|
||||||||||||
|
rezensiert von Aaron Haag
Immer wieder werden Spiele als Werbemittel einsetzt und sie stellen sicherlich für den Autor eine besondere Herausforderung dar, wenn das Spiel sowohl einem vorgegebenem Publikum gefallen soll sondern auch noch dem mehr oder weniger spielunerfahrenen Auftraggeber selber. Wenn dann noch ein Thema vorgegeben ist, kann es auch einmal richtig schwierig werden.
Gerolsteiner hatte vor Jahren das Radrennspiel "Windschatten" seinen Sprudelkästen beigelegt; hier passte Thema und Spielkomplexität zum anvisierten Publikum. Das genaue Gegenteil bot "Anaconda", einst von Siemens Business Services beauftragt, das nicht nur thematisch keinerlei Beziehung zum Auftraggeber hatte sondern auch spieltechnisch eine Katastrophe darstellte.
Mit "Jamaica" gibt der junge Spielverlag GameWorks aus der Schweiz eine weitere Auftragsarbeit heraus. Die Autoren sind, wie schon bei "Animalia" ein Triumvirat aus dem bekannten Bruna Cathala, Sébastien "Yspahan" Pouchon und dem Jazz-Pianisten Malcolm Braff. Sébastien hatte bereits bei "Yspahan" dem üblichen Glückselement Würfel eine neue, strategischere Rolle verliehen (wer das Spiel noch nicht kennt, sei auf unsere PC-Adaption hingewiesen).
Unter diesen Randbedingungen ist die Erwartungshaltung an "Jamaica" erst einmal hoch. Öffnet man die Spieleschachtel, fällt sofort das exzellente Spielmaterial ins Auge bei dem Piratengefühle und Karibiksehnsucht aufkommen. Selbst die Spielregel ist wie eine Schatzkarte aufgemacht, was allerdings beim späteren Gebrauch eher hinderlich ist. Kleine Details wie die als Schatztruhe aufgemachte Spielschachtel oder die zu einem Panorama zusammenlegbaren Spielerkarten unterstreichen das Spielthema weiter.
"Jamaica" ist ein Würfel-Rennspiel, bei dem zwei bis sechs Spieler ihr Piratenschiff möglichst schnell um die Pirateninsel steuern müssen und dabei gleichzeitig versuchen, möglichst wertvolle Schätze zu entdecken und diese erfolgreich vor den Angriffen der anderen Piraten zu schützen.
Der Startspieler einer Runde würfelt mit zwei Würfeln und legt dann fest, in welcher Reihenfolge die Würfelwürfe von allen Spielern in ihrem Zug zu verwenden sind. Sobald die Reihenfolge feststeht wählt jeder Spieler aus seinen Handkarten diejenige, die er spielen möchte und legt sie verdeckt vor sich ab. Dann führen die Spieler, beginnend mit dem Startspieler ihre beiden durch die gespielte Karte festgelegten Züge aus.
Die Karten bieten folgende Zugmöglichkeiten, von denen je zwei in definierter Folge angegeben sind:
Ladung darf nur in noch freie Laderäume des Schiffs-Tableaus gelegt werden, notfalls muss ein Laderaum erst leer geräumt werden indem der bisherige Inhalt "versenkt" wird.
Trickreich ist das Bewegen des eigenen Schiffs, denn es gibt einerseits Gefahren durch starke Piratenschiffe der anderen Spieler aber auch Chancen in Form von Schatzhöhlen oder schwachen anderen Piratenschiffen. Wenn nicht gerade eine der versteckten Schatzhöhlen angefahren wird, muss noch ein auf dem Zielfeld angegebener Betrag an Nahrungsmitteln oder Dublonen gezahlt werden. Wer nicht vollständig zahlen kann, bezahlt was er hat und fällt bis zu dem Feld zurück, für das er vollständig zahlen kann - unangenehm, es sei denn, man plant bewusst einen taktischen Überraschungsrückzug. Hier gilt es also, seine Ressourcen genau im Auge zu behalten.
Ist das Zielfeld bereits durch ein anderes Piratenschiff besetzt kommt es sofort zum Kampf. Beide Spieler würfeln mit einem Kampfwürfel, wobei sie vorher eine beliebige Menge Schießpulver aus ihren Laderäumen als Zusatzwürfelpunkte einsetzen dürfen. Wenn nicht gerade einer der beiden Kämpfenden den Stern würfelt und damit den Kampf sofort für sich entscheidet, gewinnt derjenige Spieler mit der höchsten Summe aus Würfelwurf und Menge des eingesetzten Schießpulvers.
