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08.07.2015: Wir und die Welt

Es war nichts anderes zu erwarten, es war ja auch nichts anderes mehr im Angebot, zumindest nicht in den Regalen der Jury von „Spiel-des-Jahres“.

Kennerspiel des Jahres 2015 ist „Broom Service“. Bei uns mit Pauken und Trompeten durchgefallen, oder – mit anderen Worten – 85,0393701 Prozent der von uns gespielten Spiele sind besser bewertet! Immerhin, Moritz kann es nicht oft genug betonen: „Ich fand’s gut!“ Aaron gestand ihm dafür dann zu: „Okay, du darfst die Pauken und Trompeten dirigieren!“

Spiel des Jahres 2015 ist „Colt Express“. Am Westpark kannte es nur Günther. Sein Kommentar: „Hatte ich ja schon befürchtet … Thema total, reines Gaudispiel.“ Vorbei ist in Deutschland die stramme, antimilitaristische Haltung der Nachkriegszeit. Vorbei die Anti-Kriegs-Kampfzeit der Polit-68er. Vorbei die Warnungen von dem grauenvollen Waffenalltag in den USA. Heute kann man sich mit Schüssen auf den Sheriff selbst in Deutschland auf den ersten Platz schießen.

Die „Brettspielbox“ schreibt: „Ziel ist es, die meiste Beute durch Stehlen der Geldsäcke, Diamanten oder Geldkoffer zu erlangen. Wer am Ende die meisten Patronen abgefeuert hat, erhält einen Bonus.“ Fazit: Ein echtes Familienspiel für das Jahr 2015. Die Jury von SdJ hat so entschieden.

1. “Digger”

In seiner Neu-Entwicklung hat sogar der Autor Aaron letzte Woche die Regeln durcheinander gebracht: Nicht der dickste macht den Stich, sondern der längste! Eine Prioritätenreihenfolge, die im wirklichen Leben ebenfalls noch höchst umstritten ist.

Heute prallten die Meinungen über die Sonderzüge, mit denen ein Spieler die Wertungen vertauschen, verschieben oder verdoppeln kann, hart aufeinander. Damit wird die lineare, logisch-psychologisch-kartenpflegerische Taktik weitgehend ausgehebelt. Die Grundversion kommt ohne alle diese Zugeständnisse an den Zeitgeist aus, und ist ein rundes, volles, stimmiges, gelungenes Spiel. Peter als Verfechter von bewährten „älteren guten Spielen“ lobte:

„Wenn alle neuen Spiel so wären, bräuchte ich keine alten!”

Nach diesen überschaubaren Spielmechanismen würde er dem Spiel 9 Punkte geben; mit den Sonderzügen reduziert er seine Wertung allerdings um (oder auf, je nach Stimmung) ein Drittel. Bei Walter wäre die Tendenz ähnlich.

Aber Aaron und der Verlag werden sich einen Dreck um die Meinungen am Westpark scheren; der Markt zählt!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase..

2. “Fifth Avenue”

Beim Aufbau von „Fifth Avenue“. Peter trägt die besten Spielregeln des Jahres vor.
Beim Aufbau von „Fifth Avenue“. Peter trägt die besten Spielregeln des Jahres vor.

Günther wollte Peters Wunsch nach „älteren, bewährten Spielen“ nachkommen und hat ein zumindest „älteres“ Spiel mitgebracht, „Fifth Avenue“ aus dem Jahre 2004. Bewährt ist es bei uns noch nicht, keiner von uns hat es bereits gespielt, doch Aaron konnte immerhin beisteuern, dass das Spiel 2004 die „Essener Feder“ für die beste Spielregel erhalten hat. Peter durfte sie vortragen.

In einem klassischen Aufbauspiel bauen wir Hochhäuser in sieben New Yorker Stadtteilen plus dem Central Park, siedeln Luxus-Geschäfte in ihrer Umgebung an, und versuchen damit während des Spiels und in der Endwertung die meisten Siegpunkte einzuheimsen.

Als Standardzüge werden angeboten:

  1. sich mit Bauplänen für neue Hochhäuser zu versorgen.
  2. ein beliebiges Geschäft aus der offenen Auslage an einer beliebigen freien Stelle in New York zu plazieren.
  3. sich einen Joker-Geldschein von von der Bank zu nehmen.
  4. ein Stadtviertel werten zu lassen: Die vergebenen Siegpunkte ergeben sich aus der Anzahl vorhandener Hochhäuser multipliziert mit einem überproportional wachsenden Faktor für die Anzahl benachbarter Geschäfte.

Nach dem Standardzug darf sich ein Spieler noch zwei Nicht-Joker-Geldscheine von der Bank nehmen, und er muss einen der beiden “Kommissionssteine” versetzen. Innerhalb dieser Kommissionssteine liegt der (ganze!) Witz der “Fifth Avenue”.

  • Die Kommissionssteine wandern in einem ewigen Turnus von Downtown bis zum Zentral-Park und zurück.
  • Wenn man ein Stadtviertel werten lassen will, darf man nur solche Viertel werten, in denen ein Kommissionsstein steht.
  • Wenn ein Kommissionsstein im Central Park steht und versetzt werden soll (muss), fliegt er mit einem Satz zurück bis nach Downtown; anschließend wird in allen Stadtvierteln, die der Stein vorher auf seinem Weg in den Central Park berührt hatte, ein Bauplatz versteigert.

Zum Bieten auf die verkäuflich gewordenen Bauplätze werden die farbigen Non-Joker-Geldscheine und die schwarzen Joker-Geldscheine eingesetzt. Der Meistbietende darf je nach Stückelung seiner Geldscheine ein bis drei Hochhäuser seiner Geldschein-Farbe bauen, die anderen Spieler gehen leer aus, brauchen aber immerhin auch nichts zu bezahlen.

Aber warum erzähle ich das alles? Eine Menge Details habe ich hier sogar noch ausgelassen! Läuft denn ein Spiel wirklich nach diesen umfangreichen, ausgefeilten Regeln ab? Leider nein!

Warum soll ich mir Baupläne besorgen? Um Hochhäuser zu bauen! Wenn ich aber keinen Bauplatz habe? Dann brauche ich auch keine Pläne! Diese Zugmöglichkeit wird sinnvollerweise auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben.

Warum sollte ich ein Stadtviertel werten lassen? Weil darin meine Hochhäuser und die benachbarten Geschäfte für mich eine besonders günstige Konstellation haben! Darf ich solches Stadtviertel werten lassen? Leider nur dann, wenn ein Kommissionsstein darinnen steht! Wird ein Kommissionsstein in einem für mich günstigen Stadtviertel stehen, wenn ich am Zug bin? Nein, das wird er nicht! Meine klugen Mitspieler werden einen solchen Stein am Ende ihrer Züge gefälligst versetzt haben. Insofern bietet sich das Stadtviertel-Werten-Lassen höchstenfalls für altruistische Masochisten an.

Soll ich den Zug wählen, der mir einen Jocker-Geldschein in die Hand gibt? Nicht schlecht! Aber wie gut? Kein wirklich zählenswerter Vorteil, denn das Geld zählt nur, wenn man es ausgegeben hat. Ausgegeben beim Ersteigern des Bauplatzes für ein Hochhaus. Dafür sind die Gelegenheiten allerdings sehr selten, und Geldscheine gibt es auch in den Händen der Mitspieler massig, so dass der Biet-Vorteil kaum messbar ist. Und das Ansiedeln eines Geschäftes in der Nähe meiner Hochhäuser ist kostenlos, dafür brauche ich überhaupt kein Geld.

Fazit: Als weitaus bester, wenn nicht gar als einzig sinnvoller Spielzug stellt sich heraus, ein beliebiges Geschäft in der Nachbarschaft zu einem bereits bestehenden, eigenen Hochhäusern anzusiedeln. ALLE Spieler werden das tun. Und da bei Spielbeginn jeder Spieler bereits zwei solcher Hochhäuser auf dem Spielbrett verteilen durfte, hat auch kein Spieler Schwierigkeiten, eine solche Nachbarschaft ausfindig zu machen.

Wenn wir das zwölf Mal getan haben, bei vier Spieler also jeder genau drei Mal, ist das Spiel zu Ende. Es kommt zur Schlusswertung und es werden diejenigen Spieler gewonnen haben, die die meisten Hochhäuser im Central Park gebaut haben. Warum im Central Park? Weil dort automatisch mindestens ein benachbartes Geschäft, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar zwei bis drei benachbarte Geschäfte stehen. Unser Spiel war zu Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Anstelle der angegebenen 60 bis 100 Minuten Spielzeit waren wir in knapp 20 Minuten durch! Und das am Westpark!

Haben wir etwas grob falsch gemacht? Wir durchforsteten die beste Spielregel des Jahres 2004, und wir durchforsten die Einträge bei BBG! Dort fanden wir u.a. den Kommentar: “If you play it long, you play it wrong!” Nein, wir haben alles richtig gemacht, wir haben es nahezu in Rekordzeit über die Bühne gebracht. Das Spiel funktioniert schlichtweg nicht!

WPG-Wertung: Aaron: 3 (aus meiner Sicht broken; dazu – für die kurze Spielzeit – auch nicht ausbalanciert), Günther: 4 (komisch; Kooperation könnte das Spiel interessant machen, aber dazu bräuchte man eine Anleitung), Peter: 4 (weil es nicht so lang ist), Walter: 3 (eckige Mechanismen, habe das Schicksal nicht in meiner Hand).

Ein euphorischer 10-Punkte Kommentar bei BBG lautet: “Hurra, zum ersten Mal ein Spiel gewonnen!” Ist das der Geist, aus dem Qualität gemacht wird?

3. “Witches”

Letzten Monat lag das kleine, lockere Stichkarten-Spiel zum ersten Mal bei uns auf, und Aaron hat es bereits beschrieben. Diesmal waren Peter und Walter Neulinge, und sollten die positive Meinung („mehr Feinheiten als auf den ersten Blick erkennbar“) unterstreichen.

Walter kann dies aus voller (Bridge-)Überzeugung tun. Jeder Spieler erhält gleich zu Beginn seine vollständige Kartenhand und kann darüber grübeln, wie er sie am besten KOMPLETT abspielen wird. A la „Flaschenteufel“ darf er dann nach einer groben taktischen Vision drei „schlechte“, d.h. taktisch-unpassende Karten an einen Nachbarn weitergeben und bekommt entsprechend „unpassende“ Karten von einem anderen Nachbarn zurück. Jetzt macht sich bereits die Vision bezahlt, nämlich wenn man die empfangen Karten in seine Strategie (!) einbauen kann!

Merkt Euch die gefallenen Karten ALLER Farben! Wisst auf alle Fälle von jeder Farbe, ob (besser: wieviel) höhere oder niedrigere Karten, als ihr sie auf der Hand habt, noch im Spiel sind. Achtet auf die Exit-Karten, mit denen ihr sicher vom Stich gehen könnt! Macht auch mal einen unliebsamen Stich, nur damit ihr selber eure Problemkarten aus- bzw. wegspielen könnt, um hinterher in ein sauberes, stichfreies Endspiel übergehen zu können. All das ist in diesem Spiel drin, trotz oder gerade wegen der verklausulierten Bedeutungen der grünen Feuerkarten und der andersfarbigen Hexen und Zauberer.

Peter war nicht so sehr davon überzeugt: „Ich finde es nicht soooo unterhaltsam; zuviel entscheidet sich über die grünen Karten“!

WPG-Wertung: Aaron: hob seine bisherigen 6 Punkte auf 7 an, selbst Günther legte einen Punkt zu auf 7 („ich ändere äußerst selten meine Wertung“), Peter: 5, Walter 8 (einfach, stimmig, man macht Fehler, und das zeichnet doch ein großes Spiel aus!).

27.05.2015: Wer kehrt, oder Who Cares?

Manchmal bringen Urlaube, Krankheiten und Enkelbesuche unsere Spieleabende ganz schön durcheinander. Seit dem letzten Spielbericht sind jetzt vier Wochen vergangen und wir haben in dieser Zeit gerade einmal zwei Abende gespielt. Sei’s drum, hiermit wird der Spielbericht vom 29.4. nachgeholt und der von gestern pünktlich geliefert, auch wenn unser Lieblings-Host ihn diesmal nicht schreiben kann, weil er heute bereits in den Urlaub fährt.

1. Indoor Curling

Als in Bayern Lebende kennen wir uns natürlich mit der britischen Variante des Eisstockschießens bestens aus. Grobmotoriker und Menschen mit schlechter Hand-Auge-Koordination sind da bekanntermaßen chancenlos.

Kosmos hat versucht, die Curling-Bahn und die Steine so nachzubilden, dass damit unter Anwendung der Originalregeln so etwas ein Curling-Gefühl auf dem Spieltisch entstehen könnte. Die Bahn besteht aus einer rutschigen Kunststofffolie und die Steine aus kleinen Kunststoffteilen, die den echten Steinen in ihrer Form nachgebildet sind. Damit die dann auch möglichst widerstandslos über die Folie gleiten, besitzen sie im Innern eine Stahlkugel, die aber letztendlich über die Bahn rollt. Da ist dann auch schon der Bruch mit der Curling-Realität: Die Kunststoffsteine rollen statt zu gleiten und damit ist das wesentliches Element des Steindrehens (Curling!) nicht mehr abbildbar. Und ebenso dienen die beigelegten Schwämme nicht dazu, der Bahn unterschiedlichen Widerstand zu verleihen, sondern sind ausschließlich dafür gedacht, Fettfinger-Tatzer auf der Folie zu entfernen.

Das Gefühl, hier so etwas wie Curling zu spielen, kann also nicht wirklich aufkommen. Es bleibt beim eher munteren Losrollen der eigenen Steine Richtung Haus und der Hoffnung, die gegnerischen dabei irgendwie weg zu kicken, wobei einem die nicht immer präzise laufenden Steine dabei oft genug einen Strich durch die Rechnung machen.

Die Schwächen in der Umsetzung (oder vielleicht unsere zu hohe Erwartungshaltung) dämpften den Spielspaß dann doch erheblich. Vielleicht hätten wir vorher mehr von Moritz‘ exzellentem Whisky trinken sollen…

WPG-Wertungen: Moritz 3 (kein Spielspaß), Günther 7 (funktioniert als Dödelspiel), Aaron 5 (funktioniert halbwegs, keinerlei Innovation und fehlende Anpassung an die Tischsituation)

2. Witches

Das 2013 erschienene „HeartSwitch“ wurde von Amigo im letzten Jahr als „Witches“ herausgebracht mit einem Thema, das zum ebenfalls dort vor vielen Jahren erschienenen „Wizard“ passt. Wie bei „Wizard“ haben wir auch hier ein Stichspiel vor uns. Allerdings versuchen wir nicht, die Anzahl der Stiche vorherzusagen, sondern möglichst wenige „Feuerpunkte“ zu erhalten, wenn wir einen Stich nehmen müssen, oder, als Alternative mit entsprechendem Risiko, alle Karten mit Feuerpunkten abzustauben.

Zu Beginn eines Durchgangs werden alle Spielkarten (im Wert von 1 bis 14 in 4 Farben plus 4 Zauberer ohne Farbe und Wert 0) an die Spieler verteilt. Ähnlich wie bei „Flaschenteufel“ betreiben die Spieler vor jedem Durchgang ein bisschen Kartenhandpflege, indem sie Karten an ihren Tischnachbarn weitergeben. Gespielt wird dann nach klassischen Stichspiel-Regeln: die angespielte Farbe muss bedient werden, es sei denn, man spielt einen Zauberer. Die höchste Karte der angespielten Farbe gewinnt den Stich und wird neuer Ausspieler.

Die Würze des Spiels sind Sondereigenschaften der Hexen-Karten (Wert 11, in der Farbe Grün auch die 12). Drei Hexenkarten bringen zusätzliche Feuerpunkte, zwei verringern oder negieren gesammelte Feuerpunkte. Falls ein Spieler alle Feuerkarten gesammelt hat, bestimmen seine Hexenkarten die Anzahl Minuspunkte, die die anderen Spieler kassieren.

„Witches“ spielt sich schnell und relativ locker und ist ein typisches Absackerspiel, das man gerne mehrmals hintereinander spielt.

WPG-Wertung: Andrea 7 (flottes Partyspiel), Günther 6 (einfach, schnell, hoher Glücksfaktor)
Moritz 7 ( mehr Feinheiten als auf den ersten Blick erkennbar), Aaron 7 (locker)

3. The Game

Kooperative Spiele sind bei uns bisher noch nie gut angekommen. Deshalb haben wir uns aus einem „6 nimmt!“ den für „The Game“ notwendigen Kartensatz selbst gebastelt, um dieses für das Spiel des Jahres nominierten Spiel einmal gespielt zu haben. Es könnte ja sein, das diesmal der Funke überspringt. Umso mehr, als das bei „The Game“ der Anführereffekt („Mach jetzt mal das!“) wegen der verdeckten Kartenhand nicht besonders stark ausgeprägt ist.

Worum geht es? Auf insgesamt 4 Kartenstapel müssen die Spieler gemeinsam versuchen, alle 98 Karten (von 2 bis 99) abzulegen, auf zwei Stapel absteigend bis zur 2, auf den beiden anderen aufsteigend bis zur 99. Es wird reihum gespielt und jeder Spieler muss mindestens 2 Karten auf beliebige Stapel ausspielen und danach seine Kartenhand wieder auffüllen. Sobald der Nachziehstapel aufgebraucht ist, dürfen die Spieler auch nur eine Karte ausspielen.

Das Ganze wäre ziemlich unmöglich, gäbe es nicht die Zusatzregel, die es erlaubt, auf den aufsteigenden Stapeln auch eine Karte zu spielen, die exakt 10 niedriger ist als die oberste dort Liegende bzw. exakt 10 höher auf den absteigenden zwei Stapeln. Es gibt also einen kleinen „Rücksetzefffekt“.

Das Spiel endet, sobald ein Spieler keine Karte mehr ausspielen kann. So wie die Spielregel formuliert ist, träte das Spielende auch ein, wenn ein Spieler keine Handkarten mehr besitzt und dann wieder an der Reihe ist. Wir haben dies als Regelunschärfe definiert und so gespielt, dass dieser Spieler dann einfach übergangen wird und das Spiel weiterläuft.

Es ist laut Regeln explizit verboten, anderen Spielern Hinweise mit der Nennung konkreter Zahlenwerte zu geben. Erlaubt sind aber Hinweise darauf, auf welche Stapel die anderen Spieler möglichst keine Karte ablegen mögen (um dann z.B. ein Rücksetzen ausführen zu können, wenn man an der Reihe ist). Unser Mensa-Mitglied „Ich weiß eh alles (besser)“ mit Anführereffektneigung  nutzte diese Regel dann auch oft genug, um gleich zwei Stapel zu blockieren. Bei 5 Spielern nicht unbedingt die beste Vorgehensweise.

Unser Spiel endete, bevor alle Karten ausgespielt waren. 8 blieben übrig, wir hatten also verloren, ob nun hoch oder nicht, wissen wir nicht. Moritz hatte auch einen Vorschlag für eine geniale Gewinnstrategie: Karten mit der Endziffer 2 werden nur gespielt, wenn absolute Not am Mann ist, ansonsten aber auf der Hand gehalten, damit dann irgendwann alle Spieler in einem Super-Coup einen Stapel komplett auf die 2 zurücksetzen können. Unsere Mathematiker am Tisch bezweifelten, dass das funktioniert, was letztendlich dazu führte, dass ein zweiter Durchgang beschlossen wurde, um dies zu beweisen.

Dass dieser Durchgang nach der Hälfte von einen Spieler durch das Ausspielen aller Handkarten zwangsbeendet wurde (der nachfolgende Spieler konnte nirgendwo mehr anlegen), weil er keine Lust mehr hatte weiterzuspielen, verhinderte leider eine Verifikation der Moritzschen Gewinnstrategie. Keine hatte Lust auf eine dritte Runde.

WPG-Wertungen: Moritz 5 (mit Walter am Tisch: 2), Walter 3 (überhaupt kein Pfiff und keine Spannung), Peter 3 (macht keinen Spaß), Günther 3 (fällt keine Spielerrunde ein, in der ihm dieses Spiel Spaß machen würde), Aaron 4 (weiß nicht warum er dieses Spiel noch einmal spielen sollte und fragt sich, warum es nominiert wurde).

4. Broom Service

Als Nächstes lag einer der für das Kennerspiel des Jahres Nominierten auf dem Tisch. Die Nominierung ist alleine schon deshalb bemerkenswert, als dass „Broom Service“ eine Weiterentwicklung des 2008 nominierten „Wie verhext!“ desselben Autors ist. Sehen wir es mal positiv, dass die Jury durchaus auch bereit ist, einem Spiel eine zweite Chance zu geben. Bei uns war der Vorgänger mit einer Durchschnittswertung von 5,3 nicht besonders gut angekommen und wir waren gespannt, ob uns die Weiterentwicklung jetzt besser gefällt.

Broom ServiceJede der 7 Spielrunden läuft identisch ab: die Spieler wählen aus ihren 10 Charakterkarten 4 aus, die sie in dieser Runde nacheinander ausspielen. Die Charaktere besitzen unterschiedliche Eigenschaften/Aktionen wie die Generierung von Ressourcen, dem Bewegen der Spielfiguren bis hin zum Liefern von Zaubertränken an Türme für Siegpunkte. Der Clou (und Hauptmechanismus) ist die Möglichkeit, eine Charakteraktion mutig oder feige auszuführen. Spiele ich sie feige, ist die Aktion schwächer aber ich kann sie dafür sicher ausführen. Spiele ich sie mutig, ist sie stärker, aber wenn ein anderer Spieler nach mir den gleichen Charakter ebenfalls mutig ausspielt, verliere ich die komplette Aktion. Es gilt also, geschickt zwischen Risiko und Sicherheit abzuwägen.

Diese Unkalkulierbarkeit, ob man eine Aktion ausführen kann oder nicht, hatte uns schon beim Vorgänger nicht besonders gefallen. Hier ist mit der feige/mutig Entscheidung und der Bewegung auf dem Spielplan etwas mehr Berechenbarkeit ins Spiel gekommen. Leider wirkte sich das in unserer Runde nicht wirklich positiv aus. Außer Moritz war jeder der Meinung, doch zu stark von den Aktionen der Mitspieler abhängig zu sein. Diese eigentlich positiv zu wertende Interaktion wirkte auf uns eher als pures Mitspielerchaos. Vielleicht haben wir nicht lange genug über unsere Züge gegrübelt? Aber das hätte es auch nicht besser gemacht.

Für mich, der gestern eher aus dem Bauch heraus spielte, weil ich keine Lust zum Grübeln hatte, war jedenfalls nach 4 Runden der Frust dank misslungener Planungen und gefühlter völliger Abhängigkeit von den Zügen der Mitspieler das Spiel gelaufen. Die letzten 3 Runden boten ohne weiteren Spannungsaufbau nur noch „more of the same“ ohne Abwechslung.

WPG-Wertung: Moritz 8 (habe immer einen Plan gehabt), Walter 3 (Pseudoplanspiel genau wie Robo Rally), Peter 2 (reines Glücksspiel, das viel zu lange dauert), Günther 5 (Mitspielerchaos mit Planungselementen), Aaron 4 (kein Spannungsbogen und zu viele Frusteffekte)

5.Viticulture

Wieder mal eines dieser berüchtigten Kickstarter-Projekte. Nachdem in der vorliegenden 2. Auflage einige grobe Schnitzer ausgemerzt wurden und die Resonanz in Vielspielerkreisen überaus positiv ist, habe ich mir das Spiel nun doch zugelegt. Der etwas hohe Preis wird mit einer exzellenten Ausstattung belohnt: viele Holzteile in den Spielerfarben, und zwar nicht die üblichen Standardformen und Farben sondern Spezialteile abgestimmt auf das Spielthema. Das Spielbrett und die Spielertafeln sind zweiseitig bedruckt, eine mit Erläuterungen und die andere mit der reinen Illustration. Ob es das alles gebraucht hätte sei mal dahingestellt, ist aber vielleicht typisch für erfolgreiche Kickstarterprojekte mit vielen „stretch goals“. Nun stellt sich die Frage, ob hinter dem vielen Chrom auch ein ebenso feines Spiel steckt.

Jeder Spieler betreibt ein Weingut, dass in seiner Startaufstellung aus drei leeren Feldern, zwei Pinot-Reben und drei Arbeitern mit etwas Geld besteht. Die Reben gilt es zu pflanzen, weitere Reben zu erwerben und ebenfalls zu pflanzen, die Trauben zu ernten, den Wein zu keltern und letztendlich damit Aufträge zu erfüllen, um Siegpunkte zu kassieren. Das Spiel endet, sobald der erste Spieler 20 SP besitzt.

Das Thema ist mit seinen vielen Details stimmig umgesetzt. So gibt es die 4 Jahreszeiten mit den wichtigen Aktionen im Sommer und im Winter, unterschiedliche Ausbauten wie Spaliere oder Bewässerungssysteme, die erst erworben werden müssen, um einige Rebsorten anpflanzen zu können oder Saisonarbeiter bzw. –gäste, die einem Vorteile gewähren. Und über die Merkwürdigkeiten, dass Roséwein ebenso wie der Schaumwein aus roten und weißen Trauben gemischt wird, wollen wir mal im Sinne der Vereinfachung der Spielmechanismen hinwegsehen, oder wird das in den USA tatsächlich so gemacht?

Wegen der recht knappen Startausstattung beginnt das Spiel etwas schleppend und wird massiv von verdeckt gezogenen Karten beeinflusst. Das hat einerseits den Vorteil, dass sich die Aktionen der Spieler schnell in unterschiedliche Richtungen entwickeln, aber auch den Nachteil, dass es gefühlt seeehr langsam losgeht und man sich gerne vom Pech beim Kartenziehen benachteiligt fühlt. Das Rad dreht sich dann aber nach ein paar Runden immer schneller und die Zunahme an Siegpunkten pro Runde nimmt gerade für Zurückliegende eine bedrohliche Größenordnung an.

Leider konnten wir das Spiel nicht zu Ende spielen, da unser Mensa-Mitglied für das Erreichen der optimalen ÖPNV-Verbindung mit einer Einsparung von immerhin 8 Gehminuten gerne einmal alles stehen und liegen lässt. Alle hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Weingüter soweit ausgebaut, dass sie rund liefen und das Spiel in einer, spätestens zwei Runden beendet sein würde. Schade.

WPG-Wertung: Moritz 6 (Thema stimmig umgesetzt, Karteneffekte etwas zu krass), Walter 6 (eigentlich ein 8-Punkte-Spiel aber etwas zu langatmig zu fünft, Planbarkeit durch Karteneffekte eingeschränkt), Peter 7 (im Weggehen zugerufen), Günther 6 (etwas zu kartengetrieben), Aaron 7 (zu fünft zu lang, ansonsten stimmig und interaktiv)