Die Goethe-Universität in Frankfurt hat nach einem statistischen Modell berechnet, wer die diesjährige Fußball-Europameisterschaft gewinnen wird. Basis für die Rechnerei ist die schlichte Erkenntnis, dass die Ergebnisse von Fußballspielen Zufallsereignisse mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten sind. Jede Mannschaft schießt etwa 9 mal direkt aufs Tor. Die eine Mannschaft trifft aber häufiger als die andere. Die Wahrscheinlichkeit für das Häufiger-Treffen wird aus den Ergebnisse von früheren Begegnungen und aus der derzeitigen FIFA-Punktzahl gebildet.
Finales Ergebnis der jungen Goethes:
Deutschland kommt mit 62,14% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 31,92%.
Italien kommt mit 41,61% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 19,77%.
Spanien kommt mit 57,71% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 29,64%.
(Näheres unter http://www.fussballmathe.de)
Diese Ergebnisse stammen offensichtlich aus der Zeit vor dem heutigen Portugal-Spanien-Spiel, denn jetzt ist Spanien bereits mit 100% im Finale. Und warum die Summe aus den Final-Wahrscheinlichkeiten für Deutschland und Italien keine 100% ausmacht, das ist auch nicht ganz plausibel. Mir zumindestens nicht. Ich weiß nur, dass der alte Goethe als Naturwissenschaftler ein paar dicke Kalauer vom Stapel gelassen hat. Warum nicht auch die jungen Goethes?
Morgen wissen wir mehr, und am Sonntag wissen wir alles.
1. “Vegas”
Auf die recht harsche Kritik von letzter Woche hat uns Rüdiger Dorn eine ruhige, sachliche Antwort zukommen lassen. Er verwies auf die Störer-Variante: Jeder Spieler bekommt zu seinen acht eigenen Würfeln noch zwei fremde Würfel eines Dummy-Mitspielers dazu, die er unabhängig von seinen eigenen Würfeln legen kann. Damit kommt etwas mehr Schadenfreude ins Spiel. Es geht nicht mehr allein darum, mit Blut, Schweiß und Tränen an ein paar Dollars ran zu kommen, jeder hat a priori zwei Würfel in der Hand, die ausschließlich dazu da sind, den Mitspielern beim Aneignen begehrter Pfründen in die Suppe zu spucken.
Moritz spürte sofort, dass das Spiel „deutlich lustiger“ wurde. Günther schränkte ein: „Aber nicht weil das Spiel auf diese Weise lustiger ist, sondern weil wir uns darüber lustig machen!“ Aaron bilanzierte. „Es ist halt ein gehässiges Spiel:“ Zur Versöhnung gab Moritz noch eine seiner unendlichen Weisheiten zum Besten:
„Das Spiel will nicht mehr als es ist!“.
Wir hätten alle gerne etwas mehr gehabt und bastelten an Varianten. Beispielsweise:
- Es gibt Joker-Würfel
- Die letzten drei Würfel dürfen / brauchen nicht mehr ausgelegt werden.
- Eine Spielrunde endet mit Sudden Death, sobald ein Spieler alle seine Würfel plaziert hat.
- Würfel müssen nicht immer ausgelegt, werden, sie dürfen auch einfach beiseite gelegt werden.
- Augenzahlen sind kombinierbar.
Sicherlich haben Autor und Verlag viele Vegas-Varianten ausprobiert. Das oberste Ziel war aber offensichtlich die Einfachheit der Regeln. Schließlich kann heutzutage nur so ein Spiel-des-Jahres entstehen.
WPG-Wertung für Vegas mit der Störer-Variante: Aaron: 6 (glatt, vorher 6-minus), Günther: 4 (bleibt), Moritz: 4 (die erste Runde war noch ganz lustig, nach der zweiten Runde habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (vorher 3).
2. “Infiltration”
“In ‘Infiltration’ two to six players control futuristic thieves, known as operatives, infiltrating a highly secure corporate facility to steal digital files. Each operative attempts to outwit his counterparts and collect the most data. But most importantly, each operative must escape the facility before the security mercs arrive.” – So steht es in der Game-Overview. Der Google-Translator übersetzt das (leicht verbessert) zu: „In ‚Infiltration’ steuern zwei bis sechs Spieler futuristische Diebe, als Arbeiter bekannt, die eine hochsichere Corporate Facility infiltrieren, um digitale Dateien zu stehlen. Jeder Arbeiter versucht, seine Amtskollegen zu überlisten und die meisten Daten zu sammeln. Am wichtigsten ist aber, dass der Arbeiter die Anlage verläßt, bevor die Sicherheits-Söldner ankommen.”