Der Sieger darf dem unterlegenen Piraten entweder einer seiner Schätze abnehmen oder ihm einen seiner eigenen verfluchten Schätze geben oder einen beliebigen Laderaum des Verlierers plündern. Hierbei kann es schon mal ein langes Gesicht geben, wenn der abgenommene Schatz sich als verflucht herausstellt, der am Ende Minuspunkte bringt.
Das Spiel endet nach der Runde, in der einer der Spieler wieder das Startfeld erreicht oder überschreitet. Nun werden Punkte für die Position beim Zieleinlauf vergeben, die zusätzlich noch mit den Werten der Schätze modifiziert werden. Sieger ist der Spieler mit den meisten Punkten.
Aus der Beschreibung wird klar, dass bei hoher Spielerzahl kaum Möglichkeiten zur Vorausschau und Planung der eigenen Züge besteht; zu viele Ereignisse geschehen bis man wieder an der Reihe ist. So herrscht dann auch ab fünf Spielern ein beträchtliches Maß an Mitspielerchaos, das aber auch als dem Thema des Spiels angemessen gewertet werden kann, man denke nur an die Filme der "Fluch der Karibik"-Reihe. Ein wenig Jack Sparrow Gefühl kommt während des Spiels schon auf.
Insoweit ist das Spielthema stimmig umgesetzt und man darf ebenfalls annehmen, dass das Spielelement der schlechten Planbarkeit von unangenehmen Ereignissen auch einer Auftrag gebenden Versicherungsgesellschaft gefallen haben dürfte.
In unserer Spielegruppe aus erfahrenen Spielern kam aus den genannten Gründen das Spiel nicht so gut an. "Jamaica" ist als Familienspiel konzipiert, das auch mit Kindern gespielt werden kann aber eben nicht für Hardcore-Strategiespieler, hierfür ist es einfach zu leicht und glücksbetont. Interessanterweise fanden wir "Jamaica" in einer 2-er Besetzung dann doch herausfordernd und mit deutlichem Taktikanteil. Hier kommt nämlich ein neutrales drittes Schiff ins Spiel, das sich nach fest definierten Regeln bewegt. So können die eigenen Züge sehr gut geplant und die Züge des Gegners antizipiert werden. Trotzdem ist durch die Kämpfe und dem ungewissen Ausgang der Schatzsuche noch genügend Unwägbarkeit im Spiel.
Die Problematik der Spielbewertung für Spiele, die sich an unterschiedlichen Zielgruppen richten, wurde vor Kurzem von Wolfgang Kramer in der Spielbox 6/2007 angesprochen. Seine Feststellung war, dass eine Spielbewertung nur unter Berücksichtigung der Zielgruppe aussagekräftig und fair sein kann. Dort beschreibt er eingehend die Problematik, dass die meisten Spielekritiken von Vielspielern für Vielspieler verfasst werden.
Neben den professionellen Kritikern gibt es eine weitaus größere Zahl von Kritikern, die sich in Spielergruppen organisiert haben und ihre Meinung über Spiele im Internet veröffentlichen. Die Mitglieder solcher Gruppen kennen sich oft jahrelang und haben Vorlieben und Abneigungen zu bestimmten Spielen und Spielthemen entwickelt. Spiele außerhalb des "Aktionsraums" dieser Gruppen, z.B. Kinderspiele, werden selten bis gar nicht gespielt. Stattdessen werden Spiele nach den Vorlieben und Erfahrungen der Gruppe ausgewählt und Bewertungen sind damit immer subjektiv und geben die Vorlieben der Gruppe wider. Abgemildert wird diese Subjektivität der Wertung nur dann, wenn die Spielinteressen der Gruppe inhomogen sind und gleichzeitig die Anzahl der Bewertenden eines Spiel relativ hoch. Leser solcher Rezensionen können in der Regel relativ rasch die Vorlieben der jeweiligen Gruppe erkennen und an den eigenen spiegeln. Objektivität wird also immer nur insoweit geboten, als die Bewertungen verschiedener Spiele durch die gleiche Gruppe den gleichen Kriterien gehorchen. Auch hier gilt die von Wolfgang Kramer beschriebene Annahme, dass diese Rezensionen für Vielspieler gedacht sind. Da wir seiner Argumentation folgen wollen, erscheint diese Rezension mit dem deutlichen Hinweis, dass "Jamaica" sich eben nicht an Vielspieler wendet.
Kommentare lesen/schreiben |
©2008, Westpark Gamers