Trio aus drei gleichen Viechern wird mit dem identischen Aufwand erworben wie eines aus drei verschiedenen. Ist dieses Detail ausschließlich aus ästhetischen Gründen hinzudesigned worden? Oder war das eine Verneigung vor Konrad Lorenz und seinem berühmten “Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen”?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert wegen Mitspieler-Chaos), Günther: 7 (“super Setz-Mechanismus”), Moritz: 7 (“interessant”), Walter: 7 (ästhetisches Material, ästhetische Spielweise)
Walter wird eine Rezension schreiben.
PS: Mitten aus dem Leben gegriffen:
Aaron hatte vergessen, seinen Setzstein auf das Feld zu setzen, wo er die Orangerie erworben hatte. Damit hätte der nächste Spieler einen Diamanten mehr für die Orangerie hinblättern müssen. Moritz war der Nutznießer dieses Versehens. Kurz danach wurde der Fehler bemerkt. Frage an den Turnierleiter: Muß Moritz jetzt noch einen Diamanten nachschießen, oder wird seine Unterzahlung durchgehen lassen? Frage an die Insider: Hat Moritz einen Diamanten nachgeschossen oder konnte er seinen Vorteil über die Zeit retten? Bestgehütete Geheimnisse am Westpark!
2. “Valdora”
Ein Abakusspiel von Michael Schacht. “Fernab unserer Zeit liegt ein verstecktes Tal voller unermeßlicher Reichtümer. Abenteurer aus der ganzen Welt machen sich auf den Weg, um hier ihr Glück zu finden.” So fängt die Einleitung an, und zwar gleich in fünf verschiedenen Sprachen. Ein Leckerbissen für die Polyphonen.
Die Spieler bewegen ihre Pöppel über die Wege des Spielbretts
– zu Silberminen (um sich mit Liquidität zu versorgen),
– zu den Diamantengruben am Wegrand (in denen das wertvolle Material einfach eingesackt werden kann)
– zu Städten (in denen sie Schürfwerkzeuge erwerben und sich mit Aufträgen eindecken)
– zu ihre Auftraggebern (um die bestellte Ware – Diamanten in vorgegebenen Farben – abzuliefern)
Der Spielablauf ist ein ewiges Pendeln zwischen diesen verschieden Stationen.
Das Ganze geht leider ziemlich zäh und deterministisch zu. Am Anfang hat man weder Geld, noch Aufträge, noch Ladekapazitäten, um große Geschäfte zu machen. Für den nächsten Zug gibt es entweder nur eine einzige Möglichkeit oder eine einzige, trivial zu bestimmende optimale Möglichkeit. Wenn man sich dann langsam hochgeschaukelt hat und hofft, in Freiheitsgraden bei Masse und Mitteln zu schwelgen, liegen keine Diamanten mehr herum. Vielleicht kann man dieses Prinzip als “ausbalanciert” bezeichnen: Das Produkt aus Potenz und Markt ist konstant. Es paßt aber auch der Vers von Wilhelm Busch:
“So geht’s immer, wie ich finde”
spricht der Müller voller Zorn,
“hat man Korn so fehlt’s am Winde,
hat man Wind, so fehlt’s am Korn.”
Ein starkes Programm für Transportoptimierung wäre gefragt. Oder eine von Günthers genialen Faktorenanalysen. Doch dann wären die spielerischen Entscheidungen noch mehr determiniert. Oder ist das etwa die gewollte, aber von mir nicht verstandene Herausforderung des Spiels? Entschuldige, lieber Michael, nach einem ermüdenden Arbeitstag in abgeschlaffter Dödelstimmung um Mitternacht hat ein reiferer Herr nicht mehr genügend Energie, sich hier kommerzielle Perspektiven zu erarbeiten.
Ist es nicht vielleicht auch charakteristisch für den Spielablauf, daß kein einziger Spieler mehr einen sinnvollen Zug tun konnte, als Moritz die Schlußrunde eingeläutet hatte?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fand sein Glück; konnte sich kurzfristig an Moritz’ Schrecken erlaben, ihm vermeintlich den Sieg genommen zu haben; hätte sogar 8 Punkte vergeben, wenn es nicht so autistisch wäre), Günther: 4 (“Aaron, bist Du des Wahnsinns?!”), Moritz: 7 (Sieger mit winning Strategie), Walter: 4 (hat es nicht geschnallt)