Wie infiltrieren wir die Facility? Indem wir die Aktionskarte „Advance“ spielen. Mit jeder Advance-Karte kommen wir ein Feld (=Raum der Facility) vorwärts. Wie stehlen wir Dateien? Indem wir die Aktionskarte „Download“ spielen. Solange der Vorrat reicht. Wenn die letzte Datei vom Feld, auf dem wir gerade stehen, entwendet wurde, gibt es nichts mehr zu holen. Dann sollten wir ins nächste Feld ziehen. Wie? Siehe oben.
Wie kommen wir aus dem Spielfeld wieder heraus? Indem wir die Aktionskarte „Retreat“ spielen. Damit gehen wir ein Feld zurück in Richtung Ausgang. Wenn wir “Retreat” mindestens so oft gezogen haben, wie wir im bisherigen Spielverlauf advanciert sind, sind wir draußen. Wann kommen die Sicherheits-Söldner? Wenn die Summe aller Augen, die wir mit dem Zeitwürfel gewürfelt haben, die Hundert überschreitet. Durchschnittlich könnte man mit 100 geteilt durch 3 ½ Zeitwürfel-Würfen rechnen. Da die Uhr aber schneller geht und immer wieder eine zusätzliche Zeitspanne addiert wird, ist das Spiel schneller aus als man denkt.
Wer noch schneller fertig werden will, spielt gleich im ersten Zug die „Retreat“-Karte. Unverzüglich ist er draußen und kann sich das aufregende Portugal-Spanien-Spiel anschauen.
Gibt es noch was? Ja, jeder hat ein paar Item-Karten auf der Hand, die er anstatt oder zusätzlich zu seiner Aktionskarte spielt. Damit kann er sich ein bißchen schneller bewegen. Vorwärts und rückwärts!
Nachdem jeder ein paar Runden lang advanced und downloaded hatte, entfuhr es Aaron: „Das kann es doch nicht sein, was wir jetzt machen.“ Moritz beruhigte: „Es ist halt ein No-Brainer“. Zu Deutsch: Ein Kinderspiel! Höchstenfalls!
Günther stieg als erster aus. Dabei wollte er nicht einmal das Fußballspiel anschauen. Er hatte nur eine Item-Karte in der Hand, mit der er die Restspielzeit gleich um ein Drittel verkürzte. Er war der einzige, der überlebte. Für alle anderen reichte die Zeit nicht mehr, im Retreat-Tempo den Ausgang zu erreichen. Moritz hat es trotzdem Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (störte sich an der unterschiedlichen Wertigkeit des Diebesgutes. Der zufall-bestimmte Unterschied kann bis zu 300% betragen), Günther: 4+ (zu viel Text, d.h. Brimborium, für die einfachen Züge), Moritz: 7 (würde ich sofort wieder spielen. Thematisch überzeugend), Walter: 3 (würde es nicht nocheinmal spielen, wenn man ein Drittel der Feld-Effekte kennengelernt hat, ist das abstrakte Thema ausgelutscht).
Walters Ausgelutscht-Aussage konterte Aaron mit dem Hinweis auf die Geisterbahnen auf Rummelplätzen. „Jeder weiß, was da drin ist, und trotzdem gehen alle rein.“ Ach! In den Geisterbahnen will man doch nicht neue Geister kennen lernen. Zum Küssen sind sie da!
3. “Pictomanic”
Ein Unterhaltungs- und Familienspiel, das es heuer bis auf die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres” gebracht hat. Jeder bekommt einen unterschiedlichen Begriff vorgegeben (Auto, Ball, Cafe), dann malen alle gleichzeitig ihren Begriff und versuchen, als erster die Begriffe zu raten, die ihre Mitspieler malen. Ein ähnliches Prinzip wurde schon sehr erfolgreich mit dem Spiel-des-Jahres „Barbarossa“ verfolgt.
Punkte gibt es für das richtige Raten, für das richtige Geraten-Werden und für die Geschwindigkeit, mit der man das erledigt.
Das Spiel hat einen netten Unterhaltungswert, wie alle Spiele dieser Art. Tragisch ist es nur für den, der als einziger vom Fach ist, und dessen fachkundigen Gemälde nicht erkannt werden. Wie leicht kann für einen Nicht-Astronomen aus der Jungfrau ein Stier werden. Moritz hielt Walters Gitarre für eine Geige, Günthers Steinpilz war zweifellos ein Fliegenpilz und alle hielten Aarons Hyäne für einen Fuchs.
Die vorgegebenen Begriffe haben einen steigenden Schwierigkeitsgrad. Wir waren bald überfordert. Nicht nur mit Gitarren, Hyänen und Steinpilzen. Wie malt man denn einen „Algorithmus“? Reumütig und einsichtig kehrten wir zu den Anfängerbegriffen zurück.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hoher Wiederspielwert, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sind eine gute Idee, vorzügliche Skalierbarkeit für 4 bis 6 Personen), Günther: 7, Moritz: 7 (das Punktesystem ist das genialste am Spiel), Walter: 6 (die Idee ist nicht neu, der Zeitdruck stört die Kontemplation, das geilste sind die abwaschbaren Mal-Tableaus).
4. “Sequence”
Das Spielbrett zeigt ein Muster von Bridge-Karten. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von 6 Karten und spielt reihum eine frei wählbare Karte daraus aus. Die ausgespielte Karte gibt das Feld auf dem Spielbrett an, wo der Spieler einen Chip hinlegen darf. Ist es einem Spieler gelungen, fünf Chips in waagrecht, senkrecht oder diagonal benachbarte Felder zu legen, so hat er gewonnen. Bei vier Spielern bilden die beiden gegenübersitzenden Spieler ein Team und gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
Wie beim Gobang-Spiel müssen ständig zwei Ziele im Auge behalten werden: eine eigene Fünfer-Sequenz zu bilden und beim Gegner eine solche zu verhindern. Beim Gobang hat dabei aber jeder Spieler unendliche künstlerische Freiheit, in „Sequence“ können nur die maximal 6 verschiedenen Felder gemäß der eigenen Kartenhand belegt werden. Ein kleines bißchen Aufpassen über die Gebilde der Gegner schadet nicht, der Rest ist Kartenglück.
Der italienische Untertitel des Spiels lautet: “Un emozionante gioco di strategia“, der englische Untertitel: „An exciting game of Strategy“. Deutscher Untertitel: Fehlanzeige. In Mini-Schrift darunter gesetzt: „Mit Strategie und Glück gewinnen.“ Wir Deutschen sind entweder sauertöpfisch oder humorlos. Oder schlichtweg wahrheitsliebend.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (möglicherweise als Absacker geeignet), Günther: 7 (nur zum Zeitvertreib), Moritz: 5, Walter: 5 (reines Glücksspiel, plus ein bißchen Wahrnehmen, was das Glück uns geboten hat).
Inzwischen hat Spanien das Elfmeterschießen gewonnen.
5. “Zooloretto – Würfelspiel”
Ein Spiel-des-Jahres ist immer eine Variation wert. 2007 hat das Brettspiel „Zooloretto“ den begehrten Titel gewonnen, 2012 kam die jetzige Würfelversion heraus.
Mit Hexawürfeln, auf denen Zooloretto-Tiere abgebildet sind, würfeln wir die Tierearten aus, die auf dem Markt zu haben sind, und laden sie auf Transporter. Jeder Spieler kann wählen, ob er zwei weitere Tiere herausbringt oder ob lieber die Tiere auf einem der beladenen Transporter in seinen Zoo einreiht. Am Ende bestimmt der beste Zoo den Sieger.
Für Aaron eine gelungene Kombination von „Choice“ und „Vegas“. Für Walter war auch noch ein bißchen „Kniffel“ dabei.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht besonders spannend), Günther: 7 (die beste Umsetzung eines Brettspiels als Würfelspiel), Moritz: 6 (das Original-Zooloretto ist besser), Walter: 5 (Würfelspiel mit der üblichen chaotischen Abhängigkeit von den Aktionen der Mitspieler).