"Castle of Magic" - mon amour

von Moritz Eggert

Walters grosser Spielekritik merkt man an, daß ihm das Spiel nicht gefallen hat. Nun, das kann niemand ändern.

Warum bringt das Spiel nachweisbar dennoch mehr Leuten Spaß als Verdruß und Frust (es ist sogar so, daß Walter die einzige Person ist die ich kenne, der "Castle of Magic" nicht gefällt)?

Wenn man das Wort "Castle of Magic" durch das Wort "Leben" ersetzt, wäre Walters "Tirade" nichts weiter als ein philosophischer Text, der gegen die Unvorhersehbarkeit des Lebens wettert. Wie wir alle wissen ist aber genau diese Unvorhersehbarkeit das Schöne daran. Auch im Leben wissen wir nicht genau, wie sich die Dinge genau entwickeln werden, denn wenn A das tut, wird dies passieren, und wenn B dazwischenfunkt, wird das wieder negiert, C hat auch noch ein Wörtchen mitzureden, etc.. Und wenn A keine Person ist, dann ist A vielleicht ein vollkommen unvorhersehbares (ausgewürfeltes?) Naturereignis, wie zum Beispiel gerade im Moment in Deutschland zu erleben ist. Man selber hat freie Entscheidungsmöglichkeiten im Leben, jedoch ganz bestimmt nicht alleinigen Einfluss darauf, wie es letztlich genau verläuft. Und das ist schlicht und einfach... spannend, denn sonst wären wir alle schon vor Langeweile gestorben.

So wie das Leben an sich, so ist auch "Castle of Magic" spannend...

Moderne Fantasy-Brettspiele gingen aus den Rollenspielen hervor, die wiederum aus Simulationsspielen (zu Anfang meist Wargames) hervorgingen. Der erste Rollenspielverlag hieß daher auch "TSR" (Tactical Simulation Rules). Jeder echten Simulation ist eine Eigenschaft eigen: Das Glückselement muß Teil des Konzepts sein. Egal ob ich Baseball-Begegnungen oder die Erforschung des amerikanischen Kontinents darstelle, das Schicksal muß jederzeit eine Rolle spielen. Schließlich kann selbst der beste Baseball-Coach nicht definitiv davon ausgehen, daß sein Batter den Ball zu einem bestimmten Zeitpunkt trifft. Und Columbus konnte nicht das Wetter auf seiner gesamten Reise vorhersehen, oder was er an deren Ende finden mochte. Daher war seine Reise auch nicht langweilig.

Jeder Spieler läßt sich bei jedem Spiel auf eine "Verarschung" ein - allen Spielen gemein ist der Versuch einer Weltensimulation, und die kann nur gemeinsam geträumt werden. Der Unterschied ist, daß wir uns entscheiden können, ob wir diese Welt betreten wollen oder nicht. Wir lassen uns freiwillig darauf ein, das ist das Schöne dran.

"Castle of Magic" ist sicherlich ein "leichter" Vertreter der Gattung "Simulationsspiel" - es erhebt nicht den Anspruch darauf, das neue Supertaktikspiel zu sein. Es nervt nicht mit ellenlangen Regeln und obskuren Auslegungen derselben. Es geht mit einfachsten Mitteln um Magie, Macht, Lüge, Verrat, Treue, Kampf, Diplomatie... also alles Dinge, die ein gutes Spiel ausmachen. Ich lasse mich gerne immer wieder auf diese Welt ein, weil es hier weniger darum geht zu gewinnen, als Teil eines spannenden Machtkampfs zu sein, der die Machenschaften von Magiern und Kreaturen in einem Fantasyreich darstellt. Die Unberechenbarkeit kann ich zwar im normalen Leben auch haben, die magischen Kreaturen und Zauberrituale dagegen nicht.

Walters Geschmack sind ja Spiele, bei denen alles berechenbarer ist, das sei ihm gegönnt. Am liebsten ohne Orks, denn die gibt es ja nicht (gerade deswegen muß ich sie ja erfinden!). So zum Beispiel sein geliebtes "1830" denn da hat man ja in jedem Zug die absolute Kontrolle über sein .....aber halt, was ist, wenn A nicht wie berechnet die Gesellschaft floatet? Und B plötzlich die Strecke in eine andere Richtung als erwartet erweitert? Vielleicht, weil er gerade schlecht geschlafen hat (Glückselement!) und etwas übersehen hat? Und die Zugreihenfolge plötzlich C, der sonst immer so friedlich war (aber heute von seinem Chef angeschrien wurde, Glückselement!), die Möglichkeit gibt, mich total in die Sch... zu reiten? Ist C in Wirklichkeit etwa ein ...ORK???

Ist vielleicht auch "1830" eine Verarschung?

Um Himmels Willen!

Link zu Peters Antwort auf Walters Standpunkt.