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20.02.2013: Der Westpark im Asyl

Unser Malermeister Stefan werkelt wieder am Westpark. Jetzt werden die Treppen geschliffen und gestrichen. Dank modernster Staubsauger hält sich der anfallende Staub in Grenzen, doch als Spiellokalität kann die Baustelle nicht benutzt werden. Peter und Loredana sprangen als Gastgeber ein und luden in ihre wunderschöne Wohnung nach Schwabing ein. Nach zwölf Jahren gemeinsamen Westparkgamerns war Walter erstmals dort zu Gast.

1. “Yunnan”

Yunnan - Tee- und Pferderoute
Yunnan – Tee- und Pferderoute

Argentum hat Aarons Eigenentwicklung fest in den Griff genommen, um es dieses Jahr in Essen herauszubringen. Es kommt nochmals ein ganz neuer Wind hinein, wenn ein Profi-Verlag den letzten Schliff an einer Spieleentwicklung übernimmt. Das Neudesign des Spielbretts mit seinen spieltechnischen Merkhilfen hat auch in unseren Augen eine ganze Stufe neuer Qualität hinzugewonnen. Die verschiedenen Stärken und Schwächen der Mitspieler-Entwicklung sind jetzt auf einen Blick für jedermann erkennbar. Ein Teil der unvermeidlichen Rechenarbeit (Additionen und Multiplikationen im unteren Zahlenraum) wird von Tabellen übernommen.

Eine ganze Reihe Testgruppen von Gelegenheits- bis zu Vielspielern durften bei Argentum ihren Senf abgeben. Nach Ansicht des Verlags „verlief jede Partie anders“. Was zweifellos als Qualitätsmerkmal anzusehen ist. Zu groß ist das Angebot alternativer Gewinnstrategien, von denen sich jede einzelne innerhalb eines bestimmten Mitspielerchaos’ (= im positiven Gewurl der verschiedenen Mitspieler-Ambitionen) als überaus erfolgreich erweisen kann, und mit der man zum Sieg schießt. Das Schießen liegt aber nicht an einer ausufernden Balance, sondern an der Vielzahl aussichtsreicher Zug-Optionen. Aaron hast die verschiedenen Möglichkeiten nicht ausgebremst, um die Mitspieler auf einen goldenen Mittelweg zu zwingen, sondern er hat sie gefördert, so dass jede einzelne für sich die Chance auf einen Gesamtsieg bietet. Und für das nächste Spiel Überlegungen herausfordert, diesen Siegespfad entweder selber zu nutzen oder den anderen zu verbauen.

Auf dem Aktionen-Tableau, wo die einzelnen Spieler um ihre Entwicklungsfortschritte an Masse und Beweglichkeit, an Stärke und Resourcen bieten, findet ein regsamer Verdrängungswettbewerb statt. Ein sicheres Indiz für eine wohlporportionierte Bilanz von Angebot, daraus resultierenden Vorteilen und vorhandener Geldmasse. Und wenn zu viele Mitspieler sich hier einmal ambitioniert verausgaben, dann lohnt sich ein einmaliger, schneller Gang zur Bank, um für die nächsten paar Runden alle Geldsorgen loszuwerden.

Nach einer knappen Stunde Spielzeit ist die Schlacht geschlagen. Neuling (und Hausherr) Peter gewann. Vor Günther. Entweder ein Zeichen für seine überragende Intelligenz und Spielplanung, oder ein Zeichen für die vielen netten Überraschungen, die Yunnan bereithält. Alle Verlierer wußten oder ahnten, dass sie etwas falsch gemacht hatten. Nur Aaron hatte alles richtig gemacht. Er war der Non-playing-Protokollführer und sammelte Erfahrungspunkte für neue Detailgespräche mit dem Argentum Verlag.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklung.

2. “T-Rex”
Gastgeber Peter forderte nostalgischen Spielgenuß und legte eine ganze Latte alter und antiquierter Spiele aufs Parkett. „San Juan“ : das geht doch bloß zu viert! „Bluff“ : doch nicht den ganzen restlichen Abend! „Havoc“ : etwas zu pokerig, und was der Spiele und der Ablehungsslogans noch mehr sind. Schließlich landeten wir bei „T-Rex“, vor 10 Jahren gleich zweimal von Aaron und Moritz mit einem englisch-sprachigen Report bedacht.
Jeder Spieler hat das gleiche Set von Karten, von dem er aber immer nur einen zufällig ausgewählten Teil zum Spielen auf der Hand hält; die restlichen Karten liegen als verdeckte Nachziehstapel auf dem Tisch.

Reihum spielt jeder Spieler eine Karte aus und darf dann

  • ein bis drei Karten nachziehen

oder

  • eine Wertung einleiten

Ist eine Wertung eingeleitet, darf jeder Spieler noch genau eine Karte spielen (mit den gleichen Effekten wie oben). Ist eine der nachgespielten Karten wiederum Wertung-einleitend und mit zwar mit höheren Wert als die aktuelle Karte, so wird die Wertungseinleitung prolongiert, d.h. jeder Spieler darf / muss jetzt noch eine Karte spielen. Danach wird geschaut, wer die höchstwertige Karte vor sich liegen hat. Dieser Spieler bekommt ein einfarbiges Kuckucksei. Wer am Ende die meisten Eier hat, hat gewonnen. Gleichfarbige Eier bringen eine quadratische steigende Siegpunktquote.

Eine Mischung aus Glück und Mitspielerchaos führen zum Sieg. Man kann das auf zweierlei Weise angehen:
Ernsthaft: dann geht das Ganze ziemlich verkniffen über die Bühne
Locker: dann ist das ein reiner Zeitvertreib.

Wir spielten es überwiegend locker. Unsere begleitenden locker-lästerlichen Kommentare veranlaßten Peter zum leidensvollen Kommentar: „Mit Euch spiele ich das nicht mehr!“

WPG-Wertung: Aaron: reduzierte seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Günther: gesellte sich mit erstmal vergebenen 5 Punkten dazu, die anderen blieben bei ihrer im Schnitt 2 Punkte höhreren Wertung.

3. “Traumfabrik”
Aaron suchte mittels seines „Spielefinder“ (ein Menue-Punkt links auf unserer Internet-Seite) ein 5-Personen-Spiel, das Loredana glücklich macht. Die ehemals ausgiebig getesteten 2-Personen-Spiele mit Peter werden schon lange nicht mehr kommentiert. Wir landeten bei der „Traumfabrik“, vor 9 ½ Jahren letztmals am Westpark aufgelegt, mit 10 Punkten von Peter und 9 von Loredana höchlichst eingestuft.

Aaron kramte etwas süffisant unsere damalige Spielkritik hervor:

Dabei handelt es sich doch nur um ein simples Versteigerungsspiel. Keine großen Strategien, keine rätselhaften Abenteuer, keine tödlichen Gladiatoren-Kämpfe, lediglich trivialer Geldeinsatz zum Anwerben von Personal für die Realisierung von Filmprojekten.“ und „Jeder verfolgt seine eigene Strategie des ersten Anscheines, ohne viele Gedanken daran zu verschwenden, welcher Blumentopf dabei herausspringen könnte. Zum Glück, denn wenn alle die wahre, geprüfte und für gut befundene Strategie einschlagen, dann ist Traumfabrik nur noch ein Versteigerungsspiel. Ein simples.“

Zweifellos muss man das Prinzip loben, wie die gebotenen Summen für Regisseure, Kamera, Schauspieler, Spezialeffekte und Musik wieder unter die Leute gebracht werden. Einer guten Designidee entsprechen auch die beiden Felder, in denen die Filmrollen nicht versteigert werden, sondern von denen jeder Mitspieler genau eine Rolle kostenfrei bekommt, so dass auch ein Spieler, der sich bei einer Versteigerung gerade total verausgabt hat, nicht rundenlang nur passiv zuschauen muss.

Und die Querwirkungen von aktuellem Besitztum und Startspielerposition auf Bonuspunkte und Zugriffsvorteile stellen sogar eine planerische Herausforderung dar. Daneben sind Filmtitel wie „Vom Winde verweht“ und Schauspieler wie „Marilyn Monroe“ durchaus von cineastischer Attraktivität.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte schon wieder seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Loredana reduzierte auf 7, die anderen wollten Peters 10-Punkte-Euphorie nicht weiter beschädigen.

4. “Bluff”
Heiße Diskussion um das regelgerechte Nachwürfeln. In der „Spielerweiterung für ultracoole Zocker“ heißt es dazu wörtlich: „Während eines Durchgangs hat jeder Spieler die Möglichkeit, neu zu würfeln.“ Gilt diese Zusatzregel auch für den Startspieler? Darf auch der Startspieler würfeln, die Würfel anschauen, einen oder mehrere Würfel offen herauslegen, eine beliebige erste Vorgabe machen und dann die restlichen Würfeln nachwürfeln? Ist dem Startspieler diese Option genommen, oder gilt das „während“ im Regelheft – in älteren Auflagen sogar noch unterstrichen – auch für dem Beginn eines Durchgangs? Günther plädierte aus Symmetriegründen heftig für das Recht des Startspielers auf eine im Prinzip unsinnige und bei uns noch nie praktizierte Zusatzaktion.

Ändert sich der Spielcharakter, wenn der Startspieler nach seinem ersten Wurf einen Würfel herauslegt und nachwürfelt? Alle hielten den Unterschied für „minimal“, nur Peter empfand ihn als „monströs“ und versuchte dies leidenschaftlich bis verzweifelnd seinen vernagelten Mitspielern klar zu machen. Endlich ging der Versammlung das Licht auf: Legt der Startspieler einen Würfel heraus und würfelt nach, so sind die Augenzahlen aller verdeckten Würfel stochastisch gleichverteilt. Selbst für einen dummen Computer wäre es ein Kinderspiel, die Wahrscheinlichkeiten für Erhöhen oder Anzweifeln zu berechnen. Das Bluff-Element ist gleich Null!

Leitet der Startspieler aber anhand lediglich seines Erstwurfes die Zocker-Sequenz ein, dann wird das Spiel seinem Namen gerecht, erst dann hat das überaus reizvolle psychologische Bluff-Element seinen würdigen Platz bekommen! Wirklich ein monströser Unterschied!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

26.09.2012: Rauf und Runter auf der Seidenstraße

Anfang September war Aaron auf einem dreitägigen Seminar über „Grundlagen der Spiele-Entwicklung“. Der (auch in der Spielszene) engagierte Christwart Conrad (u.a. „Pfeffersäcke“) vermittelt hoffnungsvollen und hoffnungslosen Spiele-Autoren das Rüstzeug, in ihren wild wuchernden Ideen möglicherweise genießbare Früchte zu erkennen und sie durch fachmännisches Beschneiden in bekömmliche Bahnen zu lenken.

Am Ende gab Lother Hemme von den „Ravensburgern“ noch einen Einblick in das quirlige Leben, das sich bei renommierten Spielverlagen am Eingangstor für Autoren abspielt. 1500 Spiele-Ideen werden jedes Jahr bei den Ravensburgern eingereicht. Ein Großteil davon sind (leider nur) Varianten von Mensch-ärgere-Dich-nicht, Monopoly und Kniffel. Solche werden a priori aussortiert. Etwa 500 Spiele schaffen es durch das Eingangsfilter. Die anschließenden Testprozeduren in ausgewählten Spielerkreisen benötigen nochmals bis zu einem ganzen Jahr. Solange muss der Autor warten, bis er erfährt, ob sein Spiel angenommen wird oder nicht. Nur etwa 20 der ursprünglich 1500 eingereichten Spiele schaffen die Reifeprüfung und werden produziert. Bei den Ravensburgern im Durchschnitt in einer Auflage von immerhin 65.000 Stück. Mit einem Honorar von 3 bis 6% des Händler-Einkaufspreises ist der Autor dann dabei.

21 Teilnehmer waren zur Fortbildung angetreten. Jeder hatte mindestens ein eigenes Spiel in der Tasche. Manchmal nur das Material, manchmal nur die Idee, meist aber auch beides. Aaron war mit seinem „Yunnan“ angetreten. Die Resonanz war positiv. Es gibt sogar schon einen Verlag, der dafür sein Eingangstor aufgemacht hat. Ausreichend Gründe, die Effekte der neuesten Beschneidungsmaßnahmen mal wieder unter die Lupe zu nehmen.

1. “Yunnan”
So nebenbei hatte Aaron auf dem Seminar gelernt, wie man richtige Spielschachteln bastelt. Flugs hatte er sein Wissen umgesetzt: aus einer perfekten Box mit gefälligem Design und professionellen Aufschriften für Spieleranzahl, Spiedauer und Schwierigkeitsgrad brachte er seine Pöppel, Scheiben, Klötzchen, Spielplan, und Kurzanleitungen hervor. (Siehe Bild!)Yunnan box & contents
Wir managen Händler, Schlägerbanden, Pferde, Kontore und Bergstraßen. Wir ersteigern die Steigerung der Potenz oder wir gehen zur Bank und kassieren Teile des öffentlichen Potenzsteigerungserlöses. Wir machen Gewinne, die wir in Siegpunkte umwandeln oder uns für unsere nächsten Investitionen in Bargeld ausschütten lassen.

Aarons letzte Änderungen gingen im Wesentlichen gegen die Übermächtigkeit der Bank: Wer sich auf den Entwicklungsleisten engagiert hat, darf jetzt nicht mehr in die Bank gehen, und wer in die Bank gegangen ist, darf sich nicht mehr entwickeln. Zudem zahlt die Bank nur noch einen Bruchteil des dort eingesammelten Geldes. Die Kontore wurden lukrativer gemacht und ein zu einseitiges Vorpreschen der Händler wurde erschwert. Moritz grummelte: „Komisch, dass Du immer die Regeln gegen die Strategien änderst, mit denen ich jeweils gewonnen habe!“

Aber Moritz wäre nicht Moritz, wenn er nicht sofort eine neue aussichtsreiche Strategie ausfindig machen würde. Er behielt immer nur genau soviel Geld zurück, wie er für den nächsten genau anvisierten Entwicklungsschritt benötigte und legte den Rest unverzüglich in Siegpunkten an. Damit kam er vom Start weg auf der Siegpunktleiste voran und drohte, vorzeitig die Sieg-Ende-Bedingung zu erfüllen. Sofort machte sich auch Walter diese Strategie zu eigen, und zwar so erfolgreich, dass er nach wenigen Runden weit vor Moritz, Aaron und Günther (sic!) die Ziellinie überschritt.
Vergeblich versuchte Günther zu argumentieren, dass diese offensichtliche Siegstrategie eigentlich keine Strategie sei, dass es mathematisch gesehen absolut unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt man sein Geld in Siegpunkte verwandelt, wenn man es nur rechtzeitig vor Schluss täte. Er drang damit nicht durch. Wer hört schon auf den Letzten! The winner takes it all!

Neue Regeln, neue Erfahrungen. Aaron schlug gleich eine zweite Runde mit ein paar bereits vorbereiteten Erweiterungen vor. Frohgemut wurde der Vorschlag angenommen. Lust und Frust in der Seidenstraße waren weiterhin ungebrochen.

Nun kamen zufallsgestreute Ereigniskarten ins Spiel, die auf das Händlergetümmel in der Seidenstraße einwirkten: in jeder Region wird die Anzahl der Händler begrenzt. Von den überzähligen Händlern werden diejenigen mit den schwächsten Schlägerbanden entfernt. Diese Neuerung erwischte heute immer wieder Moritz. Entweder hatte er die schwächsten Fäuste aufzuweisen oder er war gemäß Zugreihenfolge der Betroffene: ein, zwei, ja sogar drei seiner Händler mussten zurück in die Heimatfront befördert werden. Diese Schlüsselzuweisung ging ihm gewaltig auf den Keks. „Dann höre ich sofort auf!“ tönte er aufgebracht, als er mal wieder zwei Händler verlieren sollte. Er wollte die Belastung auf mehrere Köpfe verteilt sehen. Nur mit vereinten Engelszungen ließ er sich doch noch umstimmen, die Original-Spielregel des Autors unverändert zu akzeptieren. Doch er ließ zu Protokoll geben: „Ich finde diese Regel Scheiße!“ Wie kann man eine kreative Künstlernatur auch dazu zwingen, lebenswichtige Spielzüge unerbittlich genau dann zu tun, wenn sie notwendig sind!

Sein Spieleifer war gebrochen, nur noch „aus Höflichkeit“ spielte er bis zum Ende weiter. „Man wird gespielt! Es werden zu wenig Zugmöglichkeiten geboten, und über die muss man auch noch lange nachdenken!“ Ach Gott, wie lange würde ein Spiel am Westpark dauern, wenn es zu viele Zugmöglichkeiten gäbe, über die man auch noch lange nachdenken könnte!

Die unstreitig eingeschränkte Zugauswahl lag heute auch daran, dass kein einziger Spieler in die Bank ging. Die paar Kröten, die es dort gab, waren den Verzicht auf jeglichen Entwicklungsfortschritt nicht wert. Diese Restriktion mußte gelockert werden. Auf zum dritten Versuch. Immer noch mit Begeisterung. Ohne Gegenstimme. Mit freiem Zutritt zur Bank!

Beim dritten Spiel durfte man wieder gleichzeitig entwickeln und banken. Günther ging als Startspieler schnurstracks in die Bank. Da gerade in der Startphase für die Entwicklung keine Kosten gescheut werden, wurde er hier auch bei dem geringeren Bruchteil an Geld-Ausschüttung so reichlich mit Finanzmitteln eingedeckt, dass er die spätere Materialschlacht um Händler, Pferde und Kontore mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Die Flügel der Banken müssen wieder beschnitten werden. Aaron weiß schon, wie.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

“PS: Schachtel”
Bei MS-WORD habe ich ein Synonym für das Wort „Schachtel“ gesucht. Was glaubt Ihr wohl, was dort alles angeboten wird?! Von „Dose“ und „Behälter“ gelangt man über „Beleidigung“ bis hin zur „Frau“! – Ach, meine schmutzige Phantasie will die Synomye jetzt nicht weiter hinterfragen …

Grundlagen der Spiele-Entwicklung

Yunnan coverNachdem ich mich nun seit über einem Jahr mit der Entwicklung zweier Spiele beschäftige (“Yunnan” und “Trawler”) stelle ich fest, dass der Aufwand dafür erheblich größer ist, als anfangs gedacht. Zwischen den ersten Ideen für das Thema  und den Randbedingungen für die Mechanismen (“Strategiespiel mit viel Spielerinteraktion, Spielzeit unter 90 Minuten, keine oder nur wenige Glückselemente”) und der ersten wirklich spielbaren Version lagen viele Monate und etliche Themenwechsel. So wurde aus dem ursprünglichen Eisenbahnspiel ein Weltraumspiel und daraus dann das endgültige(?) Thema der Teelieferung aus Yunnan über die Tea-Horse-Road (ein dickes “Danke Schön” an Peer aus Berlin für den Tipp!). Beim etwas später entstandenen “Trawler”, dessen “Initialzündung” auf einer Tauchsafari in der Adamanensee stattfand, blieb das Thema (Hochsee-Fischfang) konstant und auch die Mechanismen passten von Anfang an recht gut. Zeigt sich da soetwas wie eine Lernkurve?Trawler cover

Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen mir, dass Spiele entwickeln doch irgendwie gelernt werden muss. Kreativität alleine reicht nicht, denn viel Schweiß fließt in das Balancieren der Spielmechanismen und deren Parameter. Von einer “Vermarktung” der Prototypen wollen wir hier noch gar nicht reden.

Die Jahresbände der Spieleautorentagung boten zu vielen Theman bereits eine erste Hilfestellung, aber dennoch habe ich das Gefühl, viel zu wenig Wissen mitzubringen, um vielleicht eines Tages ein eigenes, von einem Verlag produziertes Spiel in den Händen halten zu können.

Eher durch Zufall stieß ich auf Christward Conrads Seminar “Grundlagen der Spiele-Entwicklung”, das diese Jahr zum vierten Mal in Bad Homburg abgehalten wird (brettspiele.de.to/fortbildung-fuer-spieleautoren.html). Das Programm klingt interessant, der Kontakt zu anderen Spieleautoren vielversprechend, und die Möglichkeit, in neuer Runde die eigenen Spiele zu testen ist auch noch gegeben. Was will man mehr?

Also habe ich mich für das Seminar angemeldet und freue mich auf interessante Vorträge, Diskussion und Kontakte. Und wer schon immer mal einen Westpark Gamer persönlich kennenlernen wollte, selber Spiele entwickelt oder entwickeln möchte und vom 14.9. bis 16.9.2012 Zeit hat nach Bad Homburg zu kommen, kann sich ja noch bei Christward anmelden.

27.07.2012: Elektronik auf der Seidenstraße

Traditionsgemäß wird der Auswahl zum “Spiel-des-Jahres” am Westpark (und in anderen Vielspielerkreisen) mit einer gewissen Skepsis entgegengesehen. Ohne Günther kam der diesjährige Preisträger „Kingdom Builder“ auf glatte 5 Punkte. Am Samstag verschickte Günther per Email seine eigenen Eindrücke dazu:
„Ich habe gestern bei den Spuiratzn zweimal Kingdom Builder gespielt.
Als Familienspiel ist es schon recht komplex – speziell durch mehrere erworbene Eigenschaften und den mehreren Siegpunktbedingungen. Ja, es verführt sogar zum Grübeln – was in einigen Runden problematisch werden kann. Trotzdem spielt es sich recht flott- so ca. 1 Stunde braucht man für eine Viererpartie. In den ersten handvoll Runden muss man sehr aufpassen, denn es ist extrem wichtig, sich die für die weiteren Runden notwendigen Eigenschaftsplättchen zu sichern.
Ich gebe dem Spiel 7 Punkte- wenn der Grübelfaktor nicht wäre, sogar etwas mehr …“

1. “Octago”
2008 hat die PublicSolutions GmbH in Dresden unter dem Namen „Yvio“ eine elektronische Spielkonsole herausgebracht, die das Herzstück für eine ganze Serie von neuen Brett- und Party-Spielen sein sollte. Die Konsole steuert den Spielablauf, sie übernimmt all die lästigen Aufgaben wie Erklären, Vorgeben, Verteilen, Zählen und Werten, und kommentiert in wohlproportionierten Abständen den Spielverlauf. Eigentlich eine gute Idee.

Yvio Konsole
Die Yvio Konsole

Auch die Ausführung ist technisch sauber und spielerisch einladend gelungen. Trotzdem war das Konzept kein Markterfolg. Vielleicht hat es an dem hohen Preis von 70 bis 80 Euro pro Spiel-Realisierung gelegen. Die Firma ging geradewegs in den Konkurs und Günther hat aus der Konkursmasse für nur 50 Euro gleich 3 Spiele erstehen können.

In „Ortaco“ zieht jeder Spieler mit seinem Pöppel auf einem runden Spielbrett beliebige Felder vorwärts oder rückwärts auf rote, grüne, gelbe oder blaue Kreise, Sterne, Dreiecke oder Quadrate in einer roten, grünen, gelben oder blauen Region. Je länger eine Farbe oder Form nicht betreten wurde, desto mehr Form-Farben-Punkte gibt es für das Betreten des Feldes. Diese Punkte werden virtuell jedem Spieler zugeordnet und regionsspezifisch hochgezählt.

Durch Drücken der Wertungstaste kann ein Spieler jederzeit seine Form-Farben-Punkte einer Region in Siegpunkte umwandeln. Dabei wird die Punktanzahl mit einem Faktor multipliziert, der umso höher ist, je länger die vorhergehende Wertung in dieser Region zurückliegt. Ganz schön abstrakt, mit Hilfe der Spielkonsole aber kinderleicht zu bewältigen.

Reiner Knizia hat sich das ausgedacht und die damalige Presse hat es als „fantastisches neues Strategiespiel“ propagiert. Übliche journalistische Fehlinformation. “Octago” ist begrenzt phantastisch und enthält Null Strategie. Dafür genügend Raum für opportunistische Taktik: Es gewinnt der, der ein gutes Gedächtnis hat und sich am besten merken kann, auf welchen bunten Formen er und seine Mitspieler in jüngster Zeit gestanden haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (funktioniert, fraglicher Wiederspielreiz), Günther: 5 (das yvio-Spielprinzip als solches erhält 7 Punkte), Walter: 5 (die elektronische Führung ist gelungen, für einen älteren Herrn zuviel Memory-Bedarf).

2. “Quizzen” in der “Partytime”
Ebenfalls ein Spiel aus der Serie für die yvio-Spielkonsole. Diemal macht uns die Konsole einen geilen Quizmaster. Er führt uns akkustisch durch ein Quiz, „das Euch in den Wahnsinn treiben wird“. Es werden Auswahlfragen gestellt, die alle Mitspieler gleichzeitig mit einer der Antwortkarten A, B, C oder D beantworten sollen. Die schnellste richtige Antwort bringt zwei Punkte, eine langsame richtige Antwort einen Punkt und für eine falsche Antwort wird ein Punkt abgezogen.

Die Fragen sind von einem mittleren Günther-Jauch-Schwierigkeitsgrad. Z.B. „Was haben die Waisen aus dem Morgenlande nicht dabei? A: Gold? B: Seide? C: Myrrhe? oder D: Weihrauch? Zwischen die Fragerunden sind Intermezzos eingestreut, bei denen die Führenden etwas Federn lassen müssen und dem Letzten ein paar Trostpunkte zugeschustert werden. Sachgerecht und partygerecht.

Lustig – zumindest für die erste Begegnung – sind die Kommentare des Quizmasters. Er bescheinigt einem „intellektuellen Schlußlicht“ schon mal eine „besonders erheiternde Unfähigkeit“. Für Fragen, die kein einziger Spieler richtig beantwortet hat, kommt der Kommentar “Ihr habt alle verkackt“.

Wenn sich die lustigen Sprüche wiederholen, ist ein Großteil des Spielreizes wohl dahin. In unserem einen Quiz-Durchgang passierte das erst ansatzweise, doch die Tendenz ist erkennbar. Dann bleibt nur noch das Quiz übrig. Immerhin können acht Spieler daran teilnehmen. Manche mögens’s heiß.

Keine WPG-Wertung für ein Unterhaltungsspiel, das im richtigen Teilnehmerkreis die Wogen hochschlagen lassen kann.

3. “Yunnan”
Aaron legte mit Freuden der Dreierrunde den aktuellen Stand seiner Eigenentwicklung über den Handel auf der Tee- und Seidenstraße auf. Das vierte Mal allein in diesem Jahr (22. Februar, 11. April, 11. Juli) und seine beiden Mitspieler waren keineswegs nur aus Höflichkeit eifrig bei der Sache.

Beim letzten Mal hatten wir in einer 5er Runde die sagenhaften Möglichkeiten der Abstauber-Rolle in der Bank kennengelernt. Wer in den ersten beiden Runden zweimal hintereinander die Spielereinsätze auf seine Seite bringen konnte, dem ist der Gesamtsieg wohl nicht mehr zu nehmen. Doch Aaron hat hier jetzt eine Bremse eingebaut: Wer in die Bank geht, muß in der gleichen Runde auf alle Entwicklungsfortschritte verzichten: er darf keine Lager errichten, keine Händler einstellen, seinen Einfluß nicht stärken und seine Reichweite nicht erhöhen.

Dessen ungeachtet ging Günther als Startspieler mit seinem ersten Pöppel unverzüglich auf die Bank los. Aaron und Walter konterten mit einer Allianz und teilten das Angebot an Entwicklungsrichtungen zu billigsten Preisen unter sich auf. Günther konnte gerade soeben mal sieben Yüan auf sein Konto buchen.

Jetzt ging niemand mehr in die Bank. Der früher so begehrte Abstauberposten hatte seinen Glanz verloren. Doch für den Spielverlauf war das kein Verlust an Spaß und Dynamik. Es taten sich neue überraschende Spielzüge aus, deren Reichweite auch für die Analysten vom Westpark noch lange nicht auskalkuliert sind. Und die Bank blieb eine ständige Droh-Option für den Fall, dass die Mitspieler versuchen sollten, sich zu hohen Preisen gleich mehrfach Entwicklungsfortschritte an Land zu ziehen.

Früher als in früheren Spielen wurde bereits in der vierten Runde der Endspurt angezogen. Ein spannender Moment, der aber auch schon im Vorbereitungsgerangel der ersten Runden ständig in den Köpfen parat ist und parat sein muß. Eine Runde später war der Kampf entschieden. Den Schaden, den Günther mit seiner Geldgier in der ersten Runde erlitten hatte, war nicht mehr gut zu machen.
Alle waren bereit, sofort ein zweites „Yunnan“ zu absolvieren. Diesmal ging im gesamten Spielverlauf keiner in die Bank. Die größere Reichweite unter Vernachlässigung der Body-Check-Qualitäten bei taktisch-richtigem Ausnutzen der Zugreihenfolge gab den Ausschlag. Günther leitete noch früher, nämlich schon in der dritten Runde, den Endspurt ein und war – bei leicht überdurchschnittlicher Denkarbeit – nach 25 Minuten Spielzeit Sieger.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Black Jack
Über die schönsten Dinge des Lebens, über Internet-Fernsehen und Niederschlagsradar kam die After-Work-Diskussion zu Black Jack. Wußtet Ihr, dass bei optimalem Vorgehen (Einsatz Verdoppen, Splitten, Versichern etc.) ein Spieler seinen Basis-Einsatz durchschnittlich um 11,67% erhöht und am Ende NUR 0,53% pro Spiel verliert (Wikipedia)! Dieser Verlust ist noch deutlich geringer als beim Roulette! Und das macht es plausibel, dass man durch genaues Beobachten der verbrauchten Karten und entsprechendes Setzverhalten an einem „heißen“ Tisch den Gewinn-Erwartungswert über die Nullgrenze heben kann. Vielleicht!

Trotzdem bin ich beim Black Jack immer schneller mein Geld los als beim Roulette. Eine Runde ist ja auch viel schneller durchgezogen (geschätzte dreißig Sekunden dauert eine Austeilung gegenüber etwa zwei Minuten zwischen zwei „Rien-ne-va-plus“). Und ich muß ununterbrochen meinen Einsatz tätigen, während ich beim Roulette abwarten kann, bis meine Favoritenzahlen lange genug nicht gekommen sind!

Um 2 Uhr 30 war heute die Bank gesprengt und die Runde löste sich auf. Zwei Stunden später (!) als die Spielbank in Garmisch, der ich eine Woche zuvor mit meiner Tochter einen Besuch abgestattet hatte, und die bei einer noch geringeren Beteiligung als heute am Westpark gegen Mitternacht die Pforten schloß.

11.07.2012 : Eigengemachtes und Wiedergekäutes

Ein deutscher Spitzenspieler, ehemaliger Präsident des Deutschen Bridge Verbandes, traf kürzlich bei einem größeren Bridge-Turnier in den USA auf einen ehemaligen Weltmeister. Auch wenn auf solchen Turnieren jeweils nur zwei Partien gegeneinander gespielt werden, kann man dabei doch an Reizung und Abspiel erkennen, wes Geistes Kind die Gegner sind. Beide waren offensichtlich nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen gekommen.

Wenige Tage später trafen die beiden Paare bei einem kleineren Club-Turnier erneut aufeinander, und der Weltmeister sagte zu seinem Partner: „Here we meet two excellent Bridge players from Germany.“ Die Frau unseres Präsidenten korrigierte bescheiden: „Only one.“ Unverzüglich ergänzte darauf der Partner (des Weltmeisters): „I am sure, he will improve fast.“
Was ist hier größer, die Schlagfertigkeit oder die Galanterie?

1. “Yunnan”
Aaron bat darum, seine geburtswehende Eigenentwicklung im Fünferkreis vorzustellen zu dürfen. In wochenlangen Studien hat er weiter an den Balance-Schräubchen gedreht. Jetzt wollte er seine aktuellen Einstellungen gegenüber den unabhängigen Vorgehensweisen von fünf kritischen Geistern testen.

Wir sind Händler auf der Tee- und Seidenstraße noch weit hinter der Türkei und müssen unser Verkaufsnetz optimal ausbauen, um damit mehr Yuans einzufahren als die Konkurrenz. Mindestens drei verschiedene Strategien stehen zur Auswahl, die alle erfolgreiche Aussichten auf den Sieg eröffnen:

  • Manpower-Strategie: Die Anzahl unserer Händler erweitern, um schließlich mit vielem Kleinvieh den großen Mist zu machen.
  • Bodycheck-Strategie: Die brachialen Fähigkeiten unserer Händler ausbauen, so dass sie mit links die Konkurrenz aus dem Feld räumen können.
  • Wide-Area-Network-Strategie: Die Reichweite unserer Händler steigern, so dass sie als erste und einzige ihren Chá in den entfernteren Winkeln der Welt vermarkten können.

Innerhalb dieser Strategien müssen wir noch unser Verhältnis zur Startspieler-Position austarieren und unser Vorgehen beim Umtausch von flüssigen Geldmitteln in stationäre Siegpunkte optimieren.
Aaron hatte im Zuge seiner Spielentwicklung noch eine weitere Strategie ausgemacht:

  • Abstauber-Strategie: Bei jeder Gelegenheit zur Bank gehen und von dort die Hälfe der eingezahlten Geldmittel unserer Mitspieler auf unsere Seite bringen. Mit diesem – zur Zeit noch – ungeheuren Geldfluß dominieren wir nach wenigen Runden alle Investionsmöglichkeiten des Spiels.

Die 90 Minuten Spielzeit waren gekennzeichnet durch Spaß, Spannung und ein Höchstmaß an Interaktion. An allen Ecken und Enden prallten Potenzen und Strategien aufeinander. Horst gewann, weil er mit kaufmännischer Überlegung seine jeweils nächsten Runden plante und als erster in den Endspurt loszog, d.h. Geldgewinn in Siegpunkte verwandelte. Aaron wurde trotz Abstauberstrategie nur Zweiter; aber nur deshalb, weil er aus Testgründen bis zum Spielende am Abstauben festhielt und auf den Siegpunkt-Endspurt verzichtete.

Günther wurde Letzter! (Solche Ergebnisse darf man bei unserem Seriensieger für Strategiespiele immer ins Protokoll schreiben!) Sollte das etwa ein Hinweis darauf sein, dass „Yunnan“ kein Strategiespiel ist? Nein, das kann es nicht gewesen sein. Günther fühlte sich in der originären Startspieler-Reihenfolge zu Spielbeginn benachteiligt. (Idee bei Nachschrift: den Spielern abhängig von ihrer Startspieler-Position unterschiedliche Summen an Startkapital zukommen lassen!) Zudem saß er – wie immer – direkt hinter Aaron und litt so am meisten unter dessen konsequenter Abstauber-Strategie!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Horst und Walter waren mit der augenblicklichen Fassung schon höchst zufrieden. Mindestens ein 7-Punkte Spiel. Moritz hält sich bei „Workerplacement-Spielen“ vornehm zurück. Günther war mit der aktuellen Balance für die Abstauberstrategie absolut nicht einverstanden. Seine Behauptung, als fertiges Spiel bekäme „Yunnan“ in der jetzige Fassung am Westpark das Attribut „broken“, erntete allerdings heftigen Widerspruch.

2. “Rex – Final Days of an Empire”

Dreadnoughts
Nachdem Moritz geduldig auf der Tee- und Seidenstraße malocht hatte, durfte er als nächstes seinen Fantasy-Adventure-War-Game-Favoriten „Rex“ auflegen. Es ist ein Remake von Avalon Hill’s „Dune“ aus dem Jahre 1979. Fantasy Flight Games hatte aus der AH-Konkursmasse die Rechte am Spiel und seinen Mechanismen aufgekauft, der Titel war aber schon bei der Filmproduktion gelandet, so dass das Remake unter einem neuen Namen herauskommen musste.

Auf dem galaktischen Spielbrett sind 18 Regionen luftstraßen-artig miteinander verbunden. Wir bewegen unsere Pöppel durch die Regionen der Galaxis und sind zu einem Vernichtungskrieg gezwungen, wenn wir dabei auf eine Region stoßen, die schon ein Mitspieler besetzt hat. Das Ergebnis dieser Vernichtung wird einerseits durch die – erkennbare – Anzahl von Pöppeln bestimmt, die jeder Gegner dabei zu opfern bereit ist, und andererseits durch die – unbekannte – Kraft der jeweiligen Führer und deren geheime Waffenkarten, die sie mit ins Spiel bringen.

Jeder Spieler hat unterschiedliche Eigenschaften: Einer kassiert für jede Truppenbewegung in der Galaxis, ein anderer beim Kauf von Waffenkarten durch die Mitspieler, einer kann kostenlos Rekruten von den Toten auferwecken und galaktieren, ein anderer darf sich einen Einblick in zukünftige Drohungen und Versprechungen verschaffen. Nicht alle diese Eigenschaften sind gleichwertig. Muß auch nicht sein. Wir haben es ja nicht mit einem Euro-Spiel zu tun.

Damit die Kriegstreiber nicht allein unter sich sind, gibt es noch eine neutrale Figur, die nach einem zufälligen Bewegungsschema durch die Milchstraße fliegt und alles plattmacht, wo sie sich niederläßt. Daher der sinnige Name „Dreadnought“ (Fürchte-Nichts).

Detlev-Aaron hätte gemäß seiner Basis-Eigenschaft in Waffenkarten schwelgen können. Wenn er sich nur welche hätte leisten können. Nach zwei Runden hatte er sein Pulver via Truppentransporte und Scharmützel verschossen. Kein Geld, kein Einfluß, keine Einkommensquelle, kein Aktionsradius! Er hätte nur dann wieder ins Spiel kommen können, wenn ihm einer seiner Kriegsgegner (!) freiwillig etwas abgegeben hätte. Da wir alle noch bei Trost waren, blieb ihm so als einzige Unterhaltung sein Ipod mit den neuesten Nachrichten vom Tage. Diese ungebührliche Beschäftigung wurde gaudihalber von keinem Mitspieler moniert!

Hacan-Walter gewann! Ein Fantasy-Kriegsspiel!? Kein Wunder: nachdem Hacan als Basis-Eigenschaft die Rubel zum Betreiben der Kriegsmaschinerie nur so zufliegen, war es ein Nobrainer, die drei Regionen in der Galaxis zu besetzen, die zum Sudden-Death-Sieg notwendig waren. So wurden heute alle Strategie- und Wargame-Klischees vom Westpark durcheinandergemischt!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (das Dreadnought-Modell findet er cool, ansonsten war er drei Runden lang – 60% der Spielzeit – mit Nachrichtenlesen beschäftigt; vielleicht sind seine 8 Punkte mit den 8 Einflußpunkten korreliert, die er hätte einstreichen können, wenn ihm Moritz nicht in die Quere gekommen wäre), Günther: 3 (Atmospäre allein ist für ihn kein Güte-Kriterium. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Er mag diesen Spieltyp grundsätzlich nicht;), Horst: 6 (ausnahmsweise – unverständlicherweise – fand er diesmal nicht ins Spiel), Moritz: 9 (Ist ein Fan von dieser Art von Spielen. Allein die verschiedenen Charaktere findet er spannend. 10 Punkte bekommt – schon pietäthalber – nur das „Dune“-Original, das er mit anhaltender Begeisterung bestimmt mehr als 100 mal gespielt hat), Walter: 4 (akzeptierte nach der Yunnan-Arbeit den Rex-Dödel-Kontrast).

3. “Bluff”
Im 1:1 Endspiel Aaron gegen Horst fing Aaron mit der ungebrochen-grandiosen Vorgabe von 1 mal die Vier an. Horst hob auf 1 mal Stern!

Ist das ein guter Konter? Von der Theorie her gewiß nicht! Hat Horst tatsächlich einen Stern unter seinem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er dies glaubt; hat Horst keinen Stern unter dem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er anzweifelt. Die Siegchancen für die „1 mal Stern“-Antwort sollten eigentlich weniger als 50% sein!

Doch der Erfolg gab ihm recht. Post-Mortem-Einschätzungen werden angenommen, ob Horst jetzt einen Stern gewürfelt hatte oder nicht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

11.04.2012: Abenteurer, Ausleger, Ausrutscher und Anerkennung

1. “The Adventurers – The Pyramid of Horus”
Ein gleichnamiges und artverwandtes Adventurer-Spiel haben wir bereits vor zweieinhalb Jahren gespielt. Diesmal lag die brandneue Variante „The Pyramid of Horus“ auf dem Tisch. In Ägypten ist gerade eine neue alte Pyramide entdeckt worden, und wir sind Abenteurer, die sich so schnell wie möglich ihre Schätze unter den Nagel reißen wollen, wie es Grabräuber und Archäologen seit Tausenden von Jahren tun.
Mit freudiger Räubererwartung begeben wir uns leichten Schrittes in die Grabstätte, ein Spielbrett mit großkariertem Muster von 52 Quadraten. Wir durchforsten Ecken und Kanten nach siegpunkt-trächtigen Schätzen und laden die Beute in unsere Rucksäcke. Im Laufe der Zeit wird die erbeutete Last immer schwerer und unsere Schritte entsprechend schleppender. Zuweilen sticht uns auch ein Skorpion und hemmt damit unsere Bewegungsfreude. Ganz im Inneren der Pyramide schleichen Mumien umher (oder sind „Mummies“ etwa süße kleine Mütterchen?), denen wir ebenfalls nicht begegnen sollten, wenn wir keinen Schaden nehmen wollen.
In regelmäßigen Abständen kommt es zu einem Steinschlag, und ein per Zufall bestimmtes Quadrat des Spielbrettes wird unpassierbar. Jetzt liegt es an unserem wohlkalkulierten Risiko, noch weiter in der Grabstädte herumzustreichen, um weitere Schätze zu finden und sie als Siegpunkte nach Hause zu tragen, oder lieber schleunigst den Ausgang aufzusuchen, bevor der Rückweg versperrt ist, oder uns die Decke auf dem Kopf fällt.

Doch Siegen ist wichtiger als Überleben. Lieber in Lebensgefahr noch ein paar Siegpunkte zusammenraffen, als mit minimaler Ausbeute die Grabstätte verlassen. Der Tod währt glücklicherweise ja auch nicht lange. Nach wenigen Runden ist die Sache entschieden, der Ausgang verschüttet und die Überlebenden machen unter sich den Sieger aus.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schatzgräberstimmung gut umgesetzt), Andrea: 5 (schönes Familienspiel), Moritz: 7 (nette Adventurers-Variante, er hat es schon mit seinem 4-jährigen Milo gespielt), Walter: 5 (schnell, viel Freiheit in der Bewegung, hübsche Ausstattung).

2. “Robologie”
Die noch nicht veröffentlichte Neuentwicklung von Christoph Tisch lag zum zweiten Mal bei uns auf dem Tisch (siehe Report vom 21.3.2012). In einem abstrakten Kartenspiel müssen wir uns überlegen, ob wir Karten an öffentliche Stapel anlegen oder unsere private Auslage damit bereichern. Durch Anlegen an den öffentlichen Stapel erhöhen wir die Anzahl der Siegpunkte, die mit diesem Stapel zu vergeben sind, und beschleunigen zugleich den Zeitpunkt seine Wertung. Durch Einfügen in die private Auslage sorgen wir dafür, dass wir selber auch etwas von den ausgeschütteten Siegpunkten abkriegen. Schnell, locker, spielerlisch.

WPG-Wertung: Vor drei Wochen hat Moritz noch kommentiert: „Es gibt nichts zu verbessern.“ Unisono wurden damals von Günther, Moritz und Walter je 7 Punkte vergeben. Heute waren Aaron und Andrea deutlich schlechter drauf. Aaron: 4 (entschuldigend “das gilt bei mir ja schon als gut“), Andrea: 4 (Thema unanschaulich, Mechanismen nicht überzeugend.).

3. “BVB – FCB”
„Rochadirecta“ machte es möglich, das Spitzenspiel der Bundesliga mit englischem Kommentator per Internet zum empfangen. Wenigstens die letzten Minuten, mit dem schönen Tor von Lewandowski und dem häßlichen Elfmeter von Robben. Selbst Aaron machte aus den Not eine Tugend und las genüßlich die Texte aus dem Lifeticker vor.

4. “Yunnan”
Schon im Vorfeld hatte Aaron seine Toleranz für das Fußball-Intermezzo davon abhängig gemacht, dass wir anschließend seine Eigenentwicklung „Yunnan“ begutachten. Auf seiner Neuseelandreise hat er wieder an einigen Regel-Schräubchen gedreht. In Singapur fand er auch aktuelles Kartenmaterial für die chinesischen Provinzen rund um die Teeroute herum.
Wir sind Handelsdynastien und stehen in einem höchst interaktiven Kampf um

  • Stärke, damit wir unsere Gegner verdrängen können oder gegen eine Verdrängung ihrerseits geschützt sind.
  • Reichweite, damit wir weiter entfernte und deshalb einträglichere Gebiete erreichen können.
  • Manpower, mit denen wir unsere Stärke und Reichweite zur Geltung bringen.
  • Geld, mit denen wir die Fortentwicklung unserer Dynastie finanzieren.

Die Konkurrenz ist groß. Es brennt an allen Ecken und Enden, und wir können nur einen Teil des Feuers unter Kontrolle bringen. Einerseits müssen wir uns in allen Kriterien entwickeln, um überall mitreden zu können; andererseits sollten wir in einem einzigen Kriterium der Höchstentwickelte sein, um hier unangefochten ökonomische Nischen besetzen zu können. Ein hübsches Spannungsfeld für unsere Spielplanung. „To have a plan“ wird ganz groß geschrieben.

Die eine Stunde Spielzeit verging wie im Flug. Andrea war mit Feuer und Flamme dabei: „Ich finde das wirklich toll!“. Selbst der bei Wirtschaftsspielen etwas zurückhaltende Moritz zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen und kommentierte mit deutlicher Anerkennung in der Stimme: „Es ist eigentlich ziemlich gut!“

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in statu nascendi.

22.02.2012: Kehraus auf der Seidenstraße

Wenn die rheinischen Jecken ihre Kamellen verteilt und die Berliner ihren Wulff vergauckelt haben, trifft sich die bayerische Politprominenz in parteigebundenen Bierzelten, um den jeweiligen Gegner in die Pfanne zu hauen. Verbales Fingerhackeln um die griffigsten Sprüche. In den lokalen Zeitungen, ja sogar im Internetangebot der überregionalen Fernsehanstalten kann man sie nachlesen. Gerne hätte ich heute hier ein paar Kostproben dieses unseres Esprits an unsere außerbayerische Klientel weitergegeben. Doch sie waren samt und sonders flach, schal, hemdsärmelig und einfallsdumm. Im Original genauso wie im Plagiat. Als einziges aufmunterndes Sätzlein möchte ich in die Regionen jenseits der Mainlinie hinüberreichen: „Der FC Bayern hat das Champions-League-Hinspiel in Basel verloren.“

1. “Yunnan”
Moritz mußte sich seinem Besuch aus Australien widmen (vielleicht vor dem Fernsehapparat, um den vorgeführten FCB vorzuführen), Günther geht fremd, um für die Deutsche Brettspielmeisterschaft zu üben, P&L singen noch ihr Hosianna im Gelobten Land und Horst ist bei Sex, wo immer sich dazu Gelegenheit findet. So setzten sich Aaron und Walter in einer Minimalbesetzung tête-à-tête zusammen, um Aaron älteste Eigenentwicklung wieder einmal auf den Prüfstand zu bringen.

Seit fast zwei Jahren ist „Yunnan“ als Kampf- und Aufbauspiel in der Mache. Das führt mal wieder deutlich vor Augen, dass ein (gutes) Spiel nicht einfach in ein paar kurzen Augenblicken glücklicher Inspiration geboren wird, sondern dass viele Wochen heißer Schweiß von der Stirne rinnen muß, bis das Werk den Meister loben kann.

In „Yunnan“ spielt jeder Spieler eine Händlerdynastie weit hinter der Türkei zwischen Teeroute und Seidenstraße. Die Spieler müssen ihr finanzielles Potential in einem Versteigerungsprozess einsetzen

  • um ihr Händlernetz personell zu erweitern
  • um ihre Händler handfester zu machen als die der Gegenspieler
  • um ihren Aktionsradius zu erweitern
  • um die Transportwege für kostengünstigere Ausbreitung auszubauen
  • um Lagerhäuser für einen effizienteren Vertrieb zu errichten

Pro Runde liefert das jeweilige Händernetz mit seinen Eigenschaften an Masse und Struktur einen Gewinn ab, den jeder Spieler beliebig in neues Investitionskapital oder in Siegpunkte verwandeln kann. Viele Wege führen nach Rom (zum Sieg). Allgegenwärtige Frage am Westpark: Sind die verschiedenen Optionen gut ausbalanciert?

Sehr schnell erkannten wir, dass die engen Händlerlimits in den verschiedenen Regionen bei den aktuellen Blockierungslimits eine schnellere Entwicklung behinderten. Auch die Startausstattung der Spieler sollte etwas üppiger ausfallen. Zweimal brachen wir nach jeweils einer knappen Stunde ab, um mit den entsprechenden Regelmodifikationen neu anzufangen. Dann kam alles gewünscht flott aus den Startlöchern. Allerdings hatte sich nach der Hälfte der Spielzeit ein Spieler deutlich an die Spitze gesetzt, von der er rein theoretisch nicht mehr zu verdrängen gewesen wäre. Die dazu von ihm durchgeführten – zweifellos guten – Entwicklungszüge müssen in ihrer Kosten-Nutzen-Relation noch etwas gebremst werden, damit das Gleichgewicht länger auf der Kippe steht. Möglichkeiten dazu fanden wir genug, Aaron wird sie noch verinnerlichen. Dann kann „Yunnan“ einer nächsten Testsession am Westpark unterzogen werden. Mit freudiger Erwartung.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

1. “Bluff”
Zum Absacken ergänzte die beste aller ungarischen Ehefrauen die beiden alten Hasen zu einem Bluff-fähigen Trio. In der ersten Runde katapultierte sie sich mit der längst stumpf gewordenen Horstschen Sternenstrategie blitzschnell aus dem Kreis der aktiven Spieler. Walter stand mit einem einzigen Würfel im Endkampf gegen die fünf Würfel von Aaron. Da hilft nur, den Stier bei den Hörnern zu packen. Also gar nicht erst unter den eigenen Becher schauen, sondern gleich mit 3 mal die Fünf den übermächtigen Gegner unter Druck setzen. Aaron legte zwei Fünfen heraus, erhöhte auf 4 die Fünf und würfelte mit drei Würfeln nach. Walter fand jetzt erst die lumpige Vier unter seinem Becher und zweifelte erwartungsvoll an. Aber Aaron hatte Stern und Fünf nachgewürfelt und durfte triumphieren.

Da kommentierte das kluge Weib sehr treffend: „Das hat auch mit Glück zu tun.“ Ein Satz, der sich heute noch öfters bewahrheiten sollte.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

27.7.2011: Norwegen, Fernost, Europa und die erste Million

Um unsterblichen Ruhm zu erwerben, steckte Herostrates im Jahre 356 v. Chr. den 200 Jahre alten Artemis-Tempel von Ephesos in Brand, eines der sieben Weltwunder der Antike. Die Stadt verhängte damals ein Verbot, die Brandstiftung als solche und den Namen des Täters zu erwähnen, doch ein zeitgenössischer Historiker überlieferte die Tat, so dass Herostrates sein Ziel erreichte, und bis heute ein Verbrecher, der ein Verbrechen rein aus Pulizitätssucht begeht, nach seinem Namen „Herostrates-Natur“ benannt wird.
Auch die heutigen Massenmedien sind nicht willens, solche Verbrechernaturen dem verdienten ewigen Vergessen anheim zu stellen. Sonst würde mit dem norwegischen Herostrates nicht soviel hergemacht. Der nächste Herostrates wartet schon. Und Presse und Fernsehen sind mitschuldig!
1. “Yunnan”
Aarons Weltraumspiel hat eine neue Metamorphose durchgemacht. Aus der letzten Zwischenstufe mit der indischen Stadt „Manipur“ als Namenspatron ist inzwischen die chinesische Provinz „Yunnan“ geworden. Die Anregung dazu kam von Peer Sylvester, den das im Spiel aufzubauende Händernetz an die „Tea-horse-road“ erinnerte, auf der im Mittelalter chinesischer Tea und tibetanische Pferde gehandelt wurden.
Wie damals in „Manupur“ müssen wir auch in „Yunnan“ ein Händlernetz aufbauen und dazu auf einem Biet-Tableau in Konkurrenz zueinander darum bieten, welche unserer Fähigkeit wir jeweils weiterentwickeln dürfen:

  • Erhöhen wir die Anzahl unserer Händler, können wir längere zusammenhängende Handelsketten aufbauen und von jedem einzelnen Händler mehr Geld bzw. Siegpunkte erwerben.
  • Erhöhen wir die Reichweite unserer Händler, können wir damit in weiter entfernte und lukrativere Handelsgebiete vordringen.
  • Erhöhen wir den Einfluß unserer Händler, so können wir im gemeinsamen Handelsnetz schwächere Spieler von guten Plätzen verdrängen.

Aaron hat seit dem letzten Test wieder an einer Menge von Details herumgefeilt. Die ersteigerte Reichweite gibt nicht mehr die Anzahl von Feldern an, die sich unsere Händler bewegen dürfen, sondern eröffnet unseren Händlern den Zugang in fernere Regionen. Dafür muß jeder Bewegungsschritt bezahlt werden, was dem Geld einen ganz neuen Stellenwert gibt.

Ein neu eingeführter „fliegender Händler“ bringt etwas Zufallscharakter ins Spiel. Er wird per Würfelwurf in die verschiedenen Richtungen bewegt und verdrängt nach einem definierten Prioritäten-Prinzip die dort ansässigen Händler der Spieler.
Probeweise wurde diesmal ein geringerer Entwicklungsstand der verschiedenen Kategorien Anzahl, Reichweite, oder Einfluß bei Spielende honoriert. Wer auf Sparflamme fährt und keine einzige Kategorie weiterentwickelt, heimst am Ende für diese Non-Entwicklung schon mal 42 Siegpunkte ein. Dahinter steckt die Idee, einen sparsamen Umgang mit Entwicklungs-Resourcen zu belohnen. Ist dieses Prinzip gut? Nimmt einem das nicht die Lust am dynamischen Aufbau, und ist das in diesem Sinne nicht kontra-produktiv? Moritz versuchte sich auf dieser Schiene. Mit einem einzigen Händler der einfachsten Einflußgröße und lediglich hoher Reichweite wollte er über die Sparsamkeitsprämien Sieger werden. Zum Glück für das aktuelle Spieldesign scheiterte er damit. Denn Spaß macht diese Hungerstrategie auch nicht.
In der heutigen Version war das Geld das strategische Nadelöhr. So hinkte die Entwicklung aller Spieler hinter den bisher gewohnten Erwartungen zurück. An dieser Balance muß noch gedreht werden, damit der Geldsegen wieder reichlicher fließt und für das Biettableau auch jederzeit genügend Masse vorhanden ist.
Doch Charme hat „Yunnan“ jetzt schon auf alle Fälle. Die noch kürzlich erfolgte Abqualifizierung „totally broken“ konnte nur aus einer bösartigen Spielergalle heraus erfolgt sein.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
2. “Airlines – Europe”
Abacus hat dieses Jahr eine neue Version von Alan R. Moon’s „Airlines“ herausgebracht. Die Szenerie ist Europa. Wie bisher geht es darum, sich aus einer Reihe von angebotenen Luftfahrtgesellschaften ein optimales Aktienpaket zuzulegen und diese Gesellschaften auch kräftig auszubauen. Im einzelnen haben die Spieler folgende Zugmöglichkeiten:

  • Geld von der Bank zu nehmen
  • Mit dem Geld das Streckennetz einzelner Gesellschaften auszubauen und als Gegenleistung dafür einzelne Aktien auf die Hand nehmen.
  • Einzelne Aktien aus der Aktienhand offen auszuspielen und sich damit als Aktionär erkennen zu geben. Dafür erhält man wiederum Geld von der Bank.

Wie bisher gibt es im Spiel drei Wertungspunkte, an denen der aktuelle Aktienbesitz in Siegpunkte umgemünzt wird. Dabei kommt es lediglich darauf an, die relative Mehrheit an Aktien offen ausgelegt zu haben. Wie groß diese Mehrheit ist, spielt keine Rolle. Immer genau ein Stück mehr zu haben als der schärfste Konkurrent, und zwar bei den besonders entwickelten Linien, das ist das ganze Geheimnis für gutes Spiel. Doch weil das alle wollen, gibt es dafür keine Lösung. Der beste Kompromiß führt hier zum Sieg.
Durch einige hübsche Neuheiten unterscheidet sich „Airlines Europa“ positiv vom bisherigen „Airlines“ in Amerika. Es gibt die Sonderlinie „Abacus-Airline“ (bei uns zuerst „Air Lingus“ und dann „Air Cunilingus“ genannt), die an den Wertungspunkten besonders hohe Siegpunktquoten ausschüttet. Die Aktien für diese Linie kann man nicht kaufen, sondern man muß ausliegende oder Handkarten-Aktien der Standardlinien gegen diese Linie umtauschen. Damit kommt das früher ziemlich fest zementierte Mehrheitengefüge an Aktienbesitz gegen Ende des Spiels nochmals gehörig ins Wanken und es eröffnen sich neue Perspektiven zu punkten.

Auch das Erweitern des Streckennetzes ist nicht mehr vom früher teilweise frustrierenden zufälligen Ziehen der richtigen Streckenkarten abhängig, sondern nur noch vom Geld. Und das kann man sich kostenfrei von der Bank holen.
Das Spiel hat viele spieltheoretische Design-Prinzipien sehr gut umgesetzt:

  • Jeder ist seines Glückes Schmied
  • Konstruktiver Aufbau
  • Progessiv steigende Umsätze und Siegpunktquellen
  • Jeder ist bei jedem Zug beteiligt
  • Flotter Spielablauf

WPG-Wertung: Aaron: 8 (das 20 Jahre alte schöne Spiel hat durch die Erweiterungen noch gewonnen), Günther: 8 (war schon immer ein Airline-Fan), Moritz: 7 (möchte mehr Möglichkeiten zum aktiven Kampf gegen seine Mitspieler haben; das ähnliche uralte „Aquire“ gefällt ihm besser), Walter: 9 (das Spiel ist rund und schön).
3. “Die 1. Million”
1970 hatte der sagenhafte Designer Sid Sackson bei 3M mit „Monad“ ein Kartenspiel herausgebracht, in dem wir uns durch geschicktes Mutieren von Einzellern in Mehrzeller verwandeln, und wer die ersten drei Riesenzellen in seiner Population zustande gebracht hat, beendet das Spiel als Sieger.
1987 – der Ostblock war noch nicht aufgelöst – war das Pantoffeltierchen-Zeitalter zu Ende, und das Spiel wurde ohne eine einzige Regeländerung auf den Kapitalismus hin ausgerichtet. Wir entwickeln keine Einzeller mehr, sondern wir konvertieren passende kleine Geldscheine in immer höhere Stückelung, bis der erste Spieler drei 1-Millionen-Säcke zur Seite gebracht hat und das Spiel als Sieger beendet.
Die Konvertierungsregeln von Einzellern und Geldscheinen sind identisch:

  • aus zwei paarigen kleinen Einheiten wird sprunghaft eine einzelne größere Einheit
  • aus mehreren unpaarigen kleinen Einheiten wird eine einzelne größere Einheit
  • aus einem spieler-individuellen „Special-Credit“ und einer weiteren Einheit wird sprunghaft eine einzelne größere Einheit
  • aus vielen ungleichfarbigen Kleinsteinheiten wird in einem Riesensprung eine ganz große Einheit.

Vor knapp zwanzig Jahren, noch bevor wir als Westpark-Gamers unsere Ergebnisse ins Internet stellten, hatten wir dieses Spiel schon mit Vergnügen gespielt. Diesmal war das Vergnügen gebremst. Wir genießen offensichtlich schon so lange das gemeinsame Spielen, dass wir den Genuß an der Gemeinsamkeit deutlich von der Qualität der gespielten Spiele unterscheiden: das erste Kriterium kann hoch sein, ohne dass damit automatisch das zweite Kriterium mitgezogen wird.
Walter meckerte den „Determinismus“ der „1. Million“ an, d.h. durch die ausliegenden und nachgezogenen Karten sei der richtige Spielplan eindeutig vorgegeben. Günther warf provozierend ein: „Wie beim Bridge; auch da schaust du dir deine Karten an und spielst sie dann eine nach der anderen herunter.“ Diese ignorante Gleichsetzung rief natürlich heftigen Widerspruch hervor. Günther lenkte ein.
Dann fand Walter auch eine Provokation: Die „1. Million habe eine ganz triviale Siegstrategie.

  • Erwerbe dir – irgendwie, so schnell es geht – den 30er Geldschein in deiner „Special-Credit“-Farbe
  • Ziehe danach bei jedem deiner Aktionen einen 10er Geldschein vom verdeckten Stapel, bis du die 6 verschiedenen Farben und zwei weitere 10er Geldscheine auf der Hand hast.
  • Wechsele den 30er Geldschein deiner „Special-Credit“-Farbe und einen 360-er Geldschein in ein 1-Millionen-Säckchen um, und tausche dir anschließend mit denen beiden weiteren 10er Geldscheinen den 30er Geldschein in deiner „Special-Credit“-Farbe wieder zurück.
  • Wiederhole die Aktionen 2 und 3 solange, bis du gewonnen hast
  • Damit kommt läuft das ganze Spiel auf folgendes Prinzip hinaus: Teile aus einem Kartenstapel mit hundert Nieten und einer Gewinn-Karte reihum an alle Spieler jeweils eine Karte aus. Wer zufällig die Gewinn-Karte ausgeteilt bekommt, hat gewonnen.

Heftiger Widerspruch bei Aaron und Günther.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (fand es früher schöner), Günther: 6 (zu viele grenzwertige Mangel-Effekte im Spiel; spielt sich in einer 3er Runde besser), Moritz: 5 (diesmal war es langweilig), Walter: 6 (wenn wir es lockerer spielen würden, bekäme das Spiel gewiß mehr Punkte